Plötzlich merke ich, da sind nur noch zwei Kinder da

Zweimal im Jahr muss Beni Frenkel da durch: Besuch im Hallenbad. Bild: Patrick Gutenberg
Manchmal sitze ich neben meiner Frau und frage mich: «Liebe ich diese Frau da?» Und dann, wenn ich mit Ja antworte, fahre ich fort im Baumdiagramm: «Trinkst du aus ihrem Becher?» Verlegen gucke ich auf den Boden und stelle mich der nächsten Frage: «Steigst du in die gemeinsame Badewanne?» Nein, auch nicht.
Ich finde das eklig. Ich steige mit niemandem in die Badewanne. Das Schlimmste sind aber die Besuche im Hallenbad. Zweimal im Jahr muss ich da durch. Wir gehen in das nahe gelegene Hallenbad Kilchberg. Zum Beispiel letzten Sonntag. Ich stehe hüfthoch im Kinderbecken und zähle runter von 1800. Eine halbe Stunde; so viel habe ich den drei Kindern versprochen, mache ich das jetzt mit. Als ich bei 1700 angelangt bin, merke ich plötzlich, dass nur noch zwei Kinder da sind. Ich zähle weiter bis zu meiner Lieblingszahl 1351.
Aber immer noch sehe ich nur zwei selber gezeugte Kinder. Das ist viel zu wenig. Ich beginne, mir Sorgen zu machen. Die Frau zieht ihre Bahnen und ahnt von nichts. Ich schliesse die Augen und zähle weiter. 556, 555, 554. Plötzlich höre ich meine Tochter. Sie winkt mir freudestrahlend zu.
Ich atme auf. 332, 331, 330. Natürlich schimpfe ich mit ihr: «Verdammt noch mal, 324, 323, 322, wo hast du gesteckt? 321, 320, 319.» Sie jubelt: «Ich stand unbemerkt hinter dem Überwachungsraum des Bademeisters. Der Mann hat im Internet nach Flaggen gesucht. Und weisst du was, Papi? Wir behandeln das Thema in der Schule!»
Ich denke nach: «298, 297, 296. Ein Bademeister, der im Internet surft. Und das an einem Sonntag mit tausend Kindern? Was würde wohl David Hasselhoff dazu sagen?» Weiss ich leidernicht. Ich kenne nur die Antwort vom Kilchberger Gemeindeschreiber Daniel Nehmer, den ich angeschrieben habe: «Beim fraglichen Mitarbeiter, den Sie am Sonntag beobachtet haben, handelt es sich um einen Aushilfsangestellten, der abgemahnt und nochmals an die Vorschriften erinnert wird.»
Sachte, sachte. Der Typ ekelte sich vielleicht auch vor diesen vielen halbnackten Menschen im Hallenbad. Den Vorgesetzten empfehle ich aber, den Internetverlauf des Computers einmal zu studieren. Vor einem halben Jahr habe ich an gleicher Stelle den Bademeister erwischt, wie er auf Youtube Filmchen anguckte. War sicher auch ein Aushilfsangestellter.
13 Kommentare zu «Plötzlich merke ich, da sind nur noch zwei Kinder da»
Wir waren an besagtem Sonntag auch in besagtem Hallenbad und haben besagten Bademeister 3x (in Worten: drei Mal!) darauf hingewiesen, dass er von einem Kind beim Flaggenstudium beobachtet wird. Er meinte nur „Taiwan – Benin – Niederländische Antillen – Kanada“. Die letzte Flagge kannte ich auch, also liessen wir es dabei bewenden.
Frenkel at its best. Manchmal lese ich seine Kolumnen und frage mich: „Ist er genial? Oder sind es Schüsse aus der Hüfte?“ Ich weiss es nicht und es ist mir auch egal. Habe mich einmal mehr köstlich amüsiert!
Ich weiss nicht, was ich lustiger finde: den Text vom lieben Beni oder die Kommentare der Empörungsbürger. Lach mich auf jeden Fall krumm und gratuliere zum Gesamtkunstwerk!
Erstaunlich, welche Kommentare der Text provoziert hat. Ich lese ihn als Metapher für die gegenwärtige misanthropische alles berechnende Hasardeur-Kontrollgesellschaft, deren aggressiv-zwanghafter Neurotizismus plötzlich aufgebrochen wird durch ein nichtvorhersehbares Ereignis, und dann gehts zack zack sofort gleich weiter im Programm.
1351 Ihre Lieblingszahl – Sie sind quasi schon genetisch programmiert ein Zürcher und Eidgenoss zugleich! Dazumals traten die Zürcher der Eidgenossenschaft bei 🙂
erst nicht gern ins hallenbad gehen und dann noch den aushilfsangestellten verpfeiffen…ganz ganz mies find ich das!
Im übrigen hätten sie statt runter zu zählen auch eine gewisse aufsichtspflicht und runterzählen kommt einer flaggen-recherche fast gleich!
Tja die eigenen drei nicht im Griff und den anderen Vorwürfe machen ? Tja so ist das nun mal. Keine Kinder ohne Aufsicht im Kinderbecken oder ?
Wo waren Ihre Augen als Ihre Tochter plötzlich verschwand. Die Aufsichtspflicht für Ihre Brut liegt bei Ihnen und nur bei Ihnen.
Aber offensichtlich lassen Sie Ihren Frust im Hallenbad lieber an den Angestellten aus und frönen dem Denunziantentum.
Saubere Leistung!
„Ich finde das eklig. Ich steige mit niemandem in die Badewanne.“, wie genau ist jetzt der Verfasser zu den drei „selbstgezeugten“ Kindern gekommen, wenn er das schon eklig findet? Künstliche Befruchtung? „Trinkst Du aus ihrem Becher?“, auch nicht? Küssen ist also vermutlich schon mal nicht? Ich glaube ich muss aufhören darüber nachzudenken, mein Gehirn verknotet sich bereits, aber glücklicherweise weiss er genau, was andere falsch machen.
hallenbäder sind brutstätten für keime und bakterien. und weil das so ist und viele ins wasser pissen wird so viel chlor reingetan, dass die augen schon nach einem kurzen taucher ausschauen wie hors sol tomaten. bei geschwächtem imunsystem sind bindehautentzündungen, diverse pilzkrankheiten und wüste infekte vorprogrammiert.
die bademeister dort tun mir leid. ich verstehe auch, dass man da lieber youtube-videos schaut als in die plörre springen zu müssen um irgendeinen notorischen nichtschwimmer vor dem ersaufen zu retten.
Toll gemacht. Denunzianten wie Sie sind das Letzte von dem wir hier noch mehr brauchen. Und dann dieses kindische Getue wegen etwas Pipi-Badewasser, werden Sie erwachsen. Ein Wunder, dass Sie den ekligen Sex überlebt haben.
Wie wärs mit kurz an die Scheibe klopfen und ihn ansprechen ob es schlau ist am Sonntag mit 1000 Kindern Youtube schauen anstatt gleich beim ersten mal denunzieren? Mut Herr Frenkel!
ganz mies…