Preussischblau

(Foto: Tages Anzeiger)
In den Sommerferien bin ich von Wildhaus zum Chäserrugg gewandert. Das ist ein Berg. Oben angekommen, bestellte ich ein Bier. Ich guckte einer Herde Asiatinnen zu, die sich gegenseitig kichernd fotografierten. «Konnichiwa!», prostete ich ihnen zu und spürte, wie der Alkohol meine Sinne vernebelte. Dann stand ich auf und lief wieder runter nach Wildhaus.
Im Hotel zog ich meine Schuhe und Socken aus. Meine Füsse sahen aus wie Zwetschgenkompott. Während der Wanderung bildeten sich nämlich immer wieder Blasen, die dann zerplatzten. Der Mittelzeh war übrigens preussischblau gefärbt. Später stellte sich heraus, dass der Wanderschuh beziehungsweise Turnschuh eine Nummer zu klein war. Ich biss beim Abstieg aber auf die Zähne und lachte die Leute aus, die mit der Gondelbahn runter ins Tal fuhren. Der zweite Grund für den Abstieg war das Portemonnaie, das ich im Hotel liegen gelassen hatte. Ich fand in den Hosentaschen nur ein bisschen Kleingeld, das ich eben erst für das kalte Bier ausgab.
Die Wanderschmerzen waren unermesslich. Ich gelangte irgendwann an den Punkt, an dem ich am Sinn des Weiterlebens zweifelte und mich fragte: Warum willst du dich nicht mal von der Klippe runterstürzen? Der Gedanke aber, ein paar Leser zu enttäuschen, hinderte mich am Vorhaben. Ausserdem kam mir eine Unterredung mit der Frau in den Sinn. Bei irgendeinem Streit warf sie mir an den Kopf, ein Feigling zu sein. Ich weiss nicht mehr, in welchem Zusammenhang sie mich darauf aufmerksam machte, dass ich – als Mann – eine Geburt wohl kaum überleben würde. «Das ist lustig», schrie ich zurück, «erst kürzlich hat mir das eine andere Frau vorgeworfen!»
Viele Frauen glauben tatsächlich, Männer könnten keine Babys auf die Welt bringen, weil sie Angst vor den Schmerzen hätten. Das ist Blödsinn. Der Grund der Nichtzeugung ist biologischer Natur. Männer besitzen andere Geschlechtsmerkmale als Frauen. Mit Mut oder Schmerzen hat das nichts zu tun. Solche sinnlosen Diskussionen bringen uns nicht weiter.
Ich persönlich könnte mir durchaus eine einfachere Geburt vorstellen. Ich will die Wanderung auf den Chäserrugg bestimmt nicht überbewerten, aber was ich da geleistet und gelitten habe, übersteigt die menschliche Vorstellungskraft.
2 Kommentare zu «Preussischblau»
Ah, der Klangweg. Wird wohl wegen dem schmerzerfüllten Gewinsel der Spaziergänger so genannt.
sie sind ein weichei, herr frenkel. ein sympathisches zwar, aber ein weichei. aber wo sie recht haben – die geburtsschmerzen werden (von der frau) i.d.t. überbewertet.