Ehrbares Handwerk

Wollishofen verändert sich: Bäcker und Metzger verschwinden. Und wenn ein Einheimischer einen neuen Laden aufmacht, ist das ein Ereignis wie eine Filmpremiere.

Das Quartier Wollishofen aus der Vogelperspektive. (Foto: Nicola Pitaro)

In den Ferien lasen wir vom Banküberfall in Wollishofen; wir hatten WLAN auch am Meer. Die Filiale kenne ich, habe ich gerufen, die wurde vor ein paar Jahren schon mal überfallen. Auf www.polizei-schweiz.ch sahen wir den Bankräuber tatsächlich am Schalter, die Überwachungskamera zielte genau ins Gesicht. Ein schlecht gekleideter, unrasierter Mann um die vierzig, graues T-Shirt, grauer Anzug ab Stange, Sonnenbrille, dunkles Haar. Eine kleine Tasche liegt auf dem Korpus, wo man früher Zahlungen gemacht hat, bevor das Onlinebanking kam; vielleicht sind die Filialen deshalb leer am Dienstagnachmittag.

In der kleinen Tasche war wahrscheinlich die Knarre verstaut. Der Bankräuber habe ein paar Tausend Franken mitgenommen, ob er den Schalterbeamten mit gezückter Pistole in den hinteren Raum zum Tresor zwang, ging aus der Meldung nicht hervor; Vielleicht bediente der etwas steife Lehrling, vielleicht der gross gewachsene Kassier mit dem gebeugten Gang oder sein dienstfertiger junger Kollege; sie sind ein gutes Trio.

Obwohl diese Bankfiliale schon mal überfallen wurde, hat man das Gefühl, das ehrbare Handwerk der Bankräuber sei aus dem Stadtbild verschwunden, wie die Bäcker oder die Metzger. Wollishofen hat immerhin den türkischen Metzger oben an der Tramschleife, aber keinen Bäcker mehr. Dafür aber zwei Banken. Man verdient halt besser auf der Bank. Während wir uns im Gymi gequält haben, kauften die Banklehrlinge ihr erstes Auto, später sind sie Millionäre geworden, wenn sie halbwegs schlau waren. Sucht man in Wollishofen einen Bäcker, ist Kuhn in Leimbach geografisch der nächste, ein Grossbeck aus dem Toggenburg, der in die Stadt expandiert, so wie der Wüst aus dem Kanton Schwyz. Das sind Auswärtige, emsig, still und unauffällig.

Wenn hingegen ein ehrbarer einheimischer Handwerker wie John Baker neu aufmacht, ist das ein Ereignis wie eine Filmpremiere, man hat den Anspruch, das Brot müsse so gut sein wie beim entschwundenen Bäcker unserer Kindheit, dabei war der wahrscheinlich nur Durchschnitt.

In meinen Träumen hätte ich dem Bankräuber gerne ein paar Fragen gestellt oder wenigstens ein Autogramm für die Kinder verlangt. Er sei mit einem weissen Citybike Richtung Kilchberg weggefahren, heisst es, und nie mehr gesehen worden, bis jetzt zumindest. Toi, toi, toi.

8 Kommentare zu «Ehrbares Handwerk»

  • Gili Orpeli sagt:

    Grüezi Herr Gimes
    Am 01.10.2016 habe ich eine neue Bäckerei in Wollishofen eröffnet.
    Ich habe schon viele Zufriedene Stammkunden.
    Sie finden mich bei der Tramendstation, an der Studackerstrasse 1, 8038 Zürich.
    Ich lade Sie ein.
    Die Bäckerei ist schon um 6:30 Uhr bis 16:00 Uhr geöffnet, Samstag bis 13:00 Uhr.

    Freundliche Grüsse
    Gili’s Bakery
    Studackerstrasse 1
    8038 Zürich

  • Rolf Raess sagt:

    Schön, wenn es in Wollishofen nun zwei neue Bankfilialen gibt. Dafür lässt die CreditSuisse das Quartier Altstetten in Zürich – bankentechnisch – verslummen…
    Der noch existierende CS-Geldautomat bei einer Tankstelle nähe Bhf. Altstetten, wird oft von dieser – mehrheitlich Ausländern gehörenden Bank – nicht mal nachgefüllt!

  • Oliver Schramm sagt:

    Dafür haben wir mit Chäs und Brot ein Juwel im Quartier, Herr Gimes. Und, nicht zu vergessen, unseren wunderbaren 3. Welt Laden, mit frischem lokalen Brot, Eiern etc.

  • Christian Fisch sagt:

    Ja es gibt in Wollishofen keinen Bäcker mehr, aber eine Bäckerin! Auch bei der Tramendhaltestelle und sie backt hervorragend.

  • Carla Hugas sagt:

    Wenn die raffgierigen Zürcher Sozialdemokraten nicht konfiskatorische Steuern erheben würde, könnte der eine oder andere Betrieb überleben! Aber so vergeht einem natürlich die Lust aufs Unternehmertum. Dazu kommt der Regulierungswahn, wo einem das Privatleben und der Arbeitsalltag bis ins kleinste Detail vorgeschrieben werden. Schon nur auf Bundesebene umfasst das Recht 70’000 Seiten. Die staatliche Zentralplanung geht in der Schweiz viel weiter als einst in der Sowjetunion. Und nachher jammern sie über die fehlenden Läden! Dann geht halt auf die städtischen Ämter und fragt, ob ihr dort was zu essen kriegt! Sonst schreit Ihr Zürcher auch immer nach dem Staat! Ihr habt echt nichts anderes verdient!

    • Gerhard Engler sagt:

      @Hugas: Läden, wo man Brot kaufen kann, gibt es ja weiterhin genug. Sie heissen Migros, Coop, Lidl und Aldi. Können Sie mir erklären, warum diese kein Problem haben mit der sowjetischen Zentralplanung in der Schweiz? Und noch etwas: Bis vor 30 Jahren war es nicht erlaubt, die Zahl der Restaurants zu erhöhen. Wie erklären Sie sich, dass die Bewilligungspraxis enorm liberalisiert wurde?

      • Carla Hugas sagt:

        Natürlich haben Migros und Coop kein Problem, denn sie profitieren von der Zentralplanung. Sie können die höheren Fixkosten der Regulierung besser absorbieren als kleinere Betriebe. Aufgrund von Handelsbarrieren können sie exklusiv importierte Produkte zu Horrorpreisen verkaufen. Natürlich gibt es einzelne Situationen, wo liberalisiert wurde. Die Gastrobranche leidet jedoch weiterhin unter der Regulierung. Insbesondere überhöhte Mindestlöhne und zeitraubendes Formulareausfüllen erhöhen die Kosten, ohne dass die Qualität deshalb steigen würde. Dies perpetuiert die Hochpreisinsel Schweiz.

    • Beat Müller sagt:

      Ach herrje, so viele Ausrufzeichen – schön, dass im Stadtblog auch ventilierende Kommentare Platz haben.

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