Shabby Berlin oder Fancy LA?

Es gibt ein nicht zu unterschätzender Faktor in Zürcher Clubs: die Heimeligkeit. Auf eine Disco-Kugel verzichten? Besser nicht.

Discokugeln im Zürcher Club Zukunft. Bild: Nicola Pitaro

In der Nacht zerfällt Zürich in zwei Städte, die zwar koexistieren, deren Bewohner aber nichts miteinander zu tun haben und die das auch nicht wollen. Zum einen wäre da das Zürich des Kreis 1 mit seinen auf Luxus getrimmten Clubs wie dem Jade, dem Aura, dem Icon und dem Vior, gebaut für ein Publikum das mit House und Techno nichts anfangen kann. Hier zeigt man was man hat, seien es nun Markenklamotten, den neuesten Haarschnitt oder auch den Dom Perignon im Cooler auf dem Lounge-Tischchen. Mann und Frau haben sich aufgebrezelt und der Club ist ein Laufsteg.

Im anderen Nachtzürich, jenem der Langstrasse- und Zürich West-Clubs, grabbelt man vor der Hoppelei eine Jeans aus dem Schrank, stülpt sich ein T-Shirt über und klemmt sich ein paar Sneaker an die Füsse. Ebenfalls Markenprodukte, aber bitteschön ohne sichtbares Logo. In diesen Clubs ist House Kaiser und Techno Papst, selbst wenn Arnold Meyer gerade zuhause vor dem Fernseher sitzt.

Lange Jahre waren die meisten der Ansicht es gebe für elektronische Seite der Zürcher Nacht kein Erfolgsrezept. Fortuna sei halt eine wankelmütige Diva, die ihre Gunst wahllos zuspricht und wieder entzieht. Jedoch haben die Erfahrungen der letzten Monate und Jahre gezeigt, dass sie wohl doch nicht ganz so launenhaft ist und sehr wohl über kalkulierbare Vorlieben verfügt. Und sie liebt es eindeutig heimelig.

Ein Beispiel für die Richtigkeit dieser These ist die Geschichte des Lexy Clubs. Eigentlich hätten die Sterne nicht besser stehen können: Hinter dem Club standen lauter gestandene Nightlife-Recken mit Erfahrung und Netzwerk und der Standort des Lokals an der Militärstrasse ist geradezu ideal. Jedoch stotterte der Betrieb schon kurz nach Eröffnung. Die Nachteulen lobten zwar das reduzierte Design des Clubs, bei dem gar auf eine Discokugel verzichtet wurde, dort feiern mochten sie aber nicht. Aktuell steht der Fortbestand des Lexy auf der Kippe. Ganz anders das Klaus: Bei Eröffnung misstrauisch beäugt, nahm der Club nach einigen Monaten an Fahrt auf und entwickelte sich zum Gassenhauer. Im Klaus ist nichts reduziert und je überflüssiger ein Dekoelement, desto grösser seine Chancen installiert zu werden.

Beguckt man sich die Einrichtung der anderen Evergreens unter den Zürcher Electronica-Clubs kann man eine klare Tendenz feststellen: Auch die Friedas Büxe, das Hive und auch die Zukunft mit ihren vielen Discokugeln und der Bar 3000 bieten ihrem Publikum einen Mix aus Brockenhaus-Chic, Spielhuus-Attitüde mit Lichtern und eine Crew, die viel Wert auf Begriffe wie «Freunde», «Züri» und «Liebe» legt. Man führt zwar einen professionellen Club, aber nichts soll geschliffen wirken: Die Gäste sollen denken, sie seien in eine grosse WG-Party mit anständigem Soundsystem und besserem Line Up gestolpert. Das Publikum in diesem Bereich ist offenbar nicht bereit bei der (glaubwürdig vermittelten) Heimeligkeit Zugeständnisse zu machen oder sich gar auf sie verzichtende Designs einzulassen. Das ist einerseits schade, da ein Stück Vielfalt verloren geht. Andererseits macht es das Ganze für hoffnungsvolle Cluberöffner ein wenig berechenbarer.

Die Stadtblog-Kolumnisten sind vom 16. Juli bis am 26. August in den (leicht verlängerten) Sommerferien. Während dieser Zeit erscheint hier ein Best-of von bereits publizierten Blog-Beiträgen.

3 Kommentare zu «Shabby Berlin oder Fancy LA?»

  • Name* sagt:

    Ich wünsche mir einen dunklen, industriellen Club mit einem fetten Soundsystem und minimalen Lichteffekten, ähnlich dem Printworks in London, nur natürlich nicht so gross. Ein dementsprechend düsteren Sound wie z.B. Techno und DnB wäre passend. Die Härterei könnte diese Nische füllen, jedoch bewegt sich diese leider immer weiter in den Mainstream.

  • Dominik Kaufmann sagt:

    Die Sneaker der Langstrasse-Clubgänger haben kein sichtbares Logo? Das erlebe ich ganz anders – im Gegenteil, ich habe den Eindruck, dass die „alternative“ Szene den Marketingstrategien der Konzerne viel braver folgt als die Schickimicki-Szene…

  • Jeff sagt:

    Die Zürcher Elektronik-Szene ist momentan halt schon ein wenig kleinkariert und leider auch inzestuös geprägt, vorallem was das Musikalische angeht. Echt ne langweilige Sache, immer die selben Lineups, Woche für Woche (ok, Ausnahmen bestätigen die Regel). Diese Harmonie erzwingende Deko, von Freunden für Freunde, Verkleidung und Kostüme statt nackte Oberkörper, erinnert mich eher an eine Art Zürcher-Hippie-Zunft als an Technoparty.
    Habe nirgends so tolerante und nette Menschen intensivst miteinander tanzen sehen wie im Berghain, obwohl da die Räume, Menschen und Musik, sagen wir mal, etwas rauer rüberkommen. Da würde den Kläusen glatt der Glitzer vom Gesicht fallen!

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