Currysauce am Hosenbein

Warum auch nicht: An einem freien Montag ein Besuch im Glattzentrum. (Foto: Reto Oeschger)
Die Prognose ist vielversprechend: ein freier Montag, ein geschenkter Tag. Das lässt sich mit Wonne geniessen, umso mehr, wenn andere zur Arbeit eilen. Schadenfreude hat noch kein Glück getrübt.
Die entscheidende Frage ist noch ungeklärt: Wohin soll es gehen an diesem heissen Tag? Das Ausschlussverfahren kommt zum Zug. Die Badeanstalten sind überfüllt mit Studierenden, Rentnern, Tagedieben. Die Museen, geeignete Fluchtziele, haben montags fast alle geschlossen, und fürs Wandern reicht die Zeit nicht.
Also drängt sich eine Option auf, die zunächst abwegig erscheint: ein Besuch im Glattzentrum, mitten in die klimatisierte Agglo hinein. An einem Sommertag – so die Annahme – ist dieses bestimmt leer gefegt. Wie die Fussballstadien Russlands, wenn die WM zu Ende ist.
Den Glatt-Besuch gilt es sorgfältig zu planen. Am Eingang prangt eine Hausordnung mit 16 Regeln, die vermutlich noch kein Mensch gelesen hat. Das Wichtigste soll an dieser Stelle erwähnt werden: «Betteln und Hausieren nicht gestattet», steht da. Ausserdem werden dem Besucher «das Feilbieten von Waren, Musizieren und laute Abspielen von Tonträgern» verboten.
Der Gelegenheitsbesucher hat heute nichts dergleichen geplant und betritt das Glatt frohen Mutes. Drinnen die Erkenntnis, dass sie immer noch da sind: die Poulet-Balls von der Migros-Fetttheke – wie beim letzten Besuch vor gefühlten zehn Jahren. Gut sind sie noch immer – und heimtückisch: Wer etwas ungeschickt reinbeisst, trägt die darin enthaltene Currysauce bald am Hosenbein oder bekleckert die Bluse seines Gegenübers.
Entgegen der Annahme ist das Glatt gut besucht. Von gestressten Bürolisten, die es mittags zur Fetttheke zieht. In der rechten Hand ein Pouletball, mit der Linken eine Nachricht ins Handy tippend und den Businessanzug mit Currysauce versaut. Schadenfreude hat noch kein Glück getrübt.
Was das umsatzstärkste Shoppingcenter der Schweiz sonst noch zu bieten hat? Die oberen Etagen sind schnell erzählt: diverse Ladenketten, zumeist Kleidergeschäfte, deren Fassaden sich genau so an der Bahnhofstrasse, in Berlin, Tokio oder Shanghai präsentieren. Daneben Starbucks, Nagelstudios oder ein Reizwäsche-Fachgeschäft. Was die Leute halt so in die Agglo lockt.
Der wahre Glatt-Schatz befindet sich im Untergeschoss, dort, wo die Beleuchtung schummrig scheint. Er ist seit Jahren unverändert und wird von Insidern als «Nerd-Ecke» bezeichnet. Einen Gameshop gibt es da, einen Fachmarkt für Büroartikel und – ganz wichtig – Qualipet. «Die trendige Streetwear für modebewusste Hunde» ist dort der letzte Schrei. Der Gelegenheits-Shopper könnte hier Stunden verweilen.
In diesem dunklen Keller, umgeben von Vogelspinnen, Meersauen und Krabbeltieren nie gesehener Natur. Auch wer eher auf Fisch denn Poulet-Balls steht, wird fündig: «Beim Kauf von 10 Schwarmfischen derselben Art erhalten Sie 2 weitere gratis», steht auf dem Aquarium. Allzu nahrhaft wären die Fische nicht, dafür umso schöner anzuschauen.
4 Kommentare zu «Currysauce am Hosenbein»
Ich wohne gleich neben dem Glattzentrum und liebe es. Alles unter einem Dach, Kein „Gschiss“ mit den Parkplätzen, Essen gibt es auch. mimimi Fetttheke…im OG gibt es sonst überteuerte Salate für alle die den Leuten vorschreiben wollen was sie zu essen haben.
Wie ich es früher in der Stadt Zürich aushalten konnte ist mir schleierhaft. Die Stadt richtet sich mit ihrer restriktiven Pflästerliverkehrspolitik selbst zugrunde und bessere Läden gibt es an der Bahnhofstrasse eben auch nicht mehr. Die überrissenen Mieten in der Stadt werden hier nicht ganz unschuldig sein. Agglobashing des Autors ist gescheitert. Gruss, ein ehem. Städter.
Wenn Sie gleich neben dem Glattzentrum wohnen, benötigen Sie ja sicher kein Auto zum einkaufen. Meinen Sie dass mit ihrer Anspielung auf die Parkplätze?
Agglobashing hin oder her: Mich würde interessieren, wer der Autor überhaupt ist, so als Stadtblog-Fan.
Tja das Glatt, Heimat der 62h-woche, Tempel des Nordzürcher Konsumenten und Göttin des künstlichen Lichts. zum glück liegt Dietlikon und Walisellen so nahe.