Eine Dahlie namens Paola

Das Limmattal ist geteilt in die linke urbane Seite und die rechte, ländlich geprägte. Lange gab es einen Anlass, der beide Seiten zusammenbrachte: die Dahlienschau in Unterengstringen.

Paola und Kurt Felix taufen 1980 in Unterengstringen eine neugezüchtete Blume. Foto: Keystone/Photopress-Archiv/Reto Oeschger

Das Limmattal ist unbestritten Aggloland. Doch hat dieses zwei total unterschied­liche Gesichter: links der Limmat urban, rechts der Limmat noch recht ländlich. Das lässt sich auch an der Bevölkerungszahl pro Quadratkilometer zeigen: In Weiningen sind es 761, in Dietikon 2592. Kein Wunder, werden diejenigen links der Limmat nicht so richtig warm
mit denen rechts der Limmat.

Das war schon in den 60er-Jahren und 70er-Jahren so. Ausser wenn jeweils im Herbst in Unterengstringen die Dahlienschau der Gärtnerei Hoffmann war. Dann zogen die Schlieremer und Dietiker Familien am Wochenende in Scharen nach Unterengstringen, um die Blumenpracht zu sehen. Sie waren in bester Gesellschaft. An schönen Sonntagen waren Tausende da, mehrere Zehntausend waren es pro Saison. Aus der ganzen Schweiz, ja auch aus Süddeutschland reisten Blumenfreunde in Cars an. Es wurde damals gemunkelt, dass selbst Prinzessin Beatrix von Holland jeweils die Aus­stellung besuche. Inkognito.

Der Gründer der Gärtnerei Hoffmann brachte Anfang des 20. Jahrhunderts von seinen Wanderjahren durch Frankreich und Deutschland Dahlienknollen nach Hause und präsentierte 1907 diese hierzulande noch weitgehend unbekannte Blume erstmals in seiner Gärtnerei. Er begann, neue Sorten zu züchten, doch wurde erst sein Nachfolger und ältester Sohn Hans Hoffmann zum «Dahlienvater der Schweiz» erkoren.

Die Dahlienschau war einer der beliebteren Sonntagsausflüge der Kinder. Zwar verweilten die Eltern jeweils zu lange verzückt vor den einzelnen Blumenbeeten, doch konnten die Kinder auf den verschlungenen Wegen unterdessen wunderbar Verstecken spielen. Auch war jeweils die Spannung gross, ob es den internationalen Züchtern, die ihre Dahlien in Unterengstringen ausstellten und prämieren liessen, endlich gelungen sei, eine schwarze Dahlie hinzukriegen. Es ist nicht gelungen: Sie waren vielleicht nachtblau, tiefviolett, aber rabenschwarz, nein, die kriegten sie nicht hin. Obwohl in den 70er-Jahren etwa 1800 Sorten ausgestellt wurden.

Ein Höhepunkt der Schau war die Dahlientaufe: Neue Sorten wurden nämlich nach Prominenten benannt, nach Kurt Felix und Paola zum Beispiel. Was war das für eine Aufregung! Es waren die Zeiten der Samstagabendschau «Teleboy» und Felix und Paola das Traumpaar.

Das Gartencenter Hoffmann gibt es immer noch, die Dahlienschau nicht mehr. Sie fand 2003 das letzte Mal statt. Sechs Jahre später war das ganze Areal überbaut. Dort ist eine Siedlung mit sieben Mehrfamilienhäusern entstanden: grosse Fenster, ansprechendes Farbenkonzept, viel Grün. Gepflegt, aber nicht gepützelt, gerade so, dass die Wiese noch ein bisschen krautig sein kann und in feuchten Ecken Pilze wachsen. Einige alte Bäume dürften schon in der Dahlienschau Schatten gespendet haben: ein Mammutbaum, eine knorrige Zeder. Doch die Dahlien findet man nur noch im Namen: Dahlienpark.
Deswegen pilgert aber niemand aus dem Aggloland links der Limmat ins Aggloland rechts der Limmat.

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