Tunnelt die Autos ein!

Könnte man den Verkehr doch ganz verstecken! Spurabbau beim Bellevue. (Foto: Sabina Bobst)
Beim Stauffacher werden ein paar Strassen und Werkleitungen saniert. Das las ich auf der Baustellen-Info, während ich an der Ampel wartete. Die Arbeiten dauern bis Anfang September, der Kredit beträgt 2,68 Millionen Franken. Auf dem purpurvioletten Plakat des Tiefbauamts waren die Umleitungen eingezeichnet, darüber stand der Satz: «Mobilität und Räume für Menschen.» Das ist wahrscheinlich der Slogan des Amts, sein Motto, seine Logline.
«Mobilität und Räume für Menschen.» Und was ist mit den Tieren?, fragte ich mich. Sind Tiere ausgeschlossen? Keine Mobilität für sie? Ich versuchte mir vorzustellen, wie so ein Departementssatz entsteht, nach dem Brainstorming an einer Kadersitzung, wenn alle mit einem Bein schon im Apéro sind. Oder als Ausbeute einer Retraite im Toggenburg. Oder hat eine PR-Firma den Auftrag erhalten? Wars ein nächtlicher Geistesblitz von Filippo Leutenegger, dem Amtsvorsteher?
Ich habe nicht nachgeforscht. Andere Ämter wie die Schulen, das Baudepartement oder Gesundheit und Umwelt haben keinen Wahlspruch. Allerdings müssen sie den Bürgern im Sommer auch keine Baustellen und keinen Stau verkaufen. Bei unangenehmen Nachrichten hilft so ein positiver Slogan. Wobei, der Amtsvorsteher sei amtsmüde, habe ich gelesen, er fühle sich nicht mehr wohl in seinem Departement, aufgerieben zwischen Radlern und Autofahrern, zwischen Velowegen und Parkplätzen, er kann es niemandem recht machen.
Man braucht sich bloss in der Mitte von Zürich hinzustellen, um Leutenegger nachzufühlen. Wo ist die Mitte von Zürich? Beim Bellevue. Da steht man dann, am Ende der Quaibrücke, aufgerieben zwischen Fussgängern, Velos, Trams, Autos auf engstem Raum. Wer versucht, mit einem Kinderwagen die Strasse zu überqueren, muss unter Lebensgefahr auf einer schmalen Verkehrsinsel warten, um hinüberzukommen.
Da hält man den Atem an und fragt sich, warum der Verkehr nicht unterirdisch geführt wird. Unter dem Fluss, unter dem Platz durch. Andere Städte sind ganz untertunnelt, Luzern, München, Genf teilweise. Zürich dagegen führt am attraktivsten Ort der Stadt die Autos spazieren. Nur wollen die Autos nicht flanieren, sondern möglichst schnell durch die Stadt, ausser an schönen Sonntagen, wenn sie auf der Quaibrücke die Motoren aufheulen lassen und ihre Runden drehen. Aber werktags, da stehen sie, endlos, vom Tiefenbrunnen bis zur Rentenanstalt. Da sehnt man sich nach der Tunnelkunst der Schweizer Ingenieure. Bei Tageslicht wären Autos dann einmal pro Jahr zu sehen, beim Weltmeisterschaftslauf der Elektroautos, der Formel E, aus Nostalgie, sozusagen.
Nichts gegen Autos, sie gehören zum Stadtbild. Allein aus ästhetischen Gründen. Nur noch Velos und Fussgänger, das wäre langweilig, Städte sind keine Fussgängerzonen. Aber die Mitte von Zürich hat anderes verdient, näher am Wahlspruch des Tiefbauamts. Mobilität und Räume für Menschen.
8 Kommentare zu «Tunnelt die Autos ein!»
da gebe ich herrn gimes absolut recht. untertunnelungen wären bestimmt nicht die schlechteste lösung. in rot/grün-züri herrscht aber nun mal halt eine doppelmoral. man möchte alle autos am liebsten verdammen, lebt aber frisch und frank von den dito. verkehrsschikanen wie flächendeckende 30er-zonen, radarkästen im abstand von 100m und überteuerte parkplätze/häuser werden dazu genutzt geld einzutreiben. dafür gibts ein fixes, jährliches budget. entweder man schafft homogene räume für alle, oder eben – *züri-autofrei!!* ohne ausnahmen und gebühren-abzockerei. das will man dann eben doch nicht – in züri, der abzockerstadt nr. 1.
Endlich mal ein Beitrag zum Thema Auto in der Stadt, dem man zustimmen kann! Auch wenn “ganz untertunnelt” ein bisschen übertrieben ist, so haben trotzdem andere Städte gezeigt, dass das geht. Boston hat mit dem “big dig” gleich zwei grosse Interstate Highways komplett unter die Erde verlegt, hässliche Hochstrassen (Sihl!) rückgebaut und auf der Fläche neue Parks geschaffen. Kuala Lumpur hat den SMART Tunnel, der sowohl der Verkehrsentlastung als auch der Entwässerung bei Stürmen dient. Lässt sich die Schweiz jetzt schon von den Amerikanern und den Malaysiern etwas vormachen?
Zuerst einmal sollte Zürich das Tram in Tunnels verlegen, zumindest in der Kernstadt zwischen Escher-Wyss, Albisriederplatz, Enge, Bellevue, Stampfenbach.
Und wie man sowas macht, dafür gibts viele Städte zur Anschauung: die Tunnels müssen nicht (überall) 40m unter den Boden, man kann (fürs Erste) auch einfach mal die grossen Strassen als Deckel nehmen.
Im Tunnel dann kann das Tram mit Vollgas fahren, keine Fussgänger, keine Autos, keine Kreuzungen, keine Ampeln.
Einziges Problem dabei: man hat dann keine Begründung mehr zur Behinderung des motorisierten Privat-Verkehrs.
«Mobilität und Räume für Menschen» finde ich an sich gar nicht so schlecht — jedenfalls besser als «Strassen und Plätze für Steuerzahler», oder wie es auch immer gemeint war. Jetzt müsste die damit angedeutete Offenheit nur noch in den Projekten des Tiefbauamts spürbar werden. Seit heute darf man wieder hoffen…
Auf den Punkt gebracht. Alles unterirdisch. Ist die Zukunft. 100% dafür.
Ganz meine Meinung! Danke für diesen Kommentar.
Man sollte die verschiedenen Verkehrsmittel aufeinander abstimmen, statt gegeneinander auszuspielen. Damit gewinnen alle.
Warum nicht die Trams unter die Erde und den Fussgängervortritt abschaffen? Dann fliesst der Verkehr wieder und ökologischer wärs erst noch. Autos verbrauchen mit Stop and Goes massiv mehr Treibstoff 😉
Max Meier, Fussgänger (und Velos) brauchen überhaupt keinen Treibstoff und sind auch Verkehr. Für Autos in der Stadt deshalb lieber flächendeckend Tempo 30 und keine Doppelspurigkeiten mehr — DAS macht den Stadtverkehr flüssig, und dann hats auch genug Platz fürs Tram. Siehe dazu die Verkehrssanierung in Köniz/Bern.