Lärm, Licht, Spass – alles muss weg!

Eine neue Regulierungsflut macht Veranstaltern das Leben schwer. Nach BAG dürfte wohl bald nur noch bei Kerzenlicht und Zimmerlautstärke gefeiert werden.
Die wilden Jahre sind vorbei. Lemmy muss das nicht mehr miterleben.

Die wilden Jahre sind vorbei: Lemmy muss das nicht mehr miterleben.

«Ohrstöpsel sind unfair» – so lautet ein Zitat des Ende 2015 im Alter von 70 Jahren verstorbenen Motörhead-Frontmanns Lemmy Kilmister, nicht eben ein Verfechter der gesunden Lebensführung. Der Mann hat alles geschluckt, geraucht und geschnupft was ihm untergekommen ist – Hauptsache es macht Spass. Auf der Bühne hat sich seine Band mit anderen wie Manowar einen Wettstreit um den Titel „die lauteste Band der Welt“ geliefert und soll dabei mal 131 Dezibel erreicht haben (ein Flugzeugtriebwerk kommt auf 120).

Kilmister ist tot und Figuren wie er sind vom Aussterben bedroht. Die hehren Streiter für das nationale Wohlbefinden vom Bundesamt für Gesundheit BAG dürften ob dieser Tatsache keine Tränen vergiessen: Ginge es nach ihnen, würden wir schon morgen mit dem Gemüse-Smoothie in der Hand, Stöpseln in den Ohren und rauchfrei vor Open Air-Bühnen stehen. Auf denen spielen dann Bands, die peinlich genau darauf bedacht sind, den Geräuschpegel einer von Grillen bevölkerten Sommerwiese nicht zu überschreiten. Lasershows? Nicht doch… viel zu gefährlich: Pink Floyd-Konzerte waren doch nur etwas für todessehnsüchtige Adrenalinjunkies!

Mit einer Revision der Verordnung zum Bundesgesetz über den Schutz vor Gefährdung durch nichtionisierende Strahlung und Schall (V-NISSG) arbeitet das BAG gerade an einer weiteren Annäherung an diese, seine Utopie. Künftig soll an Konzerten mit Lasershow zwingend eine in der Schweiz ausgebildete Fachperson für den Betrieb von Lasereinrichtungen verantwortlich sein – als ob ausländische Bands ihre Visuals einem Fremden anvertrauen würden …

Zudem sollen in Zukunft auch Ausrichterinnen und Ausrichter von Anlässen zwischen 93 dB und 96 dB zur Aufzeichnung ihrer Schall-Emissionen mittels immens teurer Geräte verpflichtet werden, was auch Quartierfeste und Bars treffen würde. Des Weiteren sollen Veranstalterinnen und Veranstalter von Events mit unverstärktem Schall über 93 dB (dazu gehören auch Konzerte des Tonhalle-Orchesters) verpflichtet werden, ihren Gästen gratis Gehörschütze abzugeben (in Clubs mit verstärktem Schall bis max. 100 dB bereits Pflicht). Damit aber nicht genug: Die Rauchfreiheit in Lokalen soll mit Bestimmungen für die Ausgleichszonen abermals verschärft werden.

Die vom BAG verantwortete Revision strotzt bisher vor Willkür und schwammigen Formulierungen, die den Verdacht aufkommen lassen, das BAG will seinen Spielraum bei der Bevormundung erwachsener Schweizer Bürger vergrössern. Vermutlich sitzen bei der Revision des V-NISSG keine Veranstalter, Club- und Barbetreiber am Arbeitstisch. Wozu denn auch: Die haben ja eh keine Ahnung und sind auch nicht direkt betroffen… Das BAG torpediert hier einmal mehr Kultur um seine Ziele durchzusetzen, bereit auf seinem Weg dem Bürger ein weiteres Stück Selbstverantwortung abzuzwacken.

Lemmy Kilmister hätte wohl die passenden Worte fürs BAG gefunden.

22 Kommentare zu «Lärm, Licht, Spass – alles muss weg!»

  • Andi Ineichen sagt:

    Das ganze hier ist schon etwas falsch dargestellt…
    Eigentlich ist sehr wenig neu oder ändert in der neuen Verordnung. Schon seit 20 Jahren dürfen Konzerte nicht mehr über 100 dBA Stundenmittelwert erreichen und auch überwachung ab 93 dB ist schon seit dann pflicht. „Nur“ die Aufzeichnungspflicht kommt dazu und eventuell die geeichten Geräte. Das wäre dann sehr schwierig für die ganze Branche und würde das ganze extrem verteuern.. Das auch akkustisch Veranstaltungen darunter fallen ist doch ok.. die müssen ja nicht mal messen, sondern nur informieren.
    Die angst das zukünftige Konzerte weniger laut sein müssen stimmt also sicher nicht. Das ganze ist aber ein komplexes Thema das nicht in so einem Artikel oder kommentar abgehandelt werden kann.

    • Alex Flach sagt:

      Im Beitrag steht mit keinem Wort, dass Konzerte künftig weniger laut sein dürfen…

  • tina sagt:

    man kann doch lemmy nicht in einem satz mit manowar erwähnen :S komplett anderer planet!

  • Lukas Aeschbacher sagt:

    Liebes BAG, vielen Dank, dass Ihr Euch betreffend Lautstärke und Lichteffekte soviele Gedanken macht und diese dann in gesetzliche Bestimmungen einfliessen lasst – nur zu unserem Besten. Aber Ton und Licht sind ja nicht die einzigen Gefahren an Konzerten. Pogo-Tänze, Crowd Surfing und Stage Diving… Sind noch keine Fälle bekannt von Leuten, die in Moshpits bis zum Verlust der Orientierung gewirbelt wurden? Habt Ihr sicher alles auf dem Radar, schon klar. Ich freue mich auf Eure neuen Bestimmungen, z.B. max. Absprunghöhe für Stage Diving oder max. Drehgeschwindigkeit in Moshpits. Muss selbstredend alles vom Veranstalter gemessen und protokolliert werden. Alles zu unserem Besten. Danke.

    • mickey nitrone sagt:

      lukas bitte weck keine schlafenden hunde.

    • Rinaldo Vargas sagt:

      Luky (Lukas alias Lucky Man; ELO) haut den Lukas (BAG) – gut so! Dem Mühlemann hätte das auch gut getan. Bei dem kam man nur immer ins Grübeln. Wie „Melancholia Praecox“ (taugte auch als Bandname). Etwa für Mittelalter Heavy-Metal; oder Heavy-Punky Girls-Group. „Züri calling; I walk the Line – my way“ …

  • jane marple sagt:

    muss es denn wirklich so laut sein? zwischen flüsterton und dezibelwerte im bereich von düsenjets gibt es doch noch sowas wie einen gesunden mittelwert. oder hat die club- und eventbetreiberfraktion gar einen deal mit den ohrenärzten und hörgerätehersteller?

    • Alex Flach sagt:

      Das war nur das Extrembeispiel am anderen Ende der Skala (Motörhead). In Clubs sind schon lange nicht mehr als 100 dB erlaubt.

    • Lukas Aeschbacher sagt:

      Ja, das muss wirklich so laut sein. Eher noch lauter. Die Kick-Drum muss das tun, was ihr Name andeutet, nämlich dem Publikum satte Tritte in die Magengegend versetzen. Der Bass muss die Hosenbeine zum Flattern bringen, und die Gitarre muss spürbar ins Gesicht drücken. Sonst kann man es gleich bleiben lassen. Das geschilderte Konzerterlebnis ist schon mit der heutigen Überregulierung kaum noch möglich. Allerdings halten sich zum Glück nicht immer alle dran, z.B. letzte Woche war ich an einem Konzert, das gefühlt lauter war als erlaubt – aber eben, es war wieder mal ein richtig gutes Gefühl. 🙂

      • Chrigu sagt:

        Sehr gut beschrieben Lukas Aeschbacher, genau so muss ein Konzert sein, sonst kann man ja gleich zu Hause bleiben… RIP Lemmy

  • Ian Fraser Kilmister sagt:

    Lemmy is god !!!

  • Mirosch Gerber sagt:

    als Raveveranstalter und Streiter der ersten Regulierungswut im Jahre 1996 muss ich enttäuscht feststellen dass dem Amt seine Schimmel nun vollends durchgegangen sind. Hier wird ein Schaden angerichtet der nur auf der langen Zeitachse ersichtlich wird. Während damalige Veranstalter Kollegen in NL, BE oder UK heute börsenkotierte Großunternehmen sind wurden wir mit Pseudo Auflagen flach gehalten. Anstatt Kultur zu organisieren müssen wir uns mit solchem Nonsense befassen. Hier gehts nicht um Gesundheit sondern um Machtgehabe. Also, die Gäule sollten wieder in den Stall. Was machen gegen diesen Wahnsinn? Einer ist keiner. Sammelt euch und sagt alle Events ab und sagt warum und nennt die Schuldigen beim Namen. Dann wird die Post abgehen, in Zeiten der Social Media. Garantiert

  • Luca sagt:

    Naja, also wenn ein Box mit Ohropax das Budget sprengt (200 Stück für 50.-), müsste man vermutlich auch anderweitig mal über die Bücher…

  • Marco sagt:

    Ich finde es nicht verwerflich, wenn ein Amt, dass sich um die Gesundheit kümmert, das Rauchen eindämmen will oder die Benützung von einigen gefährlichen Laser-Pointern. Und sowieso: Ohrstöpselobligatorium (kosten ein paar Rappen pro Paar) und Rauchverbote mit Kulturtorpedierung gleichzustellen, wie es in diesem Artikel gemacht wird, ist doch recht gewagt. Es soll jede/r mit der eigenen Gesundheit machen, was sie/er will. Aber solange es das BAG gibt, soll es seine Arbeit machen dürfen. Ich lasse mir lieber von ihm erklären (oder erlässt das BAG auch selbstständig Verordnungen?), was gesund ist und was nicht, als von den Club-Besitzern, die Alex Flach vertritt. Aber Beamten-Bashing war schon immer en vogue als Ersatz für Argumente…

    • Alex Flach sagt:

      Beamte bashen geht nicht, klar. Beamte kritisieren ist aber Pflicht. Und auch sinnvolle Ämter wie das BAG können bisweilen übers Ziel hinausschiessen.

    • Alex Flach sagt:

      Clubs mit DJing sind von dieser Revision übrigens nicht betroffen. Die betrifft Bars, Konzertveranstalter, Quartierfeste, etc.

      • Agit Carl sagt:

        So ein Blödsinn. Jeder Club ist betroffen allein schon wegen der Änderung der Messgeräte. Kenne keinen Club der geeichte Geräte hat…

    • Bernhard Wyder sagt:

      Das Thema ist weit komplexer als hier dargestellt! bis jetzt waren die behörden nicht fähig vernünftige kontrollen durchzuführen. geräte die bis jetzt vom gesetzgeber empfohlen wurden sind von heute auf morgen nicht mehr gültig. es wurde von behörden falsch gemessen und mit diesen eigentlich ungültigen daten verurteilt und gebüsst! der vernehmlassungstext verschweigt wichtige infos. es wurde sogar offiziell beschwerde diesbezüglich eingereicht! das ganze zeigt fachleuten wie unfähig das BAG eigentlich ist! Beamtenwahnsinn allerhöchster güte ohne jegliche fachliche kompetenz! so werden heute gesetze gemacht! man könnte da also noch viel tiefer graben und könnte noch viel mehr offenlegen! also lieber Marco, man kann das BAG so eben nicht einfach machen lassen weils klar an kompetenz fehlt!!!

  • marsel sagt:

    Konzerte besuche ich nur noch im Club meines Vertrauens, weil der (trotz Aufzeichnungsgeräten) sehr „grosszügig“ ist bei den Dezibel. Musikfestivals und ähnliches habe ich gleich ganz gestrichen, weil die anstelle von lauter Musik heutzutage lieber Chilbi bieten.

  • Philipp M. Rittermann sagt:

    es ist – leider fast auf der ganzen linie – traurige tatsache, dass wir durch die grassierende regulierungswut von ämtern und beamten zu tode reguliert werden. die linken staatshörigen und ihre trittbrettfahrer bauen hier munter ihre alibi-stellen aus und der zweck scheint die mittel zu rechtfertigen. freiheit – quo vadis?

    • marsel sagt:

      Sind es die linken, oder doch eher die rechten Politiker, die laute Musik des Teufels finden?

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