Fussball ist verlogen und geldverseucht

Schlange stehen für Tickets: Grosser Andrang am ersten Tag des öffentlichen Ticketverkaufs für den Cupfinal zwischen dem FCZ und YB. Bild: Sabina Bobst
Heute holte ich im Fanshop die Tickets für den Cupfinal. Für mich und die Buben. Manchmal denke ich, dass ich ihnen keinen Dienst erwiesen habe mit meiner Fussballbegeisterung. Egoistisch und gedankenlos habe ich ihnen die Leidenschaft meiner Jugend aufgeschwatzt – für einen Sport, der wahrscheinlich seinen Zenit überschritten hat. Aber die Einsicht kommt zu spät. Die Buben sind bereits programmiert, schauen Tag und Nacht Fussball, unvorstellbar viel Zeit im Vergleich mit meiner Jugend.
Wer weiss, vielleicht haben sie irgendwann genug und entdecken neue Sachen. Skateboarden, Drachenfliegen, Rugby. Oder Surfen. Surfen ist gross im Moment. Kollegen der Buben fahren mit ihren Eltern nach Frankreich, nach Florida, nach Kalifornien und lernen von braun gebrannten Naturburschen die Geheimnisse des endlosen Sommers, ihre Väter nehmen einen Drink in der Strandbar und träumen von der nächsten Welle. Surfen ist Zukunft, Fussball ist Vergangenheit. Fussball ist verlogen, ist geldverseucht. Surfen ist ehrlich, unergründlich, Surfen ist Zen.
Klar gibt es Momente wie an jenem kalten, kalten Februarabend, als der FC Zürich sich für den Cupfinal qualifizierte, ausgerechnet im Derby gegen die Grasshoppers, das Stadion war im Delirium. Aber seither waren nie mehr so viele Zuschauer im Letzigrund. Und während Bern feiert, muss Zürich der traurigen Tatsache ins Auge sehen: Wenn es so weitergeht, wird es für lange Zeit nichts mehr zu feiern geben. Der Meistertitel der Young Boys ist schmerzhaft. Lange konnten wir uns einreden, Basel und die Basler Chemie lebten auf einem anderen Stern. Wir konnten unseren Hass nähren gegen die rot-blauen Musterschüler und ihre Kaltschnäuzigkeit. Doch jetzt müssen wir erkennen, dass auch Basel nur mit Wasser gekocht hat. YB hats vorgemacht: Was die können, können wir auch. Schlagartig ist klar geworden, dass es zwei Fussballstädte gibt in der Schweiz, Basel und Bern.
«Was würde passieren, wenn GC absteigt?», fragte ich einen Freund, der vor einigen Jahren mit dem Club Meister geworden ist. «Dann wird man wahrscheinlich den Betrieb redimensionieren», sagte er. «Kommt, machen wir eine gute Erstligamannschaft!» Der Verein, sagte er, sei müde geworden. Müde von internen Kämpfen. GC, sagte ich ihm, komme mir vor wie ein Königreich der Antike, das längst untergegangen sei, aber die Nachkommen der ruhmreichen Kaiser stritten immer noch um die Macht. «Stimmt», sagte er, «das Kaiserreich ist verschwunden. Wir haben keine Heimat mehr, seit sie den Hardturm abgebrochen haben. Das war der Anfang vom Ende. Aber ihr seid nicht viel besser dran», lächelte er. «Wenn die Canepas nicht mehr mögen, wer rettet euch?»
So sprachen wir Alten, während uns die Buben zuhörten. «Wenn ich gross bin und Kinder habe», sagte der eine, «kaufe ich einen Fussball, noch bevor sie laufen können. Man kann nie früh genug anfangen.»
Vielleicht schaffen wirs dann.
9 Kommentare zu «Fussball ist verlogen und geldverseucht»
Auf dem Platz Theater, und ausserhalb des Stadions Kampfsport. DAS ist Fussball Heute. Untersteht alles dem VBS. Der Spiegel der gesellschaft. Dem einen Schenkt man Millionen, Die anderen kosten uns das auch noch.
Fussball ist gewaltfördernd, belastet das Gesundheitswesen mit sinnlosen Verletzungen, frisst Unmengen von Zeit weg. Die Jungs lernen nichts Rechtes in der Zeit. Ein aufgeblasener, stupider Blödsinn, ein hysterischer Religionsersatz. Beschäftigung der Massen auf niedrigstem Niveau.
Fussball ist Kultur, bewegt weltweit Massen (ausser in Teilen der reichen Schweiz), fördert wie jeder Mannschaftssport die Sozialkompetenz, im Gegensatz zu all den egomanen Bergsteigern, Bikern etc. Wer den Fussball liebt, der/die liebt das Leben !
Nach Kalifornien und Florida fliegen zum surfen? Das soll Zukunft sein? Ignoranz aus dem letzten Jahrhundert ist das. Umwelt-Ignoranz, um präzise zu sein. Noch abstruser, wenn mann/frau selbst Kinder hat. Für den Menschenhandel-Fussball gibt es keine Lösung, ausser Moral und Anstand kehren irgend einmal in diese Branche zurück, durch welches Ereignis oder durch welche schmerzhafte Entwicklung auch immer. Fussballmannschaften müssen wieder aus Menschen der unmittelbaren Region bestehen. Umsetzung leider ziemlich schwierig wegen natürlichen unverdächtigen Wohnort-Wechseln der Menschen.
recht hat er! fussball ist vergangenheit. hockey hat videobeweis, coaches-challenge, hat sich entwickelt. fussball ist stehengeblieben, der schiri wird allein gelassen, in megaslowmotion kann jeder sehen, ob hands oder foul oder schwalbe oder abseits – ausser der, der entscheidet. das gehört zum spiel. es ist aber ein geschäft.
Das Zürcher Fussballstadion seit 2008 nicht gebaut gekriegt bekommen zu haben, ist peinlich. Meinen Insider Informationen nach, aus nur pur-reinen gemeinpolitischen Gründen, ist sogar doppelt peinlich. Dass es so übel, in unserem Land, nur unser Züri treffen kann ist sogar unendlich peinlich ! SPler sagten irgendwann vor einer Abstimmung 1973 etwa, Züri sei zu klein für eine U – Bahn, Lausanne aber ist wesentlich kleiner und hat eine gebaut ! Wenn aber dieses gemeine Zürigetrietze mittels des Endlos-Missbrauchs des Bundesgerichtes, durch den EU-Beitritt für immer unterbunden werden könnte, wär ich für den sofortigen Beitritt, sogar als der SVP – Fan.
@Hefti, wer deppert das eigene Stadion vorschnell abreissen lässt, weil er denkt, er kriegt dann ein neues – ja der ist selbst schuld.
Geldverseucht ja – aber verlogen ? Fussball ist eben nach wie vor ein faszinierender Sport, der – im Grunde – sehr einfach zu verstehen und auch zu spielen ist. Für alles andere braucht man Equipment bis hin zu einer Halle oder noch spezieller, man kann es nur an speziellen Ort ausüben. Und machen Sie sich keinen Kopf, das Sie Ihren Kindern etwas aufgeschwatzt haben. Wenn Sie oder Ihre Frau Ihnen nicht das Fussballgen vererbt hätten, würden es jetzt Golfer, Schwimmer oder Leichtatlethen sein.
okay. Ihr Honorar haben Sie abgeholt. Aber was wollen Sie uns sagen. Offenes Ende? Immer gut bei Kolumnen (ich bin irgendwie gerade zum Ende des Absatzes gekommen). Ich wette mit Ihnen, wenn ich zusammentrage, was mir in den vergangenen 30 Minuten durch den Kopf ging, wird das gehaltvoller. Deal?