Überholte Moderne

Zwischen «Perfektem Shabby Chic» und «Museal»: Auf ein Silber-Beefy-Menü in der Silberkugel.

Etwas aus der Zeit gefallen: Die Silberkugel im Stadtkreis 2. Bild: Marcel Reuss

«Back to the future», ruft der Karnivore, als er vor dem Hochhaus zur Palme steht. Toll finde er diesen Betonturm, ein Monument des Fortschrittsglaubens, das die Zürcher Überarchitekten Häfeli, Moser, Steiger 1964 an den Bleicherweg stellten. Von wegen Fortschritt, mault der Vegi. Solche Brutalo-Eingriffe machten die Stadt kaputt. Und es sei doch ironisch, dass keine Epoche so schnell und schlecht gealtert sei wie die Moderne.

Die miese Laune des Gemüsemanns hat einen weiteren Grund. Es geht in die Silberkugel. Jenes Hamburgerlokal, das Gastro-Pionier Ueli Prager im Parterre des neuen Turms zur Palme eröffnete. In der Blütezeit von Café complet und Züri-Geschnetzeltem nahm die Silberkugel vorweg, was bald folgte: Fast Food. «14 Jahre vor dem ersten Schweizer McDonald’s!», schwärmt der Karnivore. «Noch so ein Pseudofortschritt», nörgelt der Vegi.

Inzwischen hat die Silberkugel-Moderne Patina angesetzt, an Einrichtung und Angebot scheint sich über die Jahrzehnte wenig geändert zu haben. «Perfekter Shabby Chic», lobt der Fleischkopf. «Museal», findet der Vegi.

Etwas aber ist Avantgarde geblieben: die Sitzordnung. Man nimmt nicht an einzelnen Tischen Platz, sondern setzt sich an Tresen, die sich wie Finger in den Raum bohren. Neben einem hockt der Esspartner, vis-à-vis blickt man direkt auf die fremden Co-Fast-Fooder, einzig getrennt durch einen schmalen Laufsteg für das Servierpersonal. «Wie viele sich hier schon verliebt haben?», sinniert der Karnivore.

Dem Vegi ist das egal, «Entrecote, Tatar, Burger», murmelt er beim Lesen der Karte. «Hier ist alles andere noch Beilage.» Dafür müsse man sich nicht bei jeder Zutat über Herkunft und Wirkung belehren lassen, sagt der Karnivore. Man kriege ehrliches Essen, das sich auch Büezer leisten könnten.

Der Vegi nimmt – viel Wahl bleibt ihm nicht – einen Burger ohne Fleisch, dafür mit Käsescheibe (7.70 Franken), und den Tagessalat (5.50). Den Fleischfan hingegen überfordert das Angebot. Nach langem Nachdenken entscheidet er sich für das Silber-Beefy-Menü samt Pommes und 3-Dezi-Getränk (15.50 Franken). Den Tagessalat bestellt er hinterher, um nicht allzu 60er-Jahrefleischfixiert zu wirken.

Das Essen kommt, nicht zu schnell. So schmecke Geschichte, sagt der Karnivore. Erstaunlich okay, findet der Vegi. Nur der Selleriesalat sei etwas wässrig. «Aber mit Gemüse wurde dieses Lokal ja auch nicht berühmt.»

Traurig sei das, sagt der Karnivore kauend. Zwei Dutzend Filialen habe die Silberkugel gehabt. Jetzt seien es noch zwei. «Dabei hat der Besitzer gesagt, dass die Silberkugel Zukunft habe, als er das drittletzte Lokal schloss. Und recht hat er. Sie hat Zukunft. Als Zeugin einer Revolution, die sie anstiess, aber andere vollendeten!»

Silberkugel
Bleicherweg 33
8002
Mo bis Fr 6 bis 20 Uhr, Sa 7 bis 17 Uhr, So geschlossen
Website

7 Kommentare zu «Überholte Moderne»

  • Balint Keszthelyi sagt:

    Das erinnert mich an das Cindy in Spreitenbach. Vermisse ich bis heute – besonders die Poulet Schenkel.

  • ClBr sagt:

    Früher besuchte ich diese Silberkugel in der Palme oft, um Ei-Toast zu essen. Herrlich. Gibt es den noch?

  • h.o.matthias sagt:

    einfach der beste hamburger in der stadt ..der „beefy origina“l mit käse..

  • Kurt Meier sagt:

    Wir kennen die Silberkugel noch aus ihrer Blütezeit. Hervorragendes Fast-Food Essen zu vernünftigen Preisen. Qualitätsmässig weit über McDonald’s. Aus nostalgischen Gründen gehen wir jetzt noch ein- bis zweimal im Jahr dorthin. Die irrsinnig feinen Kuchen von damals und das Frosty gibt es leider nicht mehr. Die Sandwich sind etwa gleichgeblieben. Irgendwie trauern wir den feinen Speisen nach, auch „unserer“ Silberkugel an der Löwenstrasse/Nüschelerstrasse.

  • Hans Jung sagt:

    War heute wieder dort, brauche ich einfach, so hin und wieder. Es schmeckt alles noch genauso wie vor 20 Jahren, vom Schinken-Käse-Toast über das Bimü bis hin zum Silber-Beefy. Und ein grosses Kompliment an die Damen hinter der Theke. Erfrischend, freundlich und unverwechselbar, ebenfalls seit Jahren, da können sich noch viele Gastrobetriebe eine Scheibe davon abschneiden. Hoffe die Silberkugel bleibt.

    • Doris sagt:

      In den 70-ern ging ich vor allem wegen des feinen Kafis dorthin, in einer Mug-Tasse, und wegen des Silverbeefy. Die Silberkugel ist einfach Kult, im Kreis 2 der stets freundliche Angestellte und die aufgestellte Servicefrau. Man weiss, was man bekommt. Heute esse ich dort meist Vegi-Burger mit Käse und einen grossen Salat. Zwischendurch einfach erquickend, wenn man die Szene-Lokale satt hat. Noch viele Jahre Silberkugel wünsche ich mir, solange, bis ich es noch gut alleine auf den Barhocker schaffe. So long!

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