Millenials ohne Smartphone

Digital Natives seien nur noch auf Tinder aktiv, wenns ums Flirten geht, und würden Musik nur noch über Streaming konsumieren. Humbug, wie ein Blick in die Zürcher Clubs zeigt.
Das Smartphone ist kein Ersatz, sondern eine Ergänzung.

Das Smartphone ist kein Ersatz, sondern eine Ergänzung.

Jugend muss rebellieren. Doch wie lehnt man sich gegen eine Elterngeneration auf, die sich, euphorisiert von allerlei Substanzen und im Stroboskopgewitter zappelnd, vom Techno hat durchschütteln lassen? Mit Langeweile: Anstatt sich in der Nacht auszutoben, hockt sie heute lieber zuhause und tippt stoisch auf dem Smartphone rum.

Will sie Sex, dann geht sie nicht in den Club sondern auf Tinder. Wollen junge Menschen Altersgenossen treffen, dann gehen sie nicht in die Bar sondern in die sozialen Netzwerke. Lang! Wei! Lig! Soweit die vielen, vielen Digital Natives-Experten, die sehr, sehr selten selbst dieser Altersgruppe angehören.

Seltsam nur, dass es mehr Nachtgastro-Betriebe gibt als je zuvor. Seltsam auch, dass jede Generation der nachfolgenden die Heterogenität abspricht, obschon sie’s besser wissen müsste: Als ob alle in der Generation Golf Geborenen markengeile Hedonisten gewesen wären, als ob alle 68er in Batikshirts und VW-Bussen zugekifft gen San Francisco gefahren wären – with flowers in their hair. Generation X, Generation MTV, Generation C64 oder Generation Y: Diese Etikettierungen entspringen dem offenkundig dringenden Bedürfnis der Jugend Attribute aufzuzwingen, sie zu katalogisieren  – sie sind niemals repräsentativ. Dass diese Generationenmerkmale zudem häufig nach Despektierlichkeit müffeln, sagt mehr über die aus die sie zusammentragen, als über jene denen sie zugedacht sind.

Den oder die Jugendliche(n) gibt es nicht. Und die Angehörigen einer Generation Irgendwas sind die, die sich am wenigsten um die ihnen aufgedrängten Charakteristika scheren. Wer am Wochenende die Langstrasse oder die Clubs in Zürich West besucht, kann die Masse der Digital Natives bei ihrem (analogen) Treiben beobachten. Sie stehen vor der Bühne und jubeln der Band mit ihren traditionellen Instrumenten zu.

Oder sie tanzen zum Set eines DJs, der stolz darauf ist, nur Vinyl aufzulegen. Zuvor essen sie irgendwo einen saftigen Burger mit high carb-Fritten und sitzen dabei mit ihrem real life-social network am Tisch. Selbstverständlich gucken sie dabei häufiger auf ihre Smartphones als früher, denn früher gab’s keine. Aber irgendwann sagt immer einer «leg das doofe Ding weg: Wir unterhalten uns!». Und das sollen nun die ominösen Digitalgeborenen sein?

Wer die Jugend charakterisieren möchte, der tut gut daran auf Generationen-Schubladen zu verzichten. Dann findet man schnell repräsentative Nenner, die seit Jahrhunderten Gültigkeit haben. Beispielsweise das Vergnügen an der Gesellschaft Gleichaltriger. Oder der Drang sich die Hörner abzustossen. Die Digitalisierung hat der Kanalisation dieser Bedürfnisse ein paar Ventile hinzugefügt. Wie der Erfolg des Nachtlebens beweist, haben diese die traditionellen Dampfablasser aber keineswegs abgelöst: Sie haben sie bloss ergänzt. Nichts weiter.

2 Kommentare zu «Millenials ohne Smartphone»

  • marsel sagt:

    «leg das doofe Ding weg: Wir unterhalten uns!»
    .
    hab ich ausserhalb unserer vier wände noch nie gehört, den satz.

  • anju sagt:

    „Oder sie tanzen zum Set eines DJs, der stolz darauf ist, nur Vinyl aufzulegen“
    aus aktuellem Anlass (33 Jahre Panthera Records am 30.03 in der Büxe) wäre eigentlich einmal ein Artikel fällig.

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