Das fünfbeste Chäschüechli

In der heutigen Ausgabe dieser städtischen Gebrauchsanleitung geht es um Jules und Giulio, um ein Hörgerät und zwei Bands – vor allem aber gehts um pathologische Superlativ-Zürcher.

Die Behaupterei zwischen den beiden Konzert-Besserwissern am Lochergut hörte sich an, als würden im Hafen Hamburg immerzu Supertanker (wie hier die AbQaiq) ineinander prallen. Foto: Wikipedia (U.S. Navy photo by Photographer’s Mate 2nd Class Andrew M. Meyers).

Das Gespräch fing ganz nett an. «Hey sali.» – «Tschässe bäse.» Bald gings um die Arbeit. «Han en Scheissstress im Büro.» – «Bi mir au zimmli Stägeli uf, Stägeli ab, gaat bös ad Subschtanz.» Dann um die Liebe. «Sie hät aageblich Migräne, sit bald drüü Wuche! Ich glaub ich bruuch mal Ferie vo mim Privatläbe, wänn weisch, was i mein.» – «Poverino. Bim Schüll und bi mir…» – «Schüll? Ha gmeint, er heissi Tschuulio?» – «Ja, aber Schüll töönt fiiner, und er isch iiverstande… easy, jedefalls: S lauft supper, dritte Früelig und so, wänn weisch, was i mein.»

Dann wars vorbei mit der Harmonie. Denn nun kamen diese Thirtysomethings, die vor wenigen Tagen am Lochergut aufs Tram warteten, auf zwei Zürcher Konzerte zu sprechen, die sie zwar beide besucht hatten, jedoch nicht gemeinsam, weshalb es einiges zu besprechen gab. Oder präziser: klarzustellen.

Der Talk entwickelte sich nämlich zum Rhyme-Battle ohne Reime – als ob im Hamburger Hafen unablässig fehlgeleitete Supertanker ineinanderfahren würden, rammte eine heavy Behauptung die nächste (vorgetragen mit zunehmend lauteren und wüsteren Worten; einmal machte es gar den Anschein, als würde eine ältere Dame den Hörapparat rausnehmen, vielleicht klaubte sie aber auch nur verkrusteten Schmalz aus dem Ohr, so genau war das nicht zu sehen), und in der letzten Runde unterboten die jungen Männer, die jetzt psychisch ziemlich angeschlagenen wirkten, selbst das Niveau der Trump’schen Tweeterei, der eine sagte «Dummi schwuuli Sau!», der andere entgegnete «Dini Mueter, Cornuto!», der Erste stieg ganz hinten in den 2er, der Zweite nahm die Tür bei der Führerkabine.

Der Zwist drehte sich um die Gigs von Django Django (9. März, Rote Fabrik) und Franz Ferdinand (11. März, Halle 622) – beziehungsweise ums Thema: Wer war besser? Hätten beide Bands dieselben Songs gespielt, wäre allenfalls noch eine Diskussion über die Qualität der jeweiligen Interpretation möglich gewesen. Aber sich wegen einer objektiv unmöglich zu klärenden Frage gegenseitig öffentlich die Hosen runterzureissen, grenzt an Grenzdebilität. Doch das ist nur die Peripherie des Problems. Im Kern gehts um die Sache, die an dieser Stelle schon am 27. Januar angesprochen worden war: den pathologischen Hang etlicher Zürcher, stets zwingend das Beste (Geilste, Höchste, Schönste etc.) bekommen (erleben, haben, wollen etc.) zu müssen.

Wärs nicht dramatisch toller (dieses Gedankenspiel ist übrigens zugleich der Nutzen der heutigen Gebrauchsanleitung), sie müssten beispielsweise plausibel begründen, welches das fünftbeste Chäschüechli dieser Stadt ist? Allein die Aneignung des Wissens um Backhöfen, Käsesorten und Teige würde Wochen in Anspruch nehmen – ganz zu schweigen von der Konkurrenz auf den Rängen 1 bis 4 und 6 bis 10, die man in- und auswendig kennen müsste. Ob man es ins Ziel schaffen würde oder nicht, wäre letztlich zweit- (beziehungsweise fünft-) rangig, nur schon der Weg dahin böte mehr Befriedigung als jede gewonnene Behaupterei.

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