Speisen bei den kranken Reichen

Aussenansicht der Privatklinik Bethanien. (Bild: Keystone)
Der Vegetarier macht auf geheimnisvoll. Er habe von Gerüchten gehört. «Gerichte», korrigiert ihn der Karnivore. «Gerüchte», sagt der Vegi beharrlich, dass es in der kulinarischen Wüste des Züribergs eine Oase gebe: das Restaurant der Privatkliniken Bethanien! Da müssten sie unbedingt hin. Er habe noch nie in einem Luxusspital gespeist.
«Du willst dich von deinem kulinarischen Irrglauben heilen? Dafür würde sich das Burghölzli besser eignen.» Der Karnivore solle besser aufpassen, entgegnet der Vegi, dass er seinen Cholesterin-Herzinfarkt nicht im Bethanien bekomme. Dort sei man eher auf Geburten spezialisiert.
Die Anlage liegt beim Toblerplatz, dank ihrem erhöhten Vorplatz wirkt sie wie ein Wellness-Schloss am Vierwaldstättersee, inklusive einer komfortablen Vorfahrtsstrasse, auf der Chauffeure in Limousinen glückliche Väter mit frisch geborenen Erbfolgern abholen. So zeigt es zumindest das Werbevideo, das auf einem Bildschirm neben dem Eingang läuft. Wo ist die Mutter?, fragt der Karnivore. Und wo sind die Kranken?, fragt der Vegi.
Auch für die Innendekorateure des Empfangsraums schien es einen einzigen Befehl gegeben zu haben: Spiel den Christo, lass das Spital verschwinden! Sie gaben ihr Bestes: Die Réception mit den viel beschäftigten Angestellten könnte sich ebenso gut in einer Privatbank befinden, in der Lobby umstellen Töpfe voller kahler Äste einen Flügel. «Wie in einem übereingerichteten 4-Stern-Hotel», sagt der Vegi. «Als ob du oft in 4-Stern-Hotels wärst», sagt der Fleischfresser.
Das Spital lässt sich nicht ganz verdrängen. Manchmal humpeln Menschen an Krücken vorüber, eine weiss gekittelte Ärztin huscht zur Réception, an der Bar vorbei geht der Weg zum Röntgen.
Trotzdem: Die Lobby lässt einen das Geld spüren, das die Bethanien-Welt von jenem Zürich trennt, das unterhalb des Rigiblicks anfängt. Im Restaurant nebenan liegt mehr Besteck auf den Tischen, als ein Chirurg für eine Operation braucht. Als Amuse-Bouche wird Avocadomousse gereicht, mit Forelle, was den Vegi erschaudern lässt.
«Haben Sie sich etwas Schönes ausgesucht?», fragt der Kellner formvollendet. Mit gierigem Grinsen bestellt der Karnivore das Roastbeef (31 Fr.), etwas verhaltener wählt der Vegi die fleisch- und fischfreie Fregola Sarda (26 Fr.). Bald schon schweben die Teller herbei. Zuerst der frisch-fruchtige Apfel-Fenchel-Salat (12 Fr.), dann die Minipasta aus Sardinien (ein wenig monoton, sonst tipptopp); das Roastbeef (rosa und zart), der Gratin (gut) und die Tomate mit einem Knusperdach (knuspertoll).
Wäre das Essen in allen Spitälern so gut, gäbe es weniger Kranke, schwärmt der Karnivore. Dafür würde bei solchen Kantinen die Depressionsrate steigen, sagt der Vegi, dem die gedämpfte Stimmung auf den Magen schlägt. Die grosszügigen Minisüssigkeiten zum Espresso vermögen ihn wieder aufzumuntern: «Und jetzt aber ab in die Limousine!» Ein frommer Wunsch. Als die zwei nach draussen kommen, steht der Vorplatz leer. Nur das Werbevideo wiederholt sich in Endlosschlaufe.
Bethania-Park
Privatklinik Bethanien
Toblerstrasse 51
Mo bis So 7 bis 21 Uhr
Website
6 Kommentare zu «Speisen bei den kranken Reichen»
Dümmer geht’s wahrlich eher nicht. Sogar die Preise sind ja Zivil für Zürich.
Lese ich da etwas Neid zwischen den Zeilen der ersten Hälfte?? Neid gehört doch zu den sieben Todsünden!!!
„…eine Minipasta aus Sardinien (ein wenig monoton,sonst tipptopp)“ – was ist denn das für ein Kommentar?Wenn etwas monoton ist,ist es nicht tipptopp!
Kulinarische Wüste ? Keine Ahnung der Herr.
Es gibt wunderbare Restaurants, darunter das R21, das alte Klösterli, Rigiblick. Und das bloss am oberen Zürichberg.
Etwas weiter unten geht es ähnlich weiter.
Das ist dann doch etwas sehr dünn gesät. Zwischen dem Rigiblick und dem alten Klösterli liegen – gemäss Google – 2,5 km und dazwischen hat es nicht mehr wirklich viel Auswahl.
„Die Kantine“ lese ich? Kennt der Journalist den Unterschied zwischen einer Kantine und einem Restaurant?