Was kostet eigentlich ein Graffito? (1)

Schnelllebiges Werbephänomen vs. langlebige Spraykunst: Ali Kebab, der 2009 durch Zürich geisterte, umzingelt von einem tollen Zürcher Graffito im Kreis 5. Foto: Keystone
Rudolf Hess ist seit 1987 tot. Dennoch trieb der Stellvertreter des Gröfaz nach wie vor sein Unwesen, und zwar in Hinwil, wo sein gespraytes Konterfei von der Wand einer Unterführung die vorbeirasenden Autofahrer anstarrte, mit Bestimmtheit seit August 2013, wie man dank Google Street View weiss. Letzte Woche hat das kantonale Tiefbauamt den Nazidreck nun endlich entfernt, notabene aufgrund einer Intervention meines Pultnachbarn Patrice «Sigi» Siegrist (ein erhabenes Gefühl, neben einem solchen Helden sitzen zu dürfen; sollten Sie ihm für seinen Einsatz zugunsten einer weniger malignen Welt Ihre Dankbarkeit erweisen wollen – bei Café Crème ohne Crème oder Haribo-Gummibärchen beginnt er innerlich zu jauchzen!).
Eine Episode, die einige Fragen aufwirft. Bestimmt nicht zu den ersten vier bis fünf würde diese hier gehören: «Hey, was kostet eigentlich ein Graffito?» Trotzdem werden wir versuchen, genau darauf eine Antwort zu finden.
Erstens, weil die Menschen (und somit auch unsere Leserinnen und Leser) immer älter werden. Weshalb sie a) zwar ziemlich sicher noch wissen, wer dieser Hess war, b) womöglich irgendwann ein stattliches Anwesen erworben oder geerbt haben, c) allerdings beim Namen Banksy wohl eher an ein toxisches russisches Geldinstitut denn an stupende Street-Art denken.
Zweitens, weil die Frage komplexer ist, als sie prima vista scheint – man kann sie nämlich aus drei radikal unterschiedlichen Perspektiven betrachten und beantworten: aus jener des Künstlers, aus jener des Betrachters und aus jener des Immobilienbesitzers, der «diese Schmiererei» (auch wenn er das so sagt, meint er es nicht wirklich so) rasch möglichst entfernt haben will.
An dieser Stelle noch eine Anmerkung in Sachen «Street Credibility»: Meine substanzielle Legitimation, über dieses coole Undergroundthema zu dozieren, ist gering, aber sie existiert! Substanz 1: Es gibt Leute, die bezeugen können, dass ich der erste Wollishofer war, der 1980 an einem Fez das fetzige Lied «Graffitis» der NDW-Band Rheingold auf den Plattenteller gelegt und abgespielt hatte (Refrain: «Viele bunte Graffitis, kreuz und quer durch die Cities»).
Substanz 2: Etwa zehn Jahre später sprayte ich auf den Betonsockel der SZU-Station Selnau (vis-à-vis Helvetia-Bar) meiner damaligen Freundin zum Geburtstag die Nachricht «Ti amo per sembre» – was sich orthografisch (sofort) und inhaltlich
(Jahre später) als nicht ganz richtig erwies; beim nachträglichen Korrigieren von «sembre» in «sempre» entdeckte mich dann trotz schwarzer Vollmontur ein auf der Brücke cruisender Töff-Polizist, bis er jedoch unten am Wasser ankam, war ich längst im kniehohen Gras abgetaucht. Das wärs. Wie gesagt, kein Ruhmesblatt, aber besser als nichts.
Da die verbleibenden Zeilen nicht mehr genügen, um adäquat ins Thema einsteigen zu können, vertagen wir das auf nächsten Samstag und kommen zur Schlussfrage, die wir immer lautet: Wozu kann man diese Gebrauchsanleitung brauchen? Dazu: Graffitis ist der falsche Plural, korrekt heisst es Graffiti.
Ein Kommentar zu «Was kostet eigentlich ein Graffito? (1)»
In Echt Jetzt – Ab wann werden wir wohl von diesen Natzisprayköpfen total umzingelt sein – Weil man EUCH mit denen, so perfekt und einfach, provozieren kann. PS. Ich bin generell gegen Sachbeschädigung und empfinde 99.9% aller Graffiti, als im besten Falle = Potthässlich ! Ausserdem mag ich saubere Betonwände wir Le Corbusie, oder wie der Mann auch immer, hiess.