Wenn die Unken rufen.

Der Untergang des Zürcher Nachtlebens wurde oft heraufbeschworen. Unser Autor findet es so spannend und vielseitig wie nie zuvor.
Lichterlöschen? Der Untergang des Nachtlebens wurde oft herbeigeunkt.

Lichterlöschen? Der Untergang des Nachtlebens wurde oft herbeigeunkt.

Die Gründe für den oft prophezeiten Niedergang des Nachtlebens sind mannigfaltig. Auch am Tag der offenen Bar und Club Tür am Samstag wurden ein paar Quellen des Ungemachs diskutiert, allen voran die Sexualisierung des Nachtlebens (neu können sich Zürcherinnen und Zürcher bei Belästigung ans Bar-Personal wenden und nach Luisa fragen um Hilfe zu erhalten).

Aber auch abseits des Tags der offenen Bar und Club Tür sehen Interessierte etliche Gefahrenherde schwelen. Beispielsweise würden Sexualpartner immer öfter auf Tinder gesucht anstatt im Club. Zudem würden Millenials keinen Alkohol mehr trinken sondern nur noch Bio-Süssgetränke. Ah ja: Sie gehen auch viel lieber ins Fitnessstudio als auf die Tanzfläche.

Kurzum: Dem Nachtleben gehen die Gäste aus. Das freut all jene, die sich auf Anwohnerseite an der ewigen Lärmdiskussion beteiligen: Keine Gäste, kein Lärm. Sie dürfen auf den bedingungslosen Support der Politik zählen, die eh nichts Besseres zu tun hat als dem Nachtleben Knüppel zwischen die Beine zu werfen.

Viele der Bedrohungen seien hingegen hausgemacht, sagen die Kritiker. So würden sich die DJs heute zu wichtig nehmen. Einige, im kommerziellen Bereich anzusiedelnde, Clubmusikanten würden nicht müde Selfies von sich vor teuren Schlitten oder gar Privatjets auf Instagram zu stellen. Die subkulturellen langweilen mit Online-Referaten zur Lage der Clubnation, mit Fotos von Synthesizern. Dabei interessiere doch nur, wie das klingt, was schlussendlich aus den Boxen wummert.

Dann: Die Clubmacher sind allesamt geldgierig und würden immer dasselbe bieten. Die prägende Charaktereigenschaft der Selekteure sei Arroganz und die Türpolitik der meisten Clubs in höchstem Masse unfair. In kommerziell ausgerichteten Lokalen gehe es nur um den Aufriss und wer das ordentlichste Sixpack oder die prallsten Katalogbrüste zur Schau trägt, in den House- und Techno-Schuppen um Vans, Tattoos und Drogen (und gegen Ende der Nacht auch nur noch ums Abschleppen). Dumpf, repetitiv, sexistisch und langweilig.

Diese Liste könnte schier endlos fortgeführt werden. Dabei irritiert nur, dass ich das Nachtleben noch nie als so bunt, vielseitig und erlebenswert empfunden habe wie jetzt. All die vielen Partys ausserhalb der gängigen Clubzeiten, all die vielen unterschiedlichen Clubs, all die grossartigen DJs und Live-Musiker und all die vielen gut besuchten Partys ohne nennenswerte Zwischenfälle.

Ich bin mit Unterbrüchen seit Mitte der 90er dabei. Und berücksichtigt man, dass mit zunehmendem Alter alles kleiner und weniger aufregend wird, dann war es noch nie so spassig und entspannt wie heute. Eventuell habe ich bei der Wahl meiner Partys einfach nur Glück. Aber vielleicht verhält es sich mit dem Nachtleben wie mit vielen anderen Dingen: Alle haben eine Meinung, eine nicht anfechtbare nur wenige.

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