Asterix bei den Zürchern

Weihwasser zum Gratisabfüllen im Klosterladen Einsiedeln. (Fotos: Beni Frenkel)
Wir befinden uns gegen Ende von Kalenderwoche zwei. Ganz Zürich ist von depressiven Wolken umgeben… Ganz Zürich? Nein! Ein attraktiver Familienvater aus Wollishofen steht mit Unterhose vor dem Fernseher und drückt auf Teletext Seite 502.
Dieser Familienvater bin natürlich ich. Ich kratze mich gerade am Bauch und studiere die «Grosswetterlage». Das ist mein Ritual am Sonntagmorgen. Die Frau macht derweil Frühstück und bereitet mir den Kaffee vor. Was ich auf Seite 502 lese, bereitet mir kein Vergnügen: den ganzen Tag Nebel. Erst ab 800 bis 1000 Meter Sonne. Die Aussicht auf so einen verhangenen Tag mit der Familie bereitet mir grossen Kummer. Der Junge schüttet Milch aus, ich schreie ihn an.
So will ich den Sonntag nicht verbringen, denke ich mir. Ab in die Berge, aber kostengünstig. Ich schlage Einsiedeln vor. Mit Halbtax nur 10.90 Franken. Die Frau nickt.
Der Zug ist voll. Die Kinder streiten, und die Frau will wissen, auf welcher Höhe sich Einsiedeln befindet. Höher als 1000 Meter? Keine Ahnung. Dann will sie wissen, in welchem Kanton Einsiedeln ist. Wieder keine Ahnung. Ich habe zwar neun Jahre lang Unterricht in der Primarschule gegeben. Aber das liegt jetzt schon über drei Jahre zurück. «Glarus», antworte ich. Stille. Eine ältere Frau guckt mich erschrocken an. «Einsiedeln liegt im Kanton Schwyz», ruft sie so laut, als würden wir hier alle Lotto spielen.
Nach der Station Schindellegi stösst die Sonne durch die Wolken. Alle Passagiere sagen «Ahhh». Ich durchwühle fluchend den Rucksack. Wir haben Würste, Zeitungspapier und Zündwürfel eingepackt; aber kein Streichholz. Wir wollen nämlich Würste braten. Das habe ich der Familie versprochen. Aber an Streichhölzer hat niemand gedacht. Ich muss am Bahnhof Einsiedeln welche kaufen.
Hinter dem Kloster finden wir einen Wegweiser zum Grillplatz. Wir laufen an Kreuzen vorbei, bis wir einen schönen Steinbackofen erreichen. Ich mache ein Riesenfeuer und brate die Würste. Es riecht betörend gut. Viele Wanderer kommen ganz nah an uns heran und schnalzen mit der Zunge. Irgendwann nervt das.
Wir setzen uns auf eine Bank und verschlingen die Würste. Ich blicke auf das Kloster runter und geniesse die Cervelats. Herrlich! So müssen früher die Wildschweine bei Asterix und Obelix geschmeckt haben.
Ich esse so viel, dass ich fast nicht mehr hochkomme. Langsam laufen wir den St.-Benedikt-Weg runter. Die Kinder zappeln um mich herum und betteln um Geld für den Klosterladen Einsiedeln. Ich gebe jedem Kind einen Fünfliber. Im Laden dann die grosse Enttäuschung. Es gibt nur Weihrauch, Kreuze und Bibeln. Wir finden nichts unter fünf Franken. Ich versuche, die Kids zu trösten, und kaufe mir einen Klosterschnaps.
Aber die Kinder? Sie kämpfen mit den Tränen. Das Mädchen steht vor den niedlichen, handgeschnitzten Jesus-Babys. Ich gucke auf das Preisschild: 109 Franken!
Beim Ausgang aber grosse Erleichterung. Es gibt Gratisweihwasser. Ich fülle unseren Bidon auf und erkläre den Kindern: Das ist der Zaubertrank von Asterix und Obelix.

Im Angebot des Klosterladens: Weihrauch, Kreuze, Karten und Bibeln.
4 Kommentare zu «Asterix bei den Zürchern»
Glarus….hhhhhhhhhhh….
Ein Primarlehrer, welcher nicht weiss, in welchem Kanton sich Einsiedeln befindet….., traurige Sache!
Beni Frenkel, der uneitelste Blogger ever, in Hochform. Man macht den Ausflug mit ihm, „der Frau“ und den Kindern förmlich mit. Und nimmt sich vor, auf eigenen Familienexkursionen auch einen „Bidon“ mitzuführen, damit ist man für alles gerüstet :-).
definitiv. ich bin ein frenkel-fan. so entlarvend ehrlich ohne rücksicht auf verluste ist sonst keiner.