Technik statt Gastfreundschaft

Ein Künstler am Drink, aber unfreundlich und abweisend.
Vor nicht allzu langer Zeit musste man sich noch an Denkmäler wie die Kronenhalle Bar des grossen Peter Roth halten, um in Zürich einen raffinierten Cocktail gemixt zu kriegen. Abseits dieser Institutionen hat man damals vom Barkeeper noch einen Wegbeschrieb zum nächsten Muay Thai-Boxstudio erhalten, wenn man ihn um einen Mai Tai gebeten hat.
Times they are a changing: Heute quittieren die Bartender den Mai Tai-Wunsch bisweilen mit einem abschätzigen Blick, garniert mit der unausgesprochenen Frage, ob dies tatsächlich das Maximum an Cocktail-Kreativität sei, das man aufzubringen imstande ist. Zürich ist zur Mixology-Stadt geworden und Lokale wie Raygrodski, Montblack, Onyx, Dante, Bar 63, Brick und etliche weitere übertrumpfen sich mit ausgefallenen Kreationen.
Alex Armbrüster, Geschäftsführer der Barfachschule Zürich, beobachtet diese Entwicklung mit gemischten Gefühlen: «Die wichtigsten Cocktails zu mixen kann ich Dir in ein paar Stunden beibringen. Was viel länger braucht ist zu lernen, wie man den Gast als solchen behandelt. Diese Kunst ist etwas verloren gegangen».
Tatsächlich gibt’s heute viele Barkeeper, die selbst ausgefallenste Drinks problemlos kreieren können, den Gast beim Servieren des Getränks aber mustern, als müsse er angesichts seines göttlichen Umgangs mit dem Mixbecher demütig vor ihm auf die Knie fallen. Keine zwischenmenschliche Wärme, ja oftmals nicht mal ein Lächeln. Aus dem freundlichen Zürcher Bartender mit mässigen Mixfähigkeiten ist vielerorts ein Gastro-Roboter mit tadellosen technischen Skills geworden.
Das ist keine Tendenz ohne Ausnahmen, aber eine, die nicht nur die Bartender, sondern die gesamte Nachtgastronomie betrifft. Früher entschieden eloquente Gastgeber massgeblich über Erfolg oder Misserfolg eines Clubs oder einer Bar, Leute die ihrem Arbeitsort ein menschliches Antlitz verliehen haben. Das konnten Selekteure sein wie Nicole Iseli (Garage), Clubbesitzer wie Jean-Pierre Grätzer (Roxy), Geschäftsführer wie Philip Ohlin (2. Akt) oder eben auch Barkeeper.
Grosse Clubs bekundeten zwar schon immer Probleme beim Aufbau eines Gastgebers, denn wie will man auch tausend Leute mit Namen begrüssen? Heute beschränken sich aber selbst kleine Clubs und Bars aufs Technische, auf Interieur, Soundsystem und Drinks. Dass da mehr drin läge, kann man am Klaus ablesen: Mitinhaber Alain Mehmann flaniert die ganze Nacht lang durch seinen Club und erfüllt dabei keine offensichtliche Betriebsfunktion. Er kümmert sich einfach nur um seine Gäste, hat für jeden ein Schwätzchen parat. Und: Der Laden läuft wie geschmiert.
Auch in anderen Zürcher Lokalen weiss man noch, dass dem Gast ein Lächeln mit einem herzlichen „Willkommen!“ oft mehr bedeutet als ein makellos gemixter Mai Tai. In etlichen scheint man aber zu denken, dass ein perfektes Produkt die Gastfreundschaft ersetzen kann.
15 Kommentare zu «Technik statt Gastfreundschaft»
Ein interessanter Artikel. Aber auf der anderen Seite wurden quasi alle Bars in und um Zürich im Magazin Drinks von Hr Flach in den letzten Jahren mit sehr guten Noten bewertet. Für dieses Magazin schreibt Hr Flach nämlich auch. Alle Bars haben ein tolles Angebot, einen tollen Service und sind ganz toll eingerichtet. Und im Tagesanzeiger kommt nun ein gegenteiliger Bericht von ihm.
Es gibt natürlich, wie in jeder anderen Dienstleistungsbranche, auch in der Gastronomie schwarze Schafe.
Viele vergessen dass es in erster Linie darum geht Gastgeber zu sein und erst als zweites die Fähigkeit Mixologe kommt. Leider werden vor allem junge Kollegen sehr von der Industrie mittels Wettbewerbe gehypt. Und so entsteht ein komplett falsches Bild von der Branche.
Ich schreibe nicht nur für die, ich mache gar die Chefredaktion der Schweizer Ausgabe der DRINKS. Auch für die Auswahl der portraitierten Lokale bin ich verantwortlich und da picke ich mir keine schwarzen Schafe sondern nur die weissen – die DRINKS ist kein Bashing-Magazin. Was wir jedoch da ruhig stärker bewerten können ist die Freundlichkeit des Personals… die wird bis jetzt gleich stark gewichtet wie Ambiente, Food, Musik, etc. Die Freundlichkeit ist nur einer von vielen Bewertungspunkten. Und wie in diesem Beitrag geschrieben ist das mit der Freundlichkeit KEINE Regel ohne Ausnahmen. Es gibt gar viele Barkeeper die beides sind: Mixologen UND nett. 🙂
Drinks, echt jetzt? Fünf Minuten am Tresen stehen und dem selbstgefälligen Rumgeeier zusehen um 17 Schtutz für ein Glas voll zerstossenes Eis zu bezahlen? Seien Sie ein Mann und trinken sie Bier, Rotwein oder ein Glas puren schottischen Whisky. Und wenn Sie ein ganz härter Siech sind, gibts ein Glas vom 55prozentigen selbst gebrannten TuttiFruttiSchnaps von meinem Großvater, der zieht einem bei jedem Schluck die Geheimratsecken einen Millimeter weiter nach hinten. Und die Barkeeper sind vergessen und man jammert aus einem anderen Grund .
Um es mit den Worten von Markus Blattner zu sagen : „…. ein Barkeeper der kein einfaches Bier zapfen kann oder keine Servicefähigkeiten hat, ist gar kein Barkeeper.“
Wir haben uns doch selbst ins Bein geschnitten als wir Competitions ins Leben gerufen haben, die nur noch Schaubühnen sind wer wohl die teueresten Bar-Tools mitbringt und fancy pouren kann.
Diese „Star-Tender“ haben meist ein Ego das reichen würde um den Everest zu erklimmen, daher nehme ich es keinem Gast es übel wenn er irgendwann alle Barkeeper als solche wahrnimmt.
Dem Kommentar von jane marple stimme ich vollkommen zu, jedoch können wir nicht von Gästen, die zu uns kommen um einfach eine gute Zeit zu haben, erwarten so ein „tiefes“ Verständnis aufzubringen.
Ausserdem muss man auch noch anmerken das der Gast als solcher sich dank TripAd. und co sich zu einem nörgelndendem Kunden entwickelt hat, der meint er könne mir vorschreiben wie ich meine Bar zuleiten habe. Es spielt nun kaum eine Rolle ob ich Eisdiamanten in meiner Freizeit für den Abend vorbereite oder Craft Bier anbiete das ich nach einer 14 Stunden Schicht um 4:30 morgens angesetzt habe. Wenn ich nach 6 Uhr abends keinen latte macchiato mehr anbiete bin ich unten durch und nicht kundenfreudnlich.
Nun um fair zu bleiben, nicht alle Gäste sind so.
Das gillt auch andersrum, nicht alle Barkeeper sind „Star-Tender“
spannend! vor kurzem em war ich mal wieder im raygrodsky mit einem freund verabredet & fragte höflich, ob ich meinen whysky sauer in einem verhältnis von 2/2/4 haben dürfte, so wie ich ihn am liebsten mag. darauf hin reagierte der barkeeper äusserst empfindlich und fragte, ob ich ihm denn nicht vertrauen würde?! ich versuchte ihm auf englisch (deutsch sprach er leider nicht in meiner heimatstadt, aber das muss man bei einem profi barkeeper anscheinend in kauf nehmen) zu erklären, dass das keine sache des fehlenden vertrauens sei sondern reine vorliebe. nun, die sitution war nicht mehr zu retten, werder mit humor, noch mit ungläubigkeit meinerseits…
der barkeeper war zu tiefst beleidigt & ich verstehe bis heute nicht, was genau ich an dieser neuen „gast-kultur“ noch nicht verstanden habe
es ist eben was anderes ob man in eine bar/club/restaurant geht in dem der/die inhaber noch mitarbeitet oder ob die gastro einrichtung zu einem annonymen konglomerat, ohne leidenschaft hauptsächlich am geld verdienen interessiert ist gehört.
die wahl hat der gast selbst.
Nützt das beste lächeln nicts, wenns dir beim Drink die Mundwinkel nach unten zieht.
Ganz einfach. Auf den nächsten Drink nach Winterthur fahren. Hat tolle Bars mit fast ausschliesslich freundlichem, motiviertem Personal. Die Leute dort sind einen Zacken easier und Knabbereien werden ohnehin unaufgefordert aufgetischt. Besonders empfehlenswert: Bloom Bar, Luxbar, Sahara Bar, Die Loge (über 100 Sorten Gin und Tonic Waters)
Gin gibt’s auch in der 4 Tiere Bar ohne Ende.
Hervorragende Drinks und einen hervorragenden Service bekommt man da.
abgesehen davon, dass unfreundlichekeit und arroganz auch in der übrigen gastronomie zu finden ist, kann man sich fragen, warum das so geworden ist. liegt es vielleicht daran, dass ein bartender nur noch ein angestellter ist? als solcher behandelt wird (von seinen vorgesetzten) und sich auch so fühlt (ist ja nicht mein laden)? ok, mit clubs kann es noch anders sein, aber sonst ist doch so, dass die lokale einer kette gehören. hinter den leuten an der front steht ein anonymer manager (oft ohne ahnung von gastro) und eine HR-person, die oft genauso wenig ahnung hat, aber weltmeister im lohndrücken ist, und…
… dann sind da noch die gäste, die sich leider oft auch nicht mehr wie solche zu benehmen wissen und die beim trinkgeld geizen. und schon ist der teufelskreis perfekt.
Gebe ich Dir vollkommen recht- sehe dies auch so! Für mich der nun seit zwanzig Jahren in Zürcher Bars arbeitet sollten sich der Gast und Bartender aber immer auf Augenhöhe begegnen. Das heisst das man dem anderen immer den gebührenden Respekt zollen sollte. Wie sagt man so schön- fühl dich wie zu Hause aber benimm Dich nicht so. Cheers
Ich behaupte, so wie man eine wirklich gute Küche an ihrer Boullion misst (und nicht an ihrem wechselnden, fancy Tagesmenue), zeichnet sich eine wirklich gute Bar dadurch aus, dass sie die Klassiker beherrscht. Und ja, es ist schon so, da wird man mit Blicken gestraft, wenn man einen simplen Cuba Libre bestellt, aber hinkriegen tun sie ihn dann trotzdem nicht 😉
einfach nicht mehr hingehen. simpel.
wenn solche idioten das gefühl haben, nur weil sie becher schütteln können seien sie etwas besseres, muss man ja schon fast mitleid mit ihnen haben…:-)
Auf Kreuzfahrtschiffen gibts schon vollautomatisierte Roboter-Bars.
Man sollte dies überall einführen, am besten gleich mit Handy-App inkl. Bezahlsystem.
Ist mir lieber als ein unfreundlicher Becher-Schüttler.