Der Hauptort des Wow-Effekts

Die neue Passerelle beim Bahnhof Horgen
Bild: Patrick Gutenberg
Horgen, Bezirkshauptort. Eine Bezeichnung, die der Gemeinde am linken Seeufer überhaupt nicht gerecht wird. Horgen hat sich im Laufe der Geschichte – zugegeben, im Laufe der jüngeren Geschichte – zum Hauptort des Wow–Effekts gewandelt. Wow-Effekte, die es im Bezirk Horgen in fast jeder Gemeinde gibt. Aber jemand muss ja vorangehen, muss vorleben, was es heisst, sich in den Dienst des Wow zu stellen.
Neulich fuhr ich aus der Stadt mit der S-Bahn nach Horgen (Wow!, geht das schnell). Ich stieg die Treppen der neuen Passerelle (relativ neu: Baujahr 2009) hoch. Diese verglaste Stahlkonstruktion mit den beiden Lifttürmen zu den Perrons erinnerte mich irgendwie an die Expo.02. Die Arteplage in Yverdon les Bains wurde durch Stege in milchigem Kunststoff mit dem Festland verbunden. Der Pavillon draussen auf dem See hatte eine magische Anziehung auf die Besucher. Nie war Nebel in der Schweiz beliebter.
Oben auf der Passerelle kann man in Sachen Wow nichts falsch machen. Egal, in welche Richtung man schaut: wow! Zuerst nach links. Vorne an der Passerelle öffnet sich der schmale Steg zu einer trapezförmigen Plattform, die hoch über dem See liegt. Die Sicht ist grossartig. Für einen weiteren Wow–Effekt hier vorne ist ein bisschen Insiderwissen nötig. Ein Tagi-Kollege erzählte mir, dass im Sommer auch schon Jugendliche von der Plattform runter in den See gesprungen sind. Das ist zwar verboten. Und ziemlich hoch. Aber eben auch: wow!
Auf der anderen Seite gibt es ebenfalls ein Wow: Wow, ist das hässlich! Die Passerelle führt über die Gleise hinüber zum Schinzenhof. Dort steht ein Koloss aus den späteren 60er-Jahren, früher gab es sogar überdachte Outdoor-Rolltreppen (die fanden wir als Kinder sehr wow). Es gibt ein Luftbild aus dem Jahr 1967, das die Bauarbeiten zeigt. Von Massstäblichkeit sprach zu diesen Zeiten offensichtlich niemand. In der Überbauung ist die Gemeindeverwaltung untergebracht, es gibt ein Parkhaus, einen Grossverteiler und natürlich ein Restaurant.
Es gibt auch eine Art Dorfplatz, die Piazza: Sie überspannt die Seestrasse und verbindet so den Bahnhof mit dem Dorf, die sonst durch die Hauptstrasse getrennt sind.

Der Schinzenhof wurde in den späten 1960er-Jahren erbaut.
So ist das noch in manchen Gemeinden am See. Die Bahn, die Strasse oder beides zusammen trennen das Dorf. Die Schinzenhof-Überbauung mag von ausgewählter Hässlichkeit sein, die verbindende Idee kann man ihr nicht absprechen. Wie wurde das Neue damals aufgenommen? Als mutiger Schritt? Als moderner Dorfkern? Oder als Monstrum, das so gar nicht ins liebliche Dorf passt? Weshalb feierte Horgen eigentlich das 50-Jahr-Jubiläum des Schinzenhofs dieses Jahr nicht?
Zurück in Zürich stellen sich derzeit ähnliche Fragen. Was werden in 50 Jahren die Menschen sagen, wenn sie die Europaallee sehen? Dieses Monstrum am Hauptbahnhof, dieser Versuch, an bester Lage einen kompletten neuen Stadtteil aus dem Boden zu stampfen? Vielleicht sagen sie: Wow!, das war damals vielleicht visionär. Oder sie finden eben: Wow, ist das hässlich! Immerhin wird da noch (oder endlich) der elegant geschwungene Negrellisteg sein. Eine direkte Fussgänger und Veloverbindung über die Gleise. Wow!
11 Kommentare zu «Der Hauptort des Wow-Effekts»
Solche Schinzenhof-Verbrechen wie in Horgen gibt es leider haufenweise. Hoffentlich werde diese baldmöglichst dem Zivilschutz für eine Übung im Häusersprengen zur Verfügung gestellt.
Bei der Fährstation in Horgen gibt es einen Brunnen mit herrlichem Trinkwasser. Dem kühlen Nass aus der Röhre werden gar heilende Kräfte nachgesagt, ganz besonders soll es gegen Erkältungskrankheiten wirken, was an der Horgemer Pfnüseküste natürlich hoch willkommen ist!
Einige der schlimmsten Personen die ich kenne, kommen von da, oder arbeiten Da.Und trotzdem war ich da kürzlich eine Wohnung anschauen. fast 1400.- für Raumhöhe 2.00m und einen Durchgehenden Riss in einer tragenden Wand. Von aussen Hui…
Wow sind auch die Wohnungsmieten in Horgen. Entsprechend wird auch überall gebaut wo es geht, aber nur für sehr gut Verdienende. Wenn man als nicht so gut verdienende Person oder erst recht als AHV/IV- Rentner mit EL oder Sozialhilfebezüger dort eine neue Wohnung sucht, kann man gleich die Sachen packen. Egal, ob man schon sein ganzes Leben dort verbracht und sich abgerackert hat, sein ganzes soziales Umfeld dort hat.
Wow, was für ein überflüssiger Beitrag!
Ein Artikel ohne jeglichen Wow-Effekt…. Horgen ist zentral, modern und hat eine herrliche Seesicht. Wir haben, etwas weiter oben, Sommersonne bis weit nach 20:00.
Einfach anfangen so schön, hoch und besser, wie alle ausländischen Architekten der Welt zu Bauen und Perfekt ist‘s!
WAU!¨Da scheint eine gewisse Kommunikationskultur auf den Hund zu kommen: wau wau!
Horgen ist Pfünselküste, da hast du Sonne so bis 14 Uhr.
Die Europaallee ist tatsächlich ein architektonisches Desaster. Sie sticht in seiner städtebaulichen Hässlichkeit in Zürich heraus und wird nur knapp vom Primetower an architektonischem Versagen überstrahlt.
Wow! Nun sind wir im ZH eine einzigartige Z-Stadt … und habens überall megamässig glatt – Wow!