Die Dorfpolizei

Auch wenn Polizisten dort wohnen, wo sie arbeiten - sie bleiben Polizisten.

Sorgen in Zürich für Ordnung, wohnen aber selten dort: Polizisten der Stadtpolizei. (Keystone/Walter Bieri)

Am Montag stand in der Zeitung, dass bloss 20 Prozent der Zürcher Polizisten und Polizistinnen in der Stadt wohnen. Die restlichen 80 Prozent leben in der Agglomeration oder noch weiter weg, im Kanton Uri oder im Thurgau. Eine Menschenrechtsorganisation zeigt sich besorgt, Städte bräuchten eine Polizei, die erfahren sei im Umgang mit Minderheiten. Unvergessen bleibt die ruppige Verhaftung des FCZ-Fussballers Yassine Chikhaoui mitten auf der Strasse im Sommer vor zwei Jahren, als die Polizei einen Taschendieb suchte.

Polizeivorsteher Richard Wolff bleibt gelassen. Entscheidend für die Aufnahme in die Stadtpolizei sei die Qualität der Leute und nicht ihr Wohnort, liess er ausrichten. Um Racial Profiling zu begegnen, hätten seine Polizisten klare Anweisungen, wenn sie Minderheiten kontrollieren und auf der Strasse filzen.

Es ist ja nicht so, dass draussen in Schlieren, in Opfikon, in Uster keine Minderheiten leben, im Gegenteil. Aber die Vorstellung vom Polizisten aus dem Quartier, der genau weiss, wie die Leute ticken, hat etwas Beruhigendes. Das wäre ein Schritt näher zu einer menschlichen Polizei.

Dass Polizisten vom Land kommen, ist weltweit üblich. In Italien stammen sie aus dem Süden. In Zürich rekrutierten sie sich lange aus der Innerschweiz, wie der legendäre Willy Schaffner, der die Achtzigerbewegung ausspionierte. Vielleicht ist ein sicherer Job beim Staat ein Magnet in ländlichen Regionen, obwohl man sonst für den Staat dort eher wenig übrig hat.

Aber 20 Prozent, das ist wenig. Wobei, die Zahlen besagen nur, wo die Polizisten wohnen, und nicht, wo sie aufgewachsen sind. Vielleicht ist es einfach so, dass sich immer weniger Polizisten in Zürich eine Wohnung leisten können. Vielleicht fühlen sie sich auch sicherer, wenn sie nach der Arbeit verschwinden können in die Anonymität der Vorstädte. Wenn wir schon dabei sind, interessant wäre auch, wie die Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien oder aus Afrika im Polizeikorps vertreten sind.

Im Haus, wo ich aufgewachsen bin, in Albisrieden, wohnte eine Familie mit zwei Söhnen, etwas älter als ich. Die Eltern waren sympathische, fröhliche Menschen, er Bahnarbeiter, sie Putzfrau. Die Buben waren ziemlich verschieden, der ältere eher ruhig, der jüngere ein Draufgänger und Abenteurer, der aussah wie James Dean, er war der Mädchenschwarm des Quartiers.

Er fuhr Motocross, mit Kollegen hatten sie ein Team aufgebaut und gingen an Rennen. Er hatte eine grosse Liebes­geschichte mit einem Mädchen aus der Strasse, das halbe Quartier fieberte mit. Als sie sich endlich fanden, starb er in einem Autounfall, und die Strasse trug Schwarz.

Der ältere machte eine Ausbildung bei der Polizei. Heiratete, hatte Kinder und nahm im Quartier eine Wohnung, nahe der Eltern, die nach dem Unfall am Boden zerstört waren. Manchmal traf ich ihn, dann sprachen wir über seine Arbeit. Meine Neugier schien ihm offenbar seltsam, denn er meldete unsere Begegnungen seinen Vorgesetzten, das weiss ich aus meinen Polizei­fichen, die ich später erhielt. Da hatte ich ihn schon aus den Augen verloren, schade, er ist der einzige Polizist aus der Stadt, den ich kenne. Ich hätte ihn gern zum Thema ausgefragt.

Ein Kommentar zu «Die Dorfpolizei»

  • Maiko Laugun sagt:

    Im Sinne der Revision des Ehe-/Erbrechtes (Ende 80er Jahre?) wurde die Wohnsitzpflicht für Staatsbeamte (Polizisten) damals angepasst. Bitte blenden Sie (wohl bewusst?) diesen Fakt nicht aus, denn sonst würden Sie sich billiger SVP-Polemik begnügen und würden verleugnen, dass die daraus resultierende Wohnsitzfreiheit und absolut gerechtfertigte Gleichberechtigung (damals nur Ehe-Frauen) gegenüber den Männern falsch war.

    Ich halte Ihren Beitrag deshalb für zwar (offensichtlich) so kalkuliert und genau deshalb für sehr dumm.

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