Musik statt Herdentrieb!

Die meisten ClubberInnen erkennen ihre Lieblings-DJs nicht an ihrer Musik.
Sex, legale und illegale Drogen, die Pflege der «real life-Bubble», «sehen und gesehen werden», Tanz und Musik. Das sind die Gründe der Menschen, um ins Nachtleben einzutauchen. Die Motivation auszugehen ist ein Mix aus all diesen Punkten. Ihre Gewichtung hingegen ist von Clubberin zu Clubber unterschiedlich.
Fragt man nach, sind das Treffen des Bekanntenkreises und die Musik die wichtigsten Lockmittel. Nur Wenige geben zu, dass sie der Hedonismus antreibt. Mal abgesehen von all den Duckface-Kardashians und ihren männlichen Pendants, die ihren lebensphilosophischen und kulturellen Horizont mittels Instagram-Selfies ihrer Sixpacks unterstreichen.
Ihnen bleibt nichts anderes übrig, denn man kauft ihnen eine alternative Begründung nicht ab. Also haben sie sich ihr eigenes Umfeld aus Clubs und Partylabels aufgebaut. Dort sind sie unter ihresgleichen und nicht dem Spott jener ausgesetzt, die glaubwürdig Musik als Lockstoff angeben können.
All jene die jetzt die Zähne fletschen, also jene, die den «Underground» ihr Zuhause nennen, sollten sich vor dem Weiterlesen tunlichst ihr hämisches Grinsen aus dem Gesicht wischen. Denn: Sie sind meist kein Deut besser. Sie kennen zwar die Namen ihrer ausländischen DJs und Produzenten wie David August, Acid Pauli und Andrey Pushkarev, haben sich aber noch nie zuhause und in Ruhe deren Output durchgehört.
Man kann ihnen ein Set von Marcel Dettmann vorspielen und sie glauben machen, es sei eines von AndHim – zwischen der Musik der beiden Acts liegen Welten. Noch klarer wird das bei Schweizer Clubmusikern: Man kennt Pasci, Nici Faerber und Alex Dallas, brüstet sich mit ihrer Bekanntschaft und hat sich doch noch nicht einmal die Zeit genommen sich ihre (online verfügbare) Musik zu Gemüte zu führen.
Viele der Clubberinnen und Clubber, die von sich behaupten, der Musik wegen auszugehen, rennen in Wahrheit nur kurzlebigen Hypes hinterher. Sie gehen an die Partys eines bestimmten Labels, weil halt das Gros ihrer Freunde diese Events besucht. Selbst wenn nebenan in einem anderen Club ein DJ spielt, der ihren musikalischen Vorlieben eher entsprechen würde. Sie bauen ihre Ausgehplanung nicht auf musikalische Selbstbildung, sondern auf Empfehlung, auf Herdentrieb.
Das gilt selbstverständlich nicht für alle elektronisch orientierten Partygänger. Jedoch ist es bezeichnend, dass in Zürich Sets grossartiger DJs nicht so gut besucht sind, wenn sie im «falschen» Club oder an der «falschen» Party spielen. Das gilt auch für Schweizer Artisten: Der Berner Mastra, der Solothurner Kellerkind oder der Basler Le Roi sind in ihrem jeweiligen Genre meist meisterlich (jeder darf mal einen schlechten Tag einziehen), auch wenn sie mal abseits des Club- oder Party-bezogenen Hypes spielen.
Wenn nur die Hälfte der Leute, die von sich behaupten, wegen der Musik auszugehen, dies auch tatsächlich tun würde, das elektronische Zürcher Nachtleben hätte ein würdigeres Publikum. Denn: Was in dieser Stadt wöchentlich an grossartigen Clubmusikern durchgeschleust wird, hätte ein Volk verdient das sich informiert und auskennt.
8 Kommentare zu «Musik statt Herdentrieb!»
Obiger Artikel gilt nicht für Nischenmusik wie Drum & Bass. Wer will schon vom Tanzen völlig verschwitzt eine junge Frau anbaggern. Wenigstens fehlen an solchen Parties stressverursachende Männer von gewissen Nationen.
Das liegt daran, dass die DnB-Szene völlig anders funktioniert. Alle gehen ausschliesslich wegen der Musik da hin. Die Männer und Frauen wollen einfach nur tanzen und die Aufreissgeier haben Probleme eine Frau bei 174BPM von hinten anzutanzen 😉
Die ganze DnB-Szene in Zürich ist sehr familiär und fühlt sich eher wie eine grosse Familie an. Man schaut auf einander, weshalb ich auch noch nie irgendwelche Gewalt gesehen habe, egal welche Nationalität. Das Publikum ist sehr durchmischt von jung bis alt und allen möglichen Nationalitäten. Alle kommen für guten Drum and Bass und um eine gute Zeit zu verbringen.
Da z.B Techno eher noch der grossen Masse zuspricht finden sich dort halt auch leider die Unruhestifter..
Hi Alex! Ein Problem ist, dass man ohne das ganze Szenentheater oftmals schon an der Clubtür scheitert. Grossartige Live-Acts und DJ’s treten in der Stadt auf, man freut sich auf die Musik und wird dann beim Eingang nett abgewiesen, weil man nicht gerade auf einer Liste steht, alleine unterwegs ist und/oder keine Frauenbegleitung dabei hat. Genau diese „Exklusivität“ verursacht diesen Herdentrieb und lässt musikaffine Personen lieber Zuhause die Musik feiern.
Grundsätzlich verständlich. Aber haben wir nicht mal angefangen mit anonymen DJs? Es war egal wer auflegt, hauptsache die Party und die Musik ist geil. Ab Mitte der 90er hat sich das gedreht. Einfach, weil es viel zu anstrengend für alle ist die nicht auflegen, sich durch die immer gleichen Tracks zu wühlen, um die eine Perle zu hören. Ein guter DJ überzeugt die Anwesenden mit seinem Set. Wenn er mit dem Publikum hadert, dann hat er den Beruf verfehlt. Dann soll er Künstler werden. Künstler suchen sich ihr Publikum. DJs sind für das Publikum da. Und die Leute sind in den letzten 20 Jahren zu grossen Teilen zur Party, um Leute kennenzulernen. Nicht wegen der Musik. Hauptsache Bumbum und was zu trinken. Zumal man gute Elektronische Musik im Radio/TV fast vergeblich sucht nach fast 30 Jahren
Hmmmmmm, könnte es nicht auch daran liegen, dass „wegen der Musik“ anders ausgelegt wird?
Wir mach(t)en es jeweils so: Wir entscheiden uns erst für einen Musikstil (nach was ist uns heute Abend) und wählen dementsprechend den Club aus. Wer dann genau hinter den Turntables steht, spielt nicht so eine Rolle (obwohl natürlich der musikalische Aspekt des Abends dann gelungen war, wenn der DJ ein ansprechendes Set spielte).
Selbstverständlich war auch schon ein bestimmter DJ Anlass für einen Clubbesuch; dies vergleiche ich aber eher mit dem Besuch eines Konzertes eines bestimmten Künstlers.
Oder anders gesagt: Ich gehe in den Zirkus der Artistik wegen, ohne die Artisten, resp. deren Werk, zu kennen…
Hi Alex. Ist der Artikel bezugnehmend auf das jüngste Gastspiel von Rodhad in der Härterei?
Ich habe ein paar Mal versucht, nur wegen der Musik in einen Club zu gehen. Als männlicher Einzelgast (oder noch schlimmer mit musikinteressierter männlicher Begleitung) ist das schlicht unmöglich.in Zürich. Ich hab das ziemlich schnell aufgegeben und höre mir die Musik wieder auf Soundcloud an.
szenis sind immer gleich. ob es um musik, mode, hobby etc. geht. ihr lebensinhalt besteht darin, als teil einer gefühlt auserwählten truppe hypes nachzurennen und sich dabei als geniales individuum zu fühlen. herzig aber ziemlich sinnentleert.