Züri-Sack und Migros-Klubschule

Tag der offenen Tür in der Asylunterkunft in Wollishofen. Noch steht sie leer, aber sie kommen bald, die Flüchtlinge.

Bald sind die Bauarbeiten beendet: Asylunterkunft in Wollishofen. (Foto: Beni Frenkel)

Ich habe die Asylunterkunft in Wollishofen am Tag der offenen Tür besucht. Beim Dangelweg stehen seit ein paar Tagen zwei Wohnhäuser für die Flüchtlinge. Noch ist niemand eingezogen. Da, wo die Häuser stehen, hört eigentlich die Zivilisation bereits auf. Der Wald ist gleich rechts, die Autobahn knapp 30 Meter entfernt.

Zwei dunkelhäutige Frauen stehen vor dem Tisch und schenken Punsch aus. Es gibt Oliven und Salznüsse. Alles gratis. Weiter hinten befindet sich der zweite Tisch. Hier gibts Kaffee und Tee. Ich lächle die beiden Frauen an und sage: «Ich finde es toll, dass ihr nach Wollishofen kommt.»

Ein gelangweilter Mann führt uns durch die leeren Wohnungen: «In jedem Zimmer gibt es zwei Betten. Die Zimmer sind so ausgelegt, dass maximal zwei Personen drin schlafen können. In jeder Wohnungseinheit befinden sich drei Zimmer à zwei Betten. Die Wohnungen sind so ausgelegt, dass maximal sechs Personen drin schlafen können.»

Ich betrete so ein Flüchtlingszimmer. Tatsächlich: zwei Betten. Dazu ein Spind, ein Tisch, zwei Stühle und ein Kühlschrank. Jedes Zimmer sieht genau gleich aus. So empfangen wir eben Flüchtlinge.

Ich will die Nasszellen angucken. Ich sehe: eine Toilette, eine Dusche. Leider keine Badewanne. Die Wohnungen sehen lieblos aus. Aber sie sind ja noch nicht fertiggestellt. Sozialarbeiter: «In den nächsten Tagen kleben wir überall ‹Rauchen verboten!›-Schilder an die Wand.»

Eine Frau will wissen: «Betreut jemand die Flüchtlinge?» Der gelangweilte Sozialarbeiter schüttelt den Kopf: «Nein, aber wir kommen einmal in der Woche hierher und zeigen den Flüchtlingen, wo die Migros ist. Und wir erklären ihnen, dass man den Abfall im Züri-Sack entsorgt.» Eine andere Frau fragt: «Was machen die Flüchtlinge so den ganzen Tag?» Der Sozialarbeiter klärt auf: «Sie besuchen tagsüber einen Deutschkurs in der Migros-Klubschule.» Ich gehe wieder raus und stehe nachdenklich zwischen den beiden Häusern.

Ich denke: Nach einer Woche haben die Flüchtlinge hoffentlich verstanden, was die Schweiz ausmacht: Züri-Sack, Kühlschrank, Migros-Klubschule. Wenn ich den Auftrag bekäme, eine Unterkunft für Flüchtlinge zu bauen, hätte ich mir Gedanken gemacht: Welches Bild der Schweiz will ich ihnen eigentlich zeigen?

Ich würde sie mit kleinen Symbolen daran erinnern, wo sie gelandet sind. An den Wänden hingen Poster von Federer und dem Matterhorn. Auf der Toilette läge ein Plan von der Waschküche: 2.11.2017: 14 Uhr–16 Uhr: Frau H. Käser; 16 Uhr–18 Uhr: Frau A. Bircher; 18 Uhr–20 Uhr: Herr A. Zürcher. Darüber in Rot: «Welches verdammte Arschloch hat meine noch feuchte Wäsche aus dem Tumbler genommen?!» Im Kühlschrank würde ich einen Korb mit Willkommenspräsenten verstauen: Raclettekäse vom Denner, abgelaufenes Nussjoghurt. Auf den Deckel würde ich hinschreiben: «Kann man immer noch essen!»

Ausserdem: lactosefreie Milch, zwei Scheiben Fitnessbrot, Kochschokolade und Milchreis und Caramelchöpfli. Und nach vielen Besuchen auf Schweizer Toiletten weiss ich: Ohne Rattanstäbchen (Vanille) ist man hierzulande noch nicht richtig integriert.

Ein Kommentar zu «Züri-Sack und Migros-Klubschule»

  • Philipp M. Rittermann sagt:

    lieber herr frenkel. man ist immer so gut integriert, wie man das anstrebt. und hier liegt die krux.

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