Eine Glacegeschichte (13)

In der heutigen Episode dieser städtischen Gebrauchsanleitung gehts um Meinungen und Dialoge, um Pariser Arroganz und britischen Humor – vor allem aber gehts um Kopfhörermusik.

Sie haben quasi den britischen Humor erfunden (und sind somit verantwortlich dafür, dass dem Autor bei dem, was er in Zürich tat, in London ein halbes Pint über den Kopf geleert worden wäre): Die legendäre Monty-Python-Crew, hier in einer Aufnahme von 1969. Bild: Keystone

Grundsätzlich existiert auch auf einer Zeitungsredaktion das Recht auf freie Meinungsäusserung. Deshalb war es okay, als ein Kollege fand – ich vermute, er wurde vom Chef geschickt –, wenn auf dieser Kolumne schon Gebrauchsanleitung draufstehe, sollte doch wenigstens hin und wieder auch Gebrauchsanleitung drin sein, sprich die werte Leserschaft etwas über Zürich erfahren, was sie a) noch nicht weiss und was ihr b) bei der Alltagsbewältigung idealerweise gute Dienste erweisen könnte.

Auch wenn ich des Kollegen Meinung nicht vollends teile, habe ich den Tipp beherzigt. Der Knackpunkt war, die Kriterien «unbekannt» und «nützlich» zu vereinen, doch ich glaub, es ist mir tatsächlich gelungen: Ich habe nämlich herausgefunden, dass man in Zürich trotz voll aufgedrehter Kopfhörermusik mit wildfremden Passanten einen Dialog führen kann.

Crazy! Wenn man das in Mailand oder Rom versuchte, hiesse es unüberhörbar: «Non mi rompere le palle!» oder «Ma va a cacare!» In Paris liefen die Angesprochenen panisch davon. In Belfast, Glasgow oder London würden sie einem – Monty-Python-Humor – das halb volle Pint of Lager über den Kopf schütten, in Dublin – irischer Humor – wärs das volle Glas Guinness. In Istanbul und Jerusalem spürte man wohl irgendwann einen kalten Föhn (milieusprachlich für Knarre) an der Stirn, und in Reykjavik schliesslich … wobei, nein, zu intim, das geht Sie nichts an. Egalowitsch, jedenfalls bei uns in Tsüri – voll das Gespräch!

Ich weiss es, weil ich es am Dienstag live erlebte. Als ich am Bürkliplatz-Märt-Kiosk für einen Milchkaffee anstand, im Ohr die Band Girls in Hawaii mit dem Album «Everest». Weil die Songs grad super zur Spätsommermelancholie passten, mochte ich nicht darauf verzichten, als ich dem älteren Paar, das mich rechts überholte, erklärte, dass ich übrigens auch anstehe. Sie sagten dann was, was ich wegen des Sounds im Ohr natürlich nicht verstand. Was ich ihnen nett mitteilte («Sorry, ich ghör Sie leider nöd»), und dabei auf die Kopfhörer deutete. Sie sagten dann wieder was, worauf ich erneut erwiderte, ich würde leider nichts verstehen; dazu lächelte ich milder als ein Penang Curry mit Rind.

So ging das hin und her. Wobei sich die Gesichtszüge des Mannes, so schien es, zwischendurch minim verhärteten. Und die Frau tippte ihren Zeigefinger irgendwann an die Schläfe, ich denke, sie wollte mir bedeuten, den Kopfhörer abzunehmen (wonach mir aber der Sinn nicht stand, was ich ihr auch sagte, mit «Kä Luscht!», frei nach BR Maurer), vielleicht wollte sie mir aber auch bloss den Vogel zeigen, wer weiss das schon.

Obwohl das Gespräch eigenartig war, verlief es summa summarum erfolgreich: Die Herrschaften reihten sich letztlich hinter mir ein, wofür ich artig dankte, bestellte, bezahlte, und zufrieden von dannen zog. Getreu dem Motto «einmal ist keinmal» probierte ichs später auch noch im Coop, und …

Herrgott! Ich doziere da einfach so vor mich hin, dabei waren doch heute noch Tyler-Brûlé-News versprochen. Und weit wichtiger: Erläuterungen zu den Glacekulturen Portugals und des Piemont. Doppelmist! Okay, Portugal geht rasch: Die dortige Eiscremesache erinnert stark ans Formel-1-Team von Sauber. Sie wollens genauer? Teil 14!

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