Was Mario Fehr und Alain Nef verbindet

Von Zürichs Unaufgeregtheit mit Promis, FCZ und SP sowie dem grünen Teppich des Zurich Film Festivals.

FC Zürich – FC Lugano: Zürichs Alain Nef gratuliert Pa Modou zu seinem Treffer zum 3:0. (Foto: Gonzalo Garcia/EQ Images)

Am Sonntag standen wir vor dem Wurststand der Metzgerei Horber, neben dem Stadion Letzigrund, da kam Mario Fehr, der SP-Regierungsrat. Er war unterwegs mit jemandem, den ich kenne. Fehr hat einen Platz im Sektor C, weit weg von der Tribüne, wo die VIP sind. Wir gaben uns die Hand, der gemeinsame Kollege stellte uns vor. Fehr ist schmal und drahtig, mit einer seltsamen, eng anliegenden Frisur. Polizeiblaue Freizeitjacke, weisses Hemd. Er war bleich und etwas nerdig, aber vertrauenswürdig und zugänglich, mit einem Lächeln wie der Kassier eines Fussballclubs aus dem Quartier.

Zum Politisieren hatten wir keine Zeit, ein paar Minuten später begann das Spiel Zürich gegen Lugano; schade, ich hätte gern mit Fehr diskutiert, er ist mit seiner strengen Flüchtlingspolitik in den letzten Jahren zu meinem privaten Feindbild geworden. Ich hätte gerne beobachtet, wie er das macht, dass Kritik an ihm abperlt wie Wasser unter der Dusche. Als er weg war, sagte jemand: «Einer wie Fehr hätte in Deutschland einen Wagen mit Fahrer und Polizeieskorte», er sagte es so, dass klar war: Wir sind stolz auf unseren republikanischen Politbetrieb.

Bloss, wie lange gibt es ihn noch. Dann sassen wir nebeneinander aufgereiht, Väter und Söhne, in unseren Schalensitzen und schauten Zürcher Profifussball. Alain Nef, der Zürcher Verteidiger im Seniorenalter, machte ein starkes Spiel, ich freute mich über jeden gelungenen Kopfball. Nef ist auch einer wie Mario Fehr, dem man einfach so im Alltag begegnet; wenn er in der Bar Kaffee trinkt oder seine Kinder in die Musikschule bringt oder zum Fussball auf die Allmend.

Ich mag das an Zürich, die Unaufgeregtheit im Umgang mit Prominenz, mit grossen Tieren. Aber dann denke ich, vielleicht hat es mit der überschaubaren Grösse der Stadt zu tun, Zürich ist im Grunde eine grossgewachsene Kleinstadt, die das Ländliche sucht, das Dörfliche, das Vertraute des Quartiers. Anonymität darf es in Zürich nicht geben, Anonymität ist der Tod. Aber Anonymität ist das Wesen der Stadt. Deshalb wollen heute die Jungen weg, weil nichts geschieht in der Überschaubarkeit, weil sich alle kennen, alle sind miteinander verbandelt. Vielleicht ist deshalb der grüne Teppich so beliebt, der Jahr für Jahr am Zurich Film Festival ausgerollt wird, weil wir uns nach den Unberührbaren sehnen, den Allmächtigen, den Ausserirdischen, die niemals bei Horber eine Wurst essen werden.

Zürich schlug Lugano 3:0, nach dem Match rannten ein paar Buben aufs Spielfeld, was verboten ist. Sie wollten T-Shirts der Spieler ergattern, es sah nach einer geplanten Aktion aus. Die Sicherheitsleute trieben sie wieder vom Platz, doch einer der Buben entwischte den Uniformierten, er hatte es aufs Leibchen von Raphael Dwamena abgesehen, dem Star der Zürcher Mannschaft. Schliesslich hatte ein Sicherheitsmann den Buben gepackt. «Moment», rief der Fussballer, zog das Trikot über den Kopf und gab es ihm.

Das Stadion klatschte. Die schöne Geste des Mannes aus Afrika, die Hartnäckigkeit des Zürcher Jungen. Der Star und der Junge aus Fleisch und Blut. Nähe und unüberwindbare Distanz. Perfekt.

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