Turntable-Sexismus

DJ Konstantin hält Platten auflegen für einen Männerberuf. Wegen des Barts?
«Ich empfinde es als ungerecht, dass weibliche DJs zurzeit so sehr gefördert werden, obwohl sie meist schlechter auflegen als Männer. Für Frauen ist es wesentlich einfacher, als DJ erfolgreich zu werden, da die wenigen Frauen, die sich für das Auflegen interessieren, unverhältnismässig gepusht werden. Frauen, die eine Karriere in dem von Männern dominierten DJ-Business anstreben, verlieren ihre ‚weiblichen Qualitäten‘ und ‚vermännlichen‘ zusehends.»
Es ist eine Weile her, dass im Nachtleben Sätze für ähnlich viel Furore gesorgt haben wie diese von DJ Konstantin, Mitgründer des Weimarer Technolabels Giegling, die er einer Groove Magazin-Autorin ins Notizbuch diktiert hat. Die Entschuldigung Konstantins, die Journalistin hätte ihn und seinen schlechten Humor missverstanden, wirkt reichlich verlogen, haben die beiden Giegling-Mitglieder Dustin und Frauke die Ansichten ihres Kollegen doch bereits im selben Artikel bestätigt, in dem dieser seinen sexistischen Nonsense zum Besten gegeben hat:
Diese seien «im Kollektiv eine explizite, wenn auch nicht unbekannte, Einzelmeinung, die nichts mit den Ansichten der restlichen Labelmitglieder zu tun hat». Warum DJing ein Männerberuf sein soll, geht aus seinen bisherigen Statements nicht hervor (von hanebüchenen Aussagen zur Inhärenz des männlichen Macht- und Geltungsdrangs abgesehen): Es gibt keine zentnerschweren DJ-Koffer mehr zu schleppen und zwei, drei Stunden am DJ-Pult stehen und sich zwischendurch einen Drink einschenken kann man nun wirklich nicht als körperliche Schwerstarbeit taxieren. Bleibt also nur die Erklärung, dass in Konstantins klitzekleiner Welt Frauen weniger Sinn und Gespür für die Musik und den Umgang mit ihr haben. Das zu beweisen dürfte Konstantin angesichts der vielen weiblichen Turntable-Grössen wie beispielsweise Magda, Black Madonna, Anja Schneider, Ellen Allien oder Monika Kruse allerdings schwer fallen.
Ein bisschen Kopfnuss-Shitstorm hätte dem Ewiggestrigen also bestimmt ganz gut getan. Was da aber über ihn und sein Label hereingebrochen ist, ist ein brauner Online- und Fachpresse-Tornado, inklusive vereinzelter Buchungsstornierungen von Festivals für Giegling – im Clubbing existiert die Kollektivstrafe offenbar noch. Das wiederum zeugt nun von ziemlicher Verlogenheit seitens Nightlife-Community, denn auch die erdrückende Mehrheit der Schweizer Clubs wurde von Männern erdacht, von Männern gebaut, werden von Männern geführt und nicht zuletzt auch mehrheitlich von Männern bespielt. Konstantin hat eigentlich nur ausgesprochen, womit sich Frauen Wochenende für Wochenende konfrontiert sehen, mit der Tatsache, dass sie vor allem Konsumations-Anheizerchen für paarungswillige Männchen sind, ob vor oder hinter der Bar.
Die Aufregung um Konstantins Chauvinisten-Geseiere in Ehren, aber wenn sich die Herren Clubmacher, Veranstalter, etc. abgeregt haben, könnten sie das Ganze doch zum Anlass nehmen, sich des bisweilen irritierenden Frauenmangels in ihrem direkten Umfeld anzunehmen. Wenn weibliche Gäste doch so gut fürs Geschäft sind … könnte man da nicht mal einer Frau strategische Verantwortung übertragen?
Alex Flach ist Kolumnist beim «Tages-Anzeiger» und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Gonzo, Amboss Rampe, Nordstern Basel, Rok Luzern und Härterei.
26 Kommentare zu «Turntable-Sexismus»
Die Zustände im DJ-/Club-Umfeld scheinen ähnlich zu sein wie im Tagi-Stadt-Blog: Nur männliche Blogger, ein Netzwerk männlicher Blogger, das sich gegenseitig unterstützt. Und wie sieht es in der Tagi-Redaktion aus? Alle Redaktionsleitungen bis auf eine von (natürlich weissen) Männern besetzt. Politisch korrekte, Feministinnen-Männern übrigens, die gerne bei jeder Gelegenheit darüber schimpfen, wie sehr „die Wirtschaft“, „der Staat“, „die Gesellschaft“ Frauen diskriminiert, nur um dann selber ihre eigenen Gärtchen zu pflegen und schön dafür zu sorgen, dass ihr Posten nicht plötzlich an eine Frau verloren geht. Ist ja immer etwas anderes, bei einem selbst.
hmmm….es ist schon seeehr seltsam, dass in einem zentraleuropäischen land weisse männer an arbeitsplätzen anzutreffen sind……beim meinem abstecher nach asien war ich auch geschockt zu sehen, wie viele asiaten es dort gibt…..
Schöner Schenkelklopferhumor.
als Veranstalter achten wir gerne darauf auf unseren Line-up’s immer auch weibliche Künstlerinnen zu haben. muss aber zugeben, dass wir praktisch nie über einen 50% Anteil hinaus kommen.
An der Qualität solls nich liegen, das wurde in vielen Nächten bewiesen. Um eine Musikerin zu entdecken, bedarf es aber sicher mehr Recherche. Es fällt auf, dass sich Frauen eher zurückhaltend vermarkten. Ihre Soundproben im Netz sind eher rar, von manchen männlichen DJ’s finde ich dagegen jeden leisen Furz online.
Ich fördere gerne, aber wie kommt eure musik zu mir?
Die Clubs, das Nachtleben, die Musikszene überhaupt, existieren ja nicht in einem Vakuum, die gesellschaftlichen Gegebenheiten zeigen sich hier auch.
Es hat also nicht nur mit dem Sexismus in der Welt der Clubs und Bars zu tun, ich denke die Frauen verlieren den Mut und den Drive schon viel früher, eben gerade weil ihnen weniger zugetraut wird. Oder halt etwas anderes, als den Männern.
Wie vielen Mädchen wird die entsprechende Rangordnung bereits in der Kindheit erklärt?
Der Mann spielt Gitarre oder steht am Mischpult, die Frau singt oder tanzt für das Publikum.
Zum Glück werden diese Strukturen immer mehr aufgebrochen, DJ Konstantins Weltbild hin oder her.
Dieser Artikel ist irreführend. Gemäss Wortlaut des Zitats enerviert sich DJ Konstantin darüber, dass Frauen bei gleicher Leistung gegenüber Männern bevorzugt werden. Der Autor des Artikel deutet den Inhalt aber bewusst so um, als hätte DJ Konstantin gesagt, dass der DJ-Beruf nur für Männer wäre und Frauen hätten dort nichts verloren. Ich zitiere: „DJ Konstantin hält Platten auflegen für einen Männerberuf“. Das ist wohl kaum die gleiche Aussage, lässt sich aber besser für publizistische Zwecke gebrauchen. Sexismus gehört verurteilt, aber diese trendige Empörung über Sexismus ist gleichermassen subjektiv und blöd. Bleiben Sie bei den Fakten.
Nein. Er hat gesagt, dass Frauen meist schlechter auflegen, sprich meist weniger können (in diesem Bereich). Und das ist so ziemlich das Gegenteil von „gleicher Leistung“ und auch noch ausgemachter Blödsinn da gegenteilig belegbar. Und deshalb ist seine Aussage sexistisch.
Sorry, jetzt geht der Semantiker in mir durch.
Der Herr sagt so einiges
1. Er ist gekränkt. (Mimimimimiiiiii)
2. Weibliche DJs erfahren im Moment mehr Förderung als männliche (stimmt aus einem bestimmten Blickwinkel sicherlich, aber eben, es gibt auch den anderen Blickwinkel.)
3. Weibliche DJs legen schlechter auf als Männer. (Wobei er hier mit „Männern“ sicher männliche DJs meint, ansonsten leidet der Herr tatsächlich an Realitätsverweigerung)
Okay, ich verstehe. In meinem Kommentar hätte es besser heissen sollen „… selbst bei schlechterer Leistung gegenüber Männern bevorzugt werden.“ Die Schlussfolgerung kann ich aber nach wie vor nicht nachvollziehen: Die Bevorzugung schlechter Leistung zu kritisieren ist für mich nicht das Gleiche wie einem Geschlecht kollektiv das Können abzusprechen. Ich kann Ihre Auslegung nun zwar besser verstehen, finde sie aber dennoch undifferenziert. Zugegebenermassen, vielleicht hat er es tatsächlich so gemeint, wie Sie es auslegen; ich kann das anhand der wenigen Zeilen des Zitats nicht wirklich abschätzen.
Nun… um darüber zu diskutieren müsste man erst klären ob es stimmt was er sagt. Meiner Erfahrung nach werden Frauen mind ebenso oft belächelt und weniger berücksichtigt weil sie eben Frauen sind… es ist ein Geschäft das in quasi-Ausschliesslichkeit von Männern gemanagt wird und erwiesen ist, dass männliche DJ-Grössen (also das überwiegende Mehr) lieber den Mentor für männliche Youngster spielen…
“… selbst bei schlechterer Leistung gegenüber Männern bevorzugt werden.”
Sagt er zwar nicht, aber dass er es so meint, glaube ich durchaus auch.
Dann greift aber eben Hr. Flachs Einwand: DASS dies so ist, muss zuerst bewiesen werden.
4. „Für Frauen ist es wesentlich einfacher, als DJ erfolgreich zu werden“ (für alle Frauen ist es einfach)
vs.
5. interssierte Frauen werden unverhältnismässig gespusht (Einzelschicksal)
Gerne möchte ich an dieser Stelle einmal einwerfen, dass Förderung verschiedene Gesichter hat; es gibt die „stille, traditionelle Art“, von der männliche DJs – und zunehmend weibliche – profitieren. Diese Förderung führt immerhin dazu, dass die männlichen DJs zu über (gefühlte) 90% vertreten sind. Und dann gibt es noch die etwas lautere, offensivere Förderung, die doch schon zu sagenhaften 10% geführt hat.
Ich denke, von „unverhältnismässig sprechen wir ab 51%, oder?
Weiter gehts.
6. Das DJ-Business ist von Männern dominiert. (Korrekt. Aber gelle, Hr. DJ Konstantin, nicht alle Männer denken wie du.)
7. Frauen, die eine DJKarriere anstreben, vermännlichen. (Achtung: bereits das Streben danach reicht zur Vermännlichung. Es droht beim ersten Gig auf Ibiza, dass der DJane plötzlich – plopp – ein Penis wächst. Oder was meint er mit „weiblichen Qualitäten“ und „vermännlichen“.
(Da ich aber die ursprüngliche Quelle nicht gelesen habe, kann dies durchaus auch ironisch gemeint sein)
Frauen gehören hinter den DJ-Pult und nicht hinter den Herd – damit warb der Hive Club für eine Party, bei der ausschliesslich Frauen auflegten. Dem Feedback zufolge war dies eine Party, bei welcher der ganze Tag eine super Stimmung herrschte.
Und wer sich schon mal ein Set von Monika Kruse angehört hat weiss, dass es für DJ Konstantin sehr schwierig sein dürfte an dieses Niveau heranzukommen. Ähnlich wie La Fleur, welche Resident im Watergate Club und ein absolutes Ausnahmetalent ist. Diese Ladies produzieren auch weltklasse Tracks was das Zeug hält.
Schade für DJ Konstantin, dass er mit seiner engstirnigen Meinung den Ruf seines Labels verheizt.
das ist die immer gleiche diskussion, wie in der wirtschaft auch. wenn eine gut ist, wird sie weiterkommen. wenn sie durchschnitt produziert, wird sie in der menge untergehen. simpel und richtig so. meiner wahrnehmung nach beissen sich generell zuwenig frauen in der musik bis ‚ganz nach oben‘ durch.
ohne mich in der e-musik gut auszukennen: für mich ist es immer etwas seltsam, wenn ehmalige missen irgendwelcher couleur und ähnliche weibliche cervelatprominenz plötzlich auch am dj-pult stehen und auf anhieb künstlerisch ernst genommen werden wollen. da darf der zuhörer auch gerne kritisch hinhören. es zählt nur die qualität der musik. wer diese liefert, wird ernst genommen.
Man vergisst dabei vielleicht die Netzwerke, die zZ noch völlig in Männerhand sind. Das Grüppchen von Leuten, die sich finanziell an neuen Clubs beteiligen, sind best friends seit der alten Börse.
Und es werden nicht die besten DJs gebucht, sondern die mit dem grössten Status. Indie und Mainstream.
das glaube ich sofort, aber eben: da ist durchbeissen gefragt. es ist ja nicht verboten, dass die ladies mitmischen dürfen. ansonsten kann frau ja auch selbst was auf die beine stellen, was natürlich seine zeit braucht. früher war’s z. b. im rock/pop-business mit den plattenlables und deren bossen definitiv noch eine machomännerwelt, in der frauen teilweise kategorisch abserviert wurden. aber in diesem bereich hat sich (internet sei dank) einiges zum positiven für die frauen gewendet. jetzt ist halt einfach initiative ihrerseits gefragt. dass bei ihnen viel potential lauert, wird wohl niemand bestreiten. umsetzen müssen sie es aber es aber selber.
Wir weiblichen DJs finden es immer schön, wenn uns ein männlicher „Kollege“ gute Ratschläge à la „da ist durchbeissen gefragt“ gibt. Das hören wir fast so gerne wie „für eine Frau machst du das aber echt gut“ oder „wow, sind das wirklich deine Platten?!“ Solche Sprüche hören wir praktisch jeden Abend (!) und ja, gopf, wir beissen uns durch, auch ohne extra „Frauenabende“ und solchen Müll. „Organisiert doch was eigenes“, das klingt für mich ein wenig nach Segregation. Schön wär es m.E., wenn sich eines Tages niemand mehr überhaupt Gedanken machen würde, welches Geschlecht der Discjockey hat, damit wir irgendwann im Backstage nicht mehr hören müssen „Von wem bist du eigentlich…
qualität und können werden sich durchsetzen. eine dünne haut hilft dabei aber nicht. macht einfach weiter……
Auch Ihre Kopfhaut wird irgendwann dünn, wenn ständig jemand so härzig von oben herab Ihr Köpfli tätschlet…
@tststs: auf teilen meiner kopfhaut sind sogar schon keine haare mehr drauf, weil mir da schon so viel draufgetätschlet wurde…..aber äniwei: ich habe das ewige gender-glätsch einfach langsam satt. wenn ich ich meine passion und kunst weiterbringen will, dann mache ich das mit der nötigen vehemenz. wenn’s nicht zum erfolg kommt, ziehe ich deswegen nicht die genderkarte. häsch mi?
Was Missen und Plattenauflegen betrifft: Brad Pitt und sogar Silvester Stallone machen seit einiger Zeit Kunst…Oder kennen Sie O. Pocher (der dafür bezahlt wird, nichts zu können)? usw
ist für mich dasselbe. ich kann mir gut vorstellen, dass deren kunst von profis (ev. zurecht?) gnadenlos verissen wird, wenn sie nichts taugt. warum auch nicht?
@geezer: In der Kunst kenne ich mich etwas aus, in der elektronischen Musik nicht. In Kunst ist es so, dass es völlig egal ist was man als Künstler macht, sondern es kommt auf das Netzwerk/Macht drauf an. Es ist möglich, dass in 100 Jahren „Experten“ Stallone-Kunst an wichtigen Veranstaltungen eingehend diskutieren. Kurz: Wenn Sie die entsprechende Macht haben, können Sie aus Kermit der Frosch einen Starkünstler machen (was viele die nichts von Kunst verstehen auch gut finden würden). Aber Sie haben recht, dennoch: In der Kunst sind die Kriterien nicht mehr klar, weil das zentrale Paradigma der letzten Jahrhunderte (ungefähr „unendliches Wachstum/Freiheit“) gerade an die Wand fährt.
Den Artikel in Ehren, jedoch die Frage sei erlaubt, warum eröffnen denn Frauen nicht ihren eigenen Club (an der Langstrasse wird ja wieder eine Location frei)? Angebot & Nachfrage werden es in einer Stadt wie Zürich, wo es schon viel zu viele Clubs gibt, dann sowieso richten.
Ihre Frage in Ehren, was hat sie aber mit dem Artikel zu tun?
P.S: aus dem Bauchgefühl heraus: Die Clubszene mag fest in Männerhand sein, aber in der Barszene tut sich was…