Zuerst Fegefeuer, dann Zürichsee

Mit dem Schiff auf dem Zürichsee vom Bürkliplatz Richtung Küsnacht. (Foto: Beni Frenkel)

Vor zwölf Jahren verlobte ich mich. Damals lief auf MTV die Serie «My Super Sweet 16». Die Story: Daddy organisiert eine kleine Geburtstagsparty für die Tochter. Nur die tausend besten Freundinnen sind eingeladen. Das dicke Geburtstagskind kriegt von den Eltern einen pinkfarbenen Porsche und eine Brustvergrösserung.

Ich wollte meinen Gästen auch etwas Besonderes bieten. Darum mietete ich ein Schiff. Mein Geld reichte für das Motorschiff Zimmerberg und für die Strecke Bürkliplatz–Zürichhorn. Auf einen Apéro mussten die Gäste leider verzichten. Das hätte sich finanziell, aber vor allem zeitlich, kaum gelohnt. Die Fahrt dauert nur 13 Minuten.

In den letzten 12 Jahren ging ich dann nie wieder auf ein Schiff.

Warum auch? Sorry, aber ich gehöre zu den 100 coolsten Zürchern. Mich trifft man nicht auf einem ZSG-Schiff, sondern in den angesagten Clubs. Ich bin so cool, ich könnte der nächste Trauzeuge von Melanie Winiger sein.

Trotzdem, am Montagabend wollte ich wieder einmal mit einem ZSG-Schiff fahren. Ich sage zur Ticketverkäuferin am Bürkliplatz: Buchen Sie mir das nächste Schiff nach Küsnacht

Die Menschen stürmen alle aufs Oberdeck. Ich setze mich im Restaurant hin. Ein fröhlicher Kellner quatscht mich an. Ich will ihn loswerden und bestelle einen Kaffee. Er schnattert: und gewiss auch eine Kirschtorte, hahaha! Nein, ich bin Diabetiker. Er entschuldigt sich sofort und schleicht davon

Aber gleich kommt der nächste Komiker angetanzt. Ein Billettkontrolleur. Er schunkelt wie Käpt’n Blaubär von links nach rechts. Warum sind hier alle auf LSD? Hoffentlich ist der Typ nüchtern, der das Schifffährt.

Ich gucke aus dem Fenster. Das Zürichhorn ist längst hinter uns. Als ich noch Primarschullehrer war, da habe ich in der 5. Klasse immer erwähnt, dass Wissenschaftler herausgefunden haben, dass im Zürichsee dreimal die Menschheit Platz fände. So tief ist der Zürichsee. Ich habe während des Unterrichts häufig Blödsinn erzählt. Das Schöne am Unterrichten ist ja, dass dir alle glauben. Du musst nur sagen: «Wissenschaftler haben herausgefunden», und das Publikum gehört dir. Manchmal hatte ich leider kritische Schüler. Sehr unangenehm. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Lehrer drei natürliche Feinde kennen: dumme, kluge und kritische Schüler.

Wir halten in Küsnacht-Heslibach. Niemand steigt ein oder aus. Überhaupt, nur wenige Menschen befinden sich auf Schiff. Eine hübsche Blondine sitzt drei Sitzreihen links von mir. Im Club Es Paradis auf Ibiza würde ich die Lady natürlich ansprechen. Aber sicher nicht in Küsnacht Heslibach.

Nach Erlenbach überqueren wir den See. In der Ferne sehe ich einen Wasserskifahrer. Das sieht toll aus. Als leidenschaftlicher Cineast kommt mir gleich ein Sexfilm in den Sinn. Wie hiess der Film schon wieder? Keine Ahnung. Ich schalte immer den Ton aus. Im Film kommt ein Typ mit Sonnenbrille vor. Er hat eine Jacht mit 20 Frauen, die miteinander schnackseln.

Schäm dich, Beni! Immer diese Gedanken. Hoffentlich kommst du ins Fegefeuer (als Läuterung) und nachher in den Zürichsee (zur Abkühlung).

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