Sötsch nöd fötele!

Szene aus dem Challenge League Spiel FC Zürich – Neichatel Xamax: Cedric Brunner (links) gegen Azad Obadasi. (Foto: Anton Geisser)

Vor vielen Jahren habe ich beim FC  Hakoah (FCH) gespielt. Das ist ein jüdischer Fussballclub in der 5. Liga. Wahrscheinlich ist der FC Hakoah einer der schlechtesten Clubs in Zürich. Vor etwa zwanzig Jahren gelang ihm der Sprung in die 4. Liga. Für eine Saison.

Ich spielte beim FC  Hakoah fünf Jahre lang Vorstopper. Der Trainer verlangte, dass ich – dicker Klops – immer auf den schnellsten Gegenstürmer zurenne und ihn umhaue. Das gelang mir nur selten. Dafür schrien mich der Trainer und der Libero hinter mir 90 Minuten lang an. Wir verloren häufig zweistellig.

Jetzt hat der FC  Hakoah einen neuen Trainer: Francesco Carella. Der hat früher die U-21-Mannschaft des FCZ trainiert. Mit dem U-18-Team wurde er Schweizer Meister. Ich habe mir gedacht: Why the fuck trainiert so einer den FC  Hakoah? Die schöne Antwort: Der FCZ hat ein Herz für den FC  Hakoah. Das gilt auch umgekehrt. Die meisten Zürcher Juden sind FCZ-Anhänger. Vor zweieinhalb Jahren fand ein Freundschaftsspiel zwischen dem FCZ und dem FCH statt. Auf der FCZ-Website steht: «Ein Spiel, bei dem das Resultat Nebensache war.»

Jetzt muss ich etwas beichten: Ich habe noch nie ein FCZ-Spiel live geguckt! Es war mir halt immer zu kalt oder zu laut. Oder beides oder keins. Am Montag bin ich aber in den FCZ-Fanshop gegangen. Ich habe gesagt: «Guten Tag, ich will das günstigste Ticket für das Spiel FCZ – Xamax!» 20  Franken. Weil die Männer vor mir Small Talk mit dem Ticketverkäufer machten, habe ich mir auch eine dumme Frage überlegt: «Spielen die FCZ-Spieler mit Handschuhen?» – «Das ist unterschiedlich. Die einen tragen wegen der Kälte Handschuhe, andere Spieler laufen ohne Unterhosen auf.»

Keine Unterhosen? Ich bin noch nie ohne Unterhose bei der Arbeit erschienen. Höchstens, wenn ich von zu Hause gearbeitet habe. Bevor jetzt irgendwelche Unruhe entsteht: Beim Schreiben dieser Zeilen bin ich ordentlich angezogen.

Der Ticketverkäufer schob mir das Billig-Ticket zu und sagte: «Danke für die Unterstützung!»

Am Abend im Letzigrund. Ein Security-Mann fragt freundlich, ob ich Pyrofackeln dabeihabe. «Nein», entgegne ich höflich, «nur eine Kamera.» Dann bestelle ich einen Kafi Lutz. Er schmeckt eklig. Im Stadion ist es eiskalt. Mit klammen Fingern nehme ich meine Kamera und will die berühmte Südkurve fotografieren. Da kommt ein Leg-dich-nicht-mit-mir-an-Typ, sagt ruhig, aber bestimmt: «Sötsch nöd fötele!» Ich fahre zusammen. In der Religionsstunde habe ich Ähnliches schon einmal gehört: «Du sollst dir kein Bildnis machen!» Schüchtern frage ich, ob ich ein Foto von der Osttribüne schiessen darf. Der Riese nickt.

Ich schlottere. Kalt. Ich nahm mir vor, nach dem ersten Goal wieder zu gehen. Es kamen immer mehr Fans. Wir mussten blaue Blätter und Luftschlangen in die Höhe halten, so wollte es der Südkurve-Animator. Ich fand das ein bisschen Kindergarten. Andererseits wollte ich nicht auffallen. Anpfiff! Die Fans zündeten Pyrofackeln. Ich rang nach Luft. Oliver Buff schoss nach acht Minuten ein Tor. Riesenjubel. Wieder Fackeln. Schnell lief ich aus dem Stadion. Am Boden lagen Bier­flaschen und Papp­becher. Hopp FCZ!

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