Der Gast als Rohstoff

Gäste erst eine Stunde warten lassen und dann evt. abweisen: Das können sich nur Clubs leisten.
Das Nachtleben ist ein gutes Geschäft. Zumindest wenn man die Zahlen, welche die Bar- und Clubkommission BCK auf ihrer Page unter der Überschrift «BCK Wirtschaftsdaten 2014» veröffentlicht hat zur Rate zieht: Gemäss der Auswertung einer Stichprobe erwirtschaftete die BCK-Aktivmitglieder 2014 hochgerechnet rund 200 Millionen Umsatz mit durchschnittlich 74`615 Gästen pro Weekend und beileibe nicht alle Nightlife-Mitverdiener sind BCK-Aktivmitglieder.
Ein Chef einer Zürcher Eventagentur mit Partys in Lokalen wie dem Hiltl Club, dem Plaza, dem Nordportal oder dem Mascotte, jonglierte kürzlich auf Facebook mit beeindruckenden Zahlen: Mit 2,75 Events pro Woche, 143 verteilt auf das Jahr 2016, vermochten er und seine Mitstreiter unzählige Besucher anzulocken, die ihnen stattliche Summen in die Kasse spülen. Andere Veranstalter und Clubmacher verzichten auf die Veröffentlichung konkreter Zahlen und posten lieber Fotos der endlos langen Warteschlangen vor ihren Türen um ihren Erfolg zu unterstreichen.
Das Nachtleben ist ein elitäres Geschäft. Wie Lina Giusto in ihrem Beitrag in der Limmattaler Zeitung vom vergangenen Freitag schreibt, feiern «private» Clubs eine Renaissance. Member-Partys und -Clubs, die man nur besuchen kann, wenn ein goldfarbener Member-Anhänger am Schlüssselbund klimpert oder wenn man mit Namen auf einer Liste steht, erfreuen sich eines beeindruckenden Publikumszuspruchs. Andere Party- und Clubmacher setzen auf Mundpropaganda als einziges Promotionsmittel, wiederum andere auf eine harte Selektion an der Tür: Trägt man die falschen Hosen oder die falsche Jacke und hat man obendrein auch noch den falschen Haarschnitt auf dem Kopf, dann wird man vom Selekteur oder der Selekteurin freundlich aber bestimmt weggewiesen.
Kürzlich hat mich Lukas Strejcek, der Chefkoch des Restaurants Camino mit einer Aussage ordentlich aus dem Konzept gebracht. Er sei der Ansicht, dass der Tonfall, den das Nachtleben gegenüber seinen Gästen anschlägt, in der Gastronomie nicht möglich sei. Auf die Erwiderung das Nachtleben sei doch auch Teil der Gastronomie antwortete Strejcek: «Das ist ein anderes Paar Schuhe. Wir im Restaurantbereich können ja mal versuchen den Gast eine Stunde lang draussen in der Kälte stehen zu lassen, nur um ihm dann zu sagen, dass er wieder gehen kann weil er heute Abend nicht ins Gesamtbild passe. Aber wir wissen wohl beide wie das enden würde… Ihr seid auch Gastronomie, ja. Aber wir sind dennoch nur entfernte Verwandte».
Es scheint tatsächlich als ob im zeitgenössischen Nachtleben sehr oft vergessen wird, dass da tatsächlich ein «Gast» in Gastronomie versteckt ist, und dass das Nachtleben zum Wirtschaftszweig Gastronomie zählt. Selbst wenn das Elitäre und das Jonglieren mit Zahlen bei einer bestimmten Gruppe gut anzukommen scheint… wie denken wohl all jene darüber, die nicht zu dieser Gruppe gehören und was hat es für Auswirkungen auf das Nachtleben als Ganzes, wenn sich zu viele Leute ausgeschlossen oder zur Geldquelle degradiert fühlen?
Alex Flach ist Kolumnist beim «Tages-Anzeiger» und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Hinterhof, Nordstern Basel, Rondel Bern, Hiltl Club und Zukunft.
20 Kommentare zu «Der Gast als Rohstoff»
ich stehe nie für etwas an. weder für den einlass in einen club, noch für ein iphone… und ich stelle immer wieder fest, dass ich nichts verpasse, was irgendwie bedeutungsvoll sein könnte. zum thema «gast» sie die clubs nicht schlimmer, wie jene restaurants, wo man einen tisch nicht mehr für einen ganzen abend haben kann, sondern nur für die durchschnittliche dauer, die man zum runterschlingen des essens braucht. Ist mir in letzter zeit öfters passiert. wollte mit freunden spontan essen gehen, und es hiess, dass wir zwar einen tisch haben könnten, aber um 21 gehen müssten… weil er ab da schon wieder reserviert ist… hallo?!
Das Publikum verkleinert sich ständig da die neue Generation andere Interessen als Clubs hinterherlaufen (Netflix, Homeparties, Reisen) und es herrscht ein Überangebot an Clubs in Zürich momentan. Merkt man an einige altbekannten Clubs in Zürich mit einer Kapazität von 250-500 Personen. Die Clubs sind nun mehrheitlich mehr schlecht als recht besucht und dies trotz Hochsaison (Winter) .Die besagten Clubs spielen fortlaufend das gleiche Programm ab mit den gleichen Local Djs.Ob diese genannten Clubs in 1-2 Jahren noch überleben ist mehr als fragwürdig. 30 Fr. für lokale Djs als Eintritt zu verlangen und hohe Getränkepreise dazu sind immer weniger Leute bereit dazu.
Ziemlich tot momentan Supermarket und Fridas Büxe. Diese beide Clubs haben ihr Zenit längst überschritten. Lexy neuer Club hatte Startschwierigkeiten könnte noch was werden da neuer Club. Kauz schwankt auch extrem was Besucherzahlen angeht. Hive läuft aus welchen Gründen immer noch ziemlich gut.Revier ist geschlossen. Barbette viel Glück aber mit dieser extremer Grösse wird es extrem schwierig langfristig den Laden vollzubringen.Unzählige haben sich dort die Finger verbrannt.Klaus hat Glück mit der Location und der geringer Grösse. Momentan der Trendladen in Zürich was elektronische Musik angeht. Ansonsten leider weniger aber paar gute illegale Partys verfügbar.
Das Klaus hat einen beeindruckenden Lauf, ja. Aber zumindest was den Supermarket anbelangt… der hatte unter der jetzigen Führung schon zig Talsohlen zu durchlaufen und hat schon ebensoviele Höhen erlebt… der ist wetterfest. Es ist einfach tatsächlich nicht mehr wie in den 90ern mit ihrem krassen und künstlich aufrecht erhaltenen Unterangebot; Kellerloch mieten, Ghettoblaster reinschmeissen, Laden voll.
Ist der Zauber eines Clubs mal vorbei ist es schwierig wieder aus dieser Phase rauszukommen 😉 Clubber kennen da kein Erbarmen und das Resultat für einen Club ist verheerend. Über die Büxe geht schon länger ein Gerücht herum und um das Supi steht es auch nicht mehr zum Besten. Aber ja du hast Recht das Supermarket ist eine Ikone im Zürcher Nachtleben und die Macher sind Veteranen.Trotzdem wird es je länger je schwerer einen Club in Zürich rentabel zu bewirtschaft..Die Anhängerschaft, die Clubber entscheiden was aktuell ist und was nicht und diese wird mir jeder neuer Generation nicht grösser eher kleiner.Klaus hat das perfekte Glück vor allem bei den Jungen bis 25 sehr beliebt zu sein noch
Ist schon so; wenn man mal nicht mehr hip ist, ist es schwierig wieder aus der Ecke rauszukommen. Aber der Supi ist ja ein gutes Beispiel dafür, dass es geht: Plötzlich steht eine neue Clubbergeneration auf der Matte und die interessiert sich nicht mehr dafür, was ihre Vorgänger für hip gehalten haben und was nicht. 🙂 Ich denke die jetzige Situation ist nur eine Phase… die Clubs die am meisten richtig machen werden überleben, das Angebot wird sich der Nachfrage angleichen. Immerhin gehen die Leute ja nicht erst seit ein paar Jahren aus um zu tanzen und auch nicht erst seit den roaring 20’s: Es waren mal mehr, mal weniger, aber aus sind sie immer.
Der Trend geht hin zu weniger Clubs. Ist in ganz Europa ersichtlich in England und Deutschland ist ein Clubsterben im grosser Masse in Gange.Reihenweise machen renommierte Clubs dicht. Liegt an verändertem Verhalten der jungen Leuten. Die extreme Fixierung aufs Äussere und gesunde Lebensweise passen nicht mit Abstürze zusammen. Auch wird Tinder und andere Datingportale sowie soziale Medien eine grosse Schuld am Clubsterben mitgegeben. Es gibt nun mehrere Möglichkeiten der Kommunikation.Gibt darüber ausführliche Berichte in Englisch. Klaus funktioniert gut weil es ein neuer Club an guter Lage ist und mehrheitlich von homosexueller Kundschaft besucht wird und man sich dort als Schwuler wohlfü
Da bin ich unschlüssig… Basel hatte vor Kurzem noch ein „Clubsterben“ und jetzt ein Überangebot. In ZH gibt’s mehr als je zuvor… ich habe die Beobachtung gemacht, dass die Leute ein Closing viel, viel stärker wahrnehmen als eine Neueröffnung: Ein Club der geschlossen wird hat eine Community die aufschreit, ein neuer Club noch nicht. Deshalb ziehen Neueröffnungen viel weniger Aufmerksamkeit auf sich. Wenn eine Ikone wie die Fabric vor dem Aus steht kommt ein riesen Aufschrei. Aber inzwischen haben in London etliche Clubs eröffnet und niemand hier hat’s mitgekriegt. Weil die ja noch keiner kennen kann.
Was ich beobachte: Die Bars werden immer mehr zur Konkurrenz vom klassischen Club, da sie ein hybrides Angebot bieten. Der Übergang von Bar zum Club-Feeling mit DJ und reduzierter Beleuchtung ist fliessend. Bars haben keine Türpolitik, der Gast fühlt sich freier und der Flirt ist deutlich einfacher…
Die Bar 3000 ist da natürlich ein Paradebeispiel. Einzelne Clubbesitzer haben den Trend erkannt und haben sozusagen als Vorhut eine Bar installiert (Gonzo mit Fat Tony). Diese Umsatzdiversifikation ist gerade im K4 sehr wichtig, denn die hybriden Bars kassieren aktuell ab. Richtig reingelötet wird von 22.00-01.00…zu dieser Zeit sind viele Tanzflächen noch verwaist.
„22.00-01.00…zu dieser Zeit sind viele Tanzflächen noch verwaist.“
Hmmmm, ist mittlerweilen vllt auch ein Problem: Vor 20 Jahren war einfach alles Clubmässige vor 22 Uhr tabu (okeee, die ultracoolen waren auch dann nicht vor 1 Uhr im Club), aber schon vor Mitternacht waren die Clubs einigermassen bis sehr gut gefüllt. Und heute? Alles vor Mitternacht ist soooo dermassen uncool und unhip, dass die Clubs fast gezwungen sind, Umsätze, die früher im Laufe von 6-7h erarbeitet wurden, jetzt in 3-4h zu erwirtschaften…
Da fällt mir gerade ein Club ein, der sich um Dinge wie Coolness einen Deut schert und – glaubs – ziemlich gut unterwegs ist: X-tra…
„Ein gutes Geschäft“? Bei diesen Zahlen? 200Mio, resp. rund 4 Mio pro Wochenende/Woche, resp. rund 54 Stutz pro Rohstoff…äh Gast… und den Kuchen teilen sich wie viele Clubs…? Ausserdem sprechen wir hier von Umsatz und nicht von Gewinn… hüstelhüstel… kann’s nur wiederholen: Im Gastgewerbe ist nicht das grosse Geld zu holen.
Zum zweiten Thema: Ist halt Marktwirtschaft, Nachfrage bestimmt Angebot (wobei ich nicht verleugnen möchte, dass es die Ewigmehrbesseren gibt, die das Angebot künstlich verknappen). Überall, wo mehr wollen, als es gibt, bilden sich „Schlangen im Regen“.
Tststs… die 200 Millionen sind NUR die BCK-Mitglieder und das ist nur ein Bruchteil der 600+ Betriebe mit Nachtlizenz in Zürich… und da sind all jene (Taxigesellschaften, Hotellerie, ÖVs, etc.) die ebenfalls am Nachtleben mitverdienen nicht mitgerechnet. hüstelhüstel bringt nicht so viel, wenn man ganz offensichtlich nicht richtig gelesen hat. Ich find’s auch ein wenig schade, dass Du mit nach „in Stein gemeisselt“en Statements wie „kann’s nur wiederholen: Im Gastgewerbe ist nicht das grosse Geld zu holen“ kommst obwohl man auf Anhieb sieht, dass denen die Grundlage fehlt…
Oh ja, da haben Sie recht, bin davon ausgegangen, dass diese Zahlen repräsentativ sind und sich dementsprechend hochrechnen lassen (also dass es auch auf ungefähr 53.- pro Gast käme, wenn man alle Betriebeumsätze und alle Gäste zur Berechnung beiziehen würde).
Und meine Aussage „Im Gastgewerbe ist nicht das grosse Geld zu holen“ bezieht sich nicht (nur) auf diese Zahlen; aber auch hier lasse ich mich gerne eines Besseren belehren. So weit ich aber weiss, gibt es ganz wenige Besitzer/Arbeitgeber, die damit wirklich reich werden; und von den Arbeitnehmern in dieser Branche fange ich erst gar nicht an.
Guter Gedankenansatz. Es gibt in Zürich Clubs, die trotz grossem Ansturm an der Türe ein sehr freundlichen Umgangston anschlagen. Das wichtigste in der Gastronomie ist, tatsächlich von einem „Gast“ zu sprechen und nicht von einem „Kunden“. Der Gastronom ist damit „Gastgeber“ und nicht Lieferant. Man muss sich immer vergegenwärtigen, wie würde ich Freunde bei mir zu Hause empfangen? Keiner von uns würde privat seinen Gästen ein unsauberes WC, einen billigen Wein und Essen aus der Tiefkühltruhe zumuten. Hervorragende Arbeit leistet das Klaus, vielleicht trägt das Motto „von Freunden für Freunde“ zur guten Unternehmenskultur bei. Diese Kultur wäre noch an manch anderem Ort…
Auch als Clubgänger möchte ich mich wie ein Gast fühlen und nicht wie die Weihnachtsgans. Für dieses Feeling bezahle ich gerne astronomische Preise, den so stimmt auch die Leistung!
Dem kann ich nur zustimmen! Vom Türsteher über die Bar bis zur Garderobe…alle ausnahmlos sehr freundlich auf eine sympathisch, unaufdringliche Art! So geb ich mein Geld gerne aus.
Dafür fokussiert das Nachtleben gerne das »astronomie« in »Gastronomie« wenn es um die Preisgestaltung geht …
Wer in solche Clubs meint gehen zu müssen, ist wohl ziemlich blöd. Man kann solche Besuche vermeiden. Diese Clubs sind in aller Regel schlicht un einfach eine Abzocke, gegen die sich gewisse Rindviecher offenbar nicht wehren können oder wollen.
Parade-Beispiel diesbezüglich ist ja geradezu das HIVE: aggressive Türsteher, sehr teure Bierpreise, teurer Eintritt und fragt mal man (inkl. freundlich und mit einem bitte) nach einem Glas normalen Wasser mit einem (oder halt auch 2 Zitronenschnitz) drin (gab es früher im OXA immer sofort ohne zu zögern gratis), dann wird auch noch Geld verlangt oder in unfreundlichem Ton auf die Toilette verwiesen. Ich weiss, s’Hive hat es halt nicht nötig (von der Freundlichkeit her ähnlich wie die Xenix-Bar im Kreis 4) und ist voll der Underground-Club. Gastronomie u. Clubs haben rein gar nichts miteinander zu tun (ausser, dass sehr viele die Clubs neben dem Eintritt die teureren Getränkepreise haben).
@Hefti: ‚gruppenzwang‘ lautet hier wohl das erfolgsrezept. solange solche clubs ihre (künstliche) aura irgendwie aufrecht erhalten können, wird es auch genügend rindviecher geben die sich so herablassend behandeln lassen, weil sie halt unbedingt dazugehören wollen. ich habe nach meiner sturm- und drangzeit ziemlich schnell begriffen, dass ich mich auf andere art viel besser vergnügen und mein geld bei wirklichen geschäftsleuten, welche den gast noch als solchen behandeln, ausgeben kann.