Der Berg ruft und die Zürcher kommen

Partys in den Bergen sind Tourismusattraktionen.

Partys in den Bergen sind Tourismusattraktionen.

Dass das Alphorn in früheren Jahrhunderten von Alphirten zur Signalisierung ihres Standortes benutzt worden sei, ist im wortwörtlichen Sinn des Ausdrucks eine urban legend: Die Schall reflektierenden Bergwände verunmöglichen eine exakte Ortung. Trotzdem benutzten die Hirten das Alphorn damals als Kommunikationsmittel, beispielsweise um abends die Kühe von der Weide zu rufen oder um den Leuten im Tal oder den Kollegen von der benachbarten Alp Nachrichten zu übermitteln. Im Laufe des 20. Jahrhunderts verlor das Alphorn seine kommunikative Funktion und wurde immer mehr zur Folklore.

Schade eigentlich, denn etwas gepflegte Alphornkonversation hätte verhindern können, dass sich an diesem Wochenende gleich drei grosse elektronische Bergfestivals konkurrieren, das Polaris in Verbier, die Modernity in Davos und der Rave on Snow im österreichischen Saalbach-Hinterglemm.

Überall mittendrin statt nur dabei: Die Zürcher. In Verbier spielten, neben ausländischen Stars wie Richie Hawtin und Dixon, auch Alex Dallas und Kalabrese. An der Modernity wurde die Zürcher Szene von Patrischa vertreten und am Rave on Snow unter anderem von Animal Trainer. Da all diese DJs über eine stattliche Entourage verfügen, wurden dem Nachtleben-affinen Zürcher die hochalpinen Gruppenfotos am Wochenende gleich im Dutzend in die Filterblase gespült.

Die winterlichen Berg- und Pistenausflüge der Zürcher House- und Techno-Clubber haben Tradition. Waren es in den 90er Jahren noch mehrheitlich Trips verschworener Gruppen wie die Val Sinestra-Happenings bei Scuol im Engadin, so sind die Zürcher DJs und Clubber seit der Entdeckung der elektronischen Musik durch alpine Tourismusverantwortliche Teilnehmer an bisweilen riesigen Sausen, die Besucher aus der ganzen Schweiz und dem benachbarten Ausland anziehen. Und es scheinen jährlich mehr zu werden: Neben den drei genannten Berg-Raves gibt’s ja auch noch das Arosa Electronica, das Caprices in Crans-Montana und einige mehr.

Ob diese Partys zur Annäherung zwischen Berg- und Tal-Bevölkerung beitragen ist fraglich: Die Veranstalter legen bei der Bewerbung der Anlässe den Fokus auf die urbanen Regionen und von den Line Ups prangen die Namen von DJs und Clubmusikern, die dem Gusto von Städtern entsprechen. Und selbst wenn die für Aufruhr sorgenden Zürich-Hasskleber, mit denen vor ein paar Jahren ganz Davos verklebt wurde, von einem Schaffhauser mit spartanisch möbliertem Oberstübchen stammten, so wird die Abneigung der Bergbewohner ihren städtischen Eidgenossen gegenüber von diesen doch weiterhin gehegt und gepflegt – auch wenn die Tourismusverantwortlichen der Skigebiete nicht müde werden dies händeringend und mit aller Vehemenz zu dementieren.

Solange die Hirten keine Subwoofer den Hang hochschleppen um die Kühe mit Techno von der Weide zu rufen, bleiben diese Festivals was sie sind: Euphorisierende Tourismusmassnahmen für städtische Clubber, die auch in den Bergen ihrem primären Hobby nachgehen möchten, einfach ohne Hochnebel über dem Scheitel und besserer Luft in der Lunge.

alex-flach2-150x150-1-1Alex Flach ist Kolumnist beim «Tages-Anzeiger» und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Hinterhof, Nordstern Basel, Rondel Bern, Hiltl Club und Zukunft.

Kommentarfunktion deaktiviert.

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.