Kommerz-DJs als Einstiegsdroge

Soll Jugendlichen den Zugang zu guter, elektronischer Musik möglich machen: Guetta.
In den vergangenen Wochen fanden gleich zwei internationale, alljährlich durchgeführte und für das globale Nightlife wichtige Happenings statt, die Red Bull Music Academy (RBMA) im kanadischen Montréal und der Amsterdam Dance Event (ADE). Derweil an der alljährlich stattfindenden RBMA Workshops für Musiker und begleitende Konzerte im Zentrum stehen, ist die der ADE eine Mixtur aus Networking und Partys.
Der ADE bietet zudem den Rahmen für die Award Show der DJ Mag Top 100, eine Jahresrangliste der «besten» DJs weltweit.
Das Schweizer Echo auf die Publikation dieser Liste besteht traditionellerweise aus einem tosenden Online-Pfeifkonzert, begleitet von verächtlichem Kopfschütteln des Nightlife-Kollektivs: Nicht wenige Clubber sind der Ansicht, der künstlerische Output der in den aktuellen DJ Mag Top 100 geführten DJs wie Martin Garrix, Dimitri Vegas & Like Mike und Oliver Heldens wirke sich ähnlich positiv auf ihre Lebensqualität aus wie seinerzeit die zehn biblischen Plagen auf jene der Ägypter. Da das Gros der privaten Radiosender in diesem Land ebendiese DJs für das who-is-who der Clubmusik hält gibt es kaum ein Entrinnen, ausser man weicht auf Kleinsender wie gds.fm oder Kanal K aus.
Insbesondere die urbanen Clubmacher und Veranstalter haben für den Grossteil der Exponenten der Top 100 des DJ Mag nur Hohn und Spott übrig: «Kommerzler», «Drop-Fritzen» und «Kindergeburtstagsvertoner» sind noch die schmeichelhafteren Spitznamen für Guetta und Konsorten. Das DJ Mag gilt als die BRAVO für Clubmusik-affine Kids, einfach ohne Dr. Sommer-Kolumne und Fotolovestory. Erwachsene lesen die Groove oder den XLR8R. In logischer Konsequenz spielen diese DJs in der Schweiz keine Rolle und nur ganz wenige der hiesigen Clubs buchen bisweilen DJ Mag Top 100-Jockeys.
Jedoch: Wer die Teenager hat, der hat das Geld. Folgerichtig sind, mal abgesehen von den paar schwarzen Schafen, die sich mit unlauteren Methoden in dieses Publikums-Ranking mogeln (vor ein paar Jahren hat sich auch eine Schweizerin namens Miss Diamond einen Platz in den Top 100 erschlichen), in dieser Hitparade die Grossverdiener unter den Plattenlegern zu finden. Ihre Gagen erreichen Beträge, die sich durchschnittlich grosse Clubs, und die Schweiz besteht aus durchschnittlich grossen Clubs, niemals leisten können – ein Guetta spielt hier im Hallenstadion und nicht in der Disco.
Dies macht diese «Kommerzler» zum Humus auf dem künftige Clubber gedeihen, sie sind für Millionen Kids der erste Kontakt mit elektronischer Musik. Und wer kann schon von sich behaupten, sein Musikgeschmack sei im Alter von 17 Jahren bereits voll entwickelt gewesen… Man hört die Hitparade und das, was die Klassenkameraden hören. Erst in den 20ern entdeckt man seine finalen Vorlieben. Subkulturelle Elektroniker sind den Teenagern nicht zugänglich genug, sie brauchen einen Einstieg in diese Welt. Diesen bieten ihnen Dimitri Vegas & Like Mike und anstatt sie nur zu schmähen, könnte man auch mal „danke für den Nachwuchs“ sagen.
Alex Flach ist Kolumnist beim «Tages-Anzeiger» und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Hinterhof, Nordstern Basel, Rondel Bern, Hiltl Club und Zukunft.
5 Kommentare zu «Kommerz-DJs als Einstiegsdroge»
Iiih, Kanal K. Bitte umsteigen auf Radio X.
Stimmt. Radio X gehört da auch noch rein. Ein Hoch auf Danielle! Aber was spricht gegen Kanal K?
das ist doch mit fast ziemlich allen musik-awards dasselbe: die ‚gewinner‘ repräsentatieren nur in ganz wenigen ausnahmen auch die wirklichen könner/künstler. es geht vielmehr um von marketing-heinis durchstudierte ‚konzepte‘, wie man diesen schrott am besten vermarkten kann. m. e. sollten ebendiese marketing-heinis die awards bekommen, nicht die vorgeschobenen ‚künstler’…..
das ist doch mit ziemlich allen musik-awards dasselbe: die ‚gewinner‘ repräsentatieren nur in ganz wenigen ausnahmen auch die wirklichen könner/künstler. es geht vielmehr um von marketingheinis durchstudierte ‚konzepte‘, wie man diesen schrott am besten vermarkten kann. m. e. sollten diese marketing-heinis die awards bekommen, nicht die vorgeschobenen ‚künstler’…..
Und der Standesdünkel ebenso… Dass (hohe) Kunst und Kommerz immer gegenpolige Begriffe sein müssen, und kein sowohl-als auch drinliegt, finde ich sehr schade…