Zu viel Spielzeug

In der Schweiz gibt es viel mehr Spielzeug als Kinder, die Spielzeug brauchen. Gleichzeitig bringen wir es nicht fertig, alte Spielsachen wegzuwerfen.
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Übers Wochenende musste ich aufräumen. Berge von Sachen haben sich im Keller aufgehäuft, ­Kinderwagen, alte Velos, ein Gestell mit Videokassetten, Plüschtiere, Lampen, Körbe, Toaster, Vasen, Schuhe, Tennisschläger, Lastwagen aus Plastik, Puppen aus Plastik, Fotobücher, eine Garage aus Lego, gut er­halten. Ich hatte Abfallsäcke bereit, um die Ware abzufüllen, aber ich brachte es nicht übers Herz. «Fortschritt bedeutet immer auch Tod», sagte ich mir, aber die Vorstellung, das kleine, fette Lieblingsschaf der Kinder geschreddert zu sehen, machte mich fertig.

Ich fragte das Internet, was zu tun sei. «Spielzeuge entsorgen», schrieb ich, und mir wurde klar, wie gedankenlos ich bis jetzt durchs Leben gegangen bin. Vielleicht bin ich blöd, vielleicht habe ich das ganze Problem meiner Frau überlassen, auf jeden Fall habe ich mich bisher nie wirklich gefragt, was mit den Bergen von Spielsachen geschehen soll, die wir kaufen, überhaupt mit dem ganzen Ramsch, den unser Leben zurücklässt.

Die rote Briobahn kann ich ja be­halten, dachte ich. Vielleicht macht es die Kinder glücklich, wenn sie irgendwann ums Jahr 2040 herum auf die Schachtel stossen werden. Es heisst doch, was schön ist, hat einen ewigen Wert. Aber was ist schön? Bloss Holzspielzeuge? Oder auch der orange Kipplaster aus Plastik? Das rot-blaue Feuerwehrauto? Der Operationstisch auf Rädern in Weiss und Türkis? Die Wasserbahn mit der Schleuse? Made in China. Der Tag wird kommen, an dem die Sachen Kult sind.

Was ist mit den armen Kindern? Den Flüchtlingen? Es muss doch eine Stelle geben, wo man Spielsachen hinbringen kann! Ich erinnerte mich an meine ersten Weihnachten in der Schweiz, wenige Wochen nach unserer Flucht aus Ungarn, Winter 1956, wir waren in der Kaserne Walenstadt untergebracht, und alle Kinder erhielten ein Weihnachtspaket, es lag unter dem grossen Christbaum. Bloss meines hatten die braven Soldaten verwechselt, ich erhielt eine Puppe statt des Blechautos, aber das ist eine andere Geschichte. Und noch in derselben Nacht trieb die Armee ein Ersatzgeschenk auf, wahrscheinlich war alles bei Schweizer Familien gesammelt worden.

Ich arbeitete mich also durch Blogs und Foren, auf der Suche nach einem Ort, wo ich die Spielsachen hinbringen kann, bis mir klar wurde: Dieses Land hat seit langem ein Problem. Wir sitzen auf einem Berg von gebrauchten Spielsachen, das Verhältnis von Angebot und Nachfrage ist völlig schief. Waren gibt es genug, aber immer weniger Bedürftige, die etwas brauchen. Das ist die traurige Wahrheit.

Die Sammelstellen werden sicher überrannt, dachte ich entmutigt. Immerhin, die Caritas nimmt in ihrem Secondhandladen am Viadukt gut erhaltene Spielsachen entgegen. «Der Gewinn fliesst in die Arbeit von Caritas Zürich und kommt Hilfsbedürftigen im Kanton Zürich zugute», heisst es.

Das Angebot der Caritas nehme ich gerne an. Aber erst versuchen wir unser Glück auf dem Kanzleiflomi. Nächsten Samstag stehen wir früh auf. Wir verkaufen nur Spielzeuge, ein Fachgeschäft, sozusagen. Echte Spezialisten. Vielleicht entdecken Sie uns, wir werden Ihnen einen guten Preis machen.

Ein Kommentar zu «Zu viel Spielzeug»

  • Meinhard Stäheli sagt:

    Kanzleiflohmi, Ihr Ernst? Leben Sie im 1995? Heuzutage hat es dort am Samstagmorgen nur noch Zigeuner, die Berge von Kleidern anbieten.

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