Der etwas andere One Night Stand

Nach der Bachelor-Party ist nun auch die Zukunft ins Kaufleuten gekommen.
Von Samstag auf Sonntag kam es im Kreis 1 zu einem One-Night-Stand, der auf eine Weise hätte ausgehen können, wie es schon Viele erlebt haben: Am Morgen danach ist man froh wenn der Andere geht und wenn man der Andere ist, dann atmet man erleichtert auf wenn man endlich die Türschwelle überschritten und die frische Morgenluft betreten hat.
Gemeinsames Frühstück? Danke, aber nein danke. Man hat zwar die Zigaretten und das schöne Zippo-Feuerzeug oben vergessen, aber dafür nochmal in diese Wohnung hoch? Das ist es nicht wert.
Das Stelldichein von dem hier die Rede ist war jedoch keineswegs das Ergebnis zügellosen Alkoholkonsums und dem damit einhergehenden Wunsch nach dem Austausch von Körpersäften, sondern eines mit Konzept und akribischer Planung: Der Club Zukunft hat im Kaufleuten eine Future Is Now-Party ausgerichtet, mit kompromisslosem Line Up samt Artisten wie John Talabot, Roman Flügel und Mano Le Tough an den Turntables.
Es war ein seltsamer Anblick: Die anwesenden Zukunft-Gäste, die sich wohl einen ziemlichen Schubs haben geben müssen, um an diese Kordel zu stehen, mischten sich mit Kaufleutenvolk, das wohl einen Moment gebraucht hat um zu begreifen, was da in seinem Club vor sich geht. Wer zu welcher Gruppe gehörte konnte man leicht feststellen: Die einen investieren den halben Abend ins perfekte Ausgang-Styling, die anderen greifen sich das Oberste vom Klamottenstapel, stülpen es über und schmeissen sich aufs Fahrrad.
Es ist kein Geheimnis, dass diese beiden Szenen nicht viel voneinander halten: Langstrasse- und Zürich West-Clubber haben für die Kreis 1-Schickimickis nur Verachtung übrig und diese wiederum kennen die andere Seite der Zürcher Nacht nicht und interessieren sich auch nicht für sie. Es liegt ein tiefer Graben zwischen ihnen und die Brücken sind längst morsch geworden und in den Abgrund gefallen.
Dass dieses Rendezvous zwischen Zukunft und Kaufleuten zustanden kommen konnte liegt daran, dass die jeweiligen Clubmacher einer Zeit entstammen, in der es den erwähnten Graben noch nicht gab. Damals, tief in den 90er Jahren, existierten nur eine Handvoll Clubs und die wurden von allen frequentiert.
Es war ein Gütesiegel für ein Lokal, wenn der Punk an der Bar mit dem Banker getrunken und gelacht hat, derweil der DJ frisch von der Leber Songs aus Genres zusammenmixte, die heute als unvereinbar gelten. In den Anfangszeiten des zeitgenössischen Clubbings gab’s zwar auch bereits Grenzen zwischen den nach Musik unterteilten Szenen, jedoch waren das damals kleine Gartenzäune mit weiss gestrichenen Holzlatten über die hinweg gutnachbarschaftlich geplauscht werden konnte und nicht die mit Stacheldraht bewehrten Mauern von heute.
Nach einer kleinen Weile hatten die Zukünftigen ihre Kaufleuten-Aversionen vergessen und die Kaufleuten-Gäste ihre Irritation wegen des ungewohnten Sounds überwunden. Und siehe da: Es hat funktioniert. Sie alle haben getanzt und sich von der Musik treiben lassen und zwar als wär’s nie anders gewesen. Und wenn man die alten Zeiten selbst noch kennt, dann hat man sich gefragt, warum solche Begegnungen nicht öfter stattfinden.
Alex Flach ist Kolumnist beim «Tages-Anzeiger» und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Hinterhof, Nordstern Basel, Rondel Bern, Hiltl Club und Zukunft.
4 Kommentare zu «Der etwas andere One Night Stand»
Natürlich schaute man überall vorbei; aber doch schon damals mit einem gewissen Standesdünkel – wenn auch nur gespieltem 🙂
Wobei, so ein Palais goes Roxy ONS hätte ich gerne erlebt…
Ich denke, dass man die Clubs selbst und die Veranstalter für den Graben verantwortlich machen kann. Klingt ganz danach, als wäre man früher nicht so willkürlich von den netten Herren am Eingang abgewiesen worden, da es „nicht passt“. Dazu Kommt der ganze Kommerz in all diesen Klischee Schicki-Micki Events in unseren Zürcher Edelschuppen. Es gibt mittlerweile zwei Arten von Partygängern in Zürich.. Die einen fokussieren sich auf die Musik, während die anderen sich lieber mit Prosecco in ihren Lounges ihren Lifestyle schöntrinken. Das Angebot in der Zürcher Clubszene lässt da wenig Spielraum, um diese zwei Welten zu mischen und der Graben ist zu tief, um das wieder zum Alten umzukehren….
Die Zukunft und das Kaufleuten haben eben bewiesen, dass das doch geht. Klar… allzu oft dürfte sowas nicht funktionieren… aber bisweilen, um immer wieder mal eine gemeinsame Schnittmenge herzustellen um die Neugier der Leute auf die andere Seite zu wecken…. Auch weil Du in einem Punkt sowas von recht hast; die Clubs haben den Graben zu einem grossen Teil selbst gegraben. Dann finde ich es ganz gut, wenn sie sich jetzt ans Graben überbrücken machen, auch im eigenen Sinne und um sich Leute zu erschliessen, für die sie was sein könnten und die bis anhin einfach kein Türchen zu ihnen gefunden haben, das ihnen zeigt was bei ihnen abgeht
„Es ist kein Geheimnis, dass diese beiden Szenen nicht viel voneinander halten: Langstrasse- und Zürich West-Clubber haben für die Kreis 1-Schickimickis nur Verachtung übrig und diese wiederum kennen die andere Seite der Zürcher Nacht nicht und interessieren sich auch nicht für sie.“
Welche der beiden Parteien sind nun Ewiggestrige, Linkspopulisten, Reaktionäre, Aluhutträger, Wutbürger und SVP-Wähler? Beide? Und wer ist die unsichtbare Hand? Na gut, der (pädagogische) Markt wirds richten….