Die herablassenden Geheimniskrämer

Unsere Angestellten.

Unsere Angestellten.

Offenbar hat die Stadtregierung wieder mal vergessen, für wen sie arbeitet. Es ist eine unrühmliche Tradition, dass der Stadtrat – also unsere Exekutive – Berichte und Unterlagen, die ein ungutes Licht auf einzelne Departemente werfen könnten, zur «Geheimsache» erklärt. Zuletzt so geschehen im Müllskandal, bei dem einer von Filippo Leuteneggers Mannen 15 Millionen von unserem Geld mehr oder weniger in die Müllverbrennung kippte.

Ich weiss nicht, was in diesem Fall genau schiefgelaufen ist. Ich weiss es nicht, weil der Bericht der Finanzkontrolle, die Administrativuntersuchung und der Abschlussbericht des Stadtrates, also eigentlich alles, als «geheim» eingestuft wurde. Offensichtlich geht es uns, Bevölkerung und Medien, nichts an, was in unserer Stadt schief läuft.

Ich verstehe ja, wenn der Bund Unterlagen mit Relevanz für die Staatssicherheit zur Geheimsache erklärt. Wenn eine Stadtregierung den Steuerzahlern aber interne Vorgänge, in erster Linie Untersuchungen zu eigenen Fehlern, vorenthält, ist das für mich nicht nachvollziehbar.  Da fühl ich mich nicht für voll genommen. Es besteht keine Notwendigkeit, solche Sachen unter dem Deckel zu halten. Im Gegenteil, das untergräbt das Vertrauensverhältnis zwischen Regierung und der Bevölkerung.

Wir sind keine kleinen Kinder, die man vor der Wahrheit beschützen muss. Wir sind der Boss. Wir bezahlen die Löhne, die Infrastruktur und wir vergeben die Chefposten.  Die Regierung ist niemandem ausser uns, dem Stimmvolk, Rechenschaft schuldig. Wenn Untersuchungsberichte zu Fehlverhalten in unserer Verwaltung «Geheimsache» werden, dient das nicht der Stadt, dem Bürger oder der Sicherheit, es dient einzig und allein dem Selbstschutz der Departementvorsteher, deren Teams und der Vernebelung der Vorgänge.

Natürlich gibts noch parlamentarische Untersuchungskommissionen aus dem Gemeinderat. Die sollen dann – stellvertretend für uns – solche Sachen anschauen. Aber wenn wir uns die Stadtpolitik genauer ansehen, finden wir ein eng vernetztes Beziehungssystem von Parteien und Politikern, deren Mitglieder sowohl den Interessen der eigenen Parteien wie auch den Deals mit den anderen Parteien (wir helfen euch da, dafür unterstützt ihr uns hier) verpflichtet sind, oder sich gegenseitig aus politischen Gründen Steine in den Weg legen.  Und da die Berichte geheim bleiben, können wir von aussen nur schlecht einschätzen, was bei diesen Kommissionen dann herauskommt.

Wir haben das Recht, solche Vorgänge anschauen zu dürfen, und das, ohne erst darum kämpfen zu müssen. Wir sind keine willfährigen Idioten, die nur Geld und Auftrag geben, ohne Einblick zu bekommen.

Liebe Stadtregierung,

erinnert euch doch bitte mal daran, für wen ihr arbeitet. Es ist nicht eure Verwaltung, es ist auch nicht euer Gremium, es sind nicht eure Parteien.

Wir sind der Boss.

21 Kommentare zu «Die herablassenden Geheimniskrämer»

  • Hans Hegetschweiler sagt:

    Ich bin überzeugt davon, dass der Leiter von ERZ weder sich selber bereichert noch 15 Millionen in den Sand gesetzt hat, einfach, weil ich ihn kenne und weiss, dass er zwar ein Haudegen,aber eine integre Persönlichkeit ist, die das beste für ERZ herausholen will. Die Erklärung liegt wohl darin, dass er manchmal Entscheidungen trifft, die in einem Gemeinwesen höherenorts zu treffen wären. Dafür habe ich aber ein gewisses Verständnis.

    Natürlich kann ich dies nicht beweisen und natürlich hat Herr El Arbi recht, dass solche Sachen eigentlich transparent kommuniziert werden sollen, auch im Interesse der Betroffenen. Das kommt aber sicher noch, wenn der Gemeinderat die Sache behandelt hat.

  • E. Meister sagt:

    Dazu gehört auch, dass sich die Stadt die Baubewilligungen selber erteilt, z.B. an von ihr beherrschte Einrichtungen,wie die Kongresshausstiftung, die allein die Stadt kontrolliert. Die können alles machen, keine Ausstandsbesetimmungen, nichts. Die Stiftungen dienen der öffentlichen Hand häufig dazu die Herrschaftsverhältnisse zu verschleiern, und sich Steuervorteile zu verschaffen. Alle schweigen. Der Zürcher Stadtrat ist eine erweiterte Parteizentrale der SP und deren zugewandte Orte.

  • Roger Liebi sagt:

    Es ist der Stadtrat, der immer häufiger Berichte jeglicher Art als geheim erklärt. Jedes Kommissionsmitglied untersteht dem sogenannten Amtsgeheimnis gem StGB. Da Parlamentarier der Stadt Zürich nicht vereidigt sind und auch keine Immunität haben, ist es nicht möglich, diese Vertuschungstaktiken der Regierung zu bekämpfen. Oftmals allerdings werden die Kommissonen gefragt, ob man mit der Geheimhaltung einverstanden sei. Ich habe mich bisher in 95% der Fälle dagegen ausgesprochen. Die Kommentatoren haben recht: wir müssen uns der Transparenz und dem Öffentlichkeitsprinzip verpflichten. Als Gemeinderäte sind wir natürlich mit dem Parteibuch im Rat aber noch mehr der Bevölkerung verpflichtet.

  • Jürg sagt:

    Du kannst die Herausgabe über das Öffentlichkeitsgesetz verlangen. Dauert etwas, wird aber funktionieren.

  • hans sagt:

    ich finde, Sie haben zwar recht, aber ich glaube, in der reichen schweiz, wo sowohl der grösser werdende reichtum und die grösser werdende armut so gut versteckt werden, interessiert so etwas niemanden (natürlich solange es ihn nicht wirklich betrifft – na gut, betrifft es ihn, wird er versteckt usw).

  • tststs sagt:

    Ich bin in der Sache ganz bei Ihnen, aber die Begründung “ Die Regierung ist niemandem ausser uns, dem Stimmvolk, Rechenschaft schuldig.“ gehört an den Albisgüetlistammtisch…

  • Maiko Laugun sagt:

    „Wir sind der Boss“

    Ca. 90% der Bürger – inkl. die Staatsangestellten selbst (!) – sind keine Netto-Steuerzahler; kosten den Staat also mehr als sie ihm zahlen. Deshalb fühlt sich die Regierung (auch auf Bundesebene) den ca. 10% verpflichtet, vor allem auch für die Karriere danach.

    Ab gewissem Level sipielt das Parteibuch keine Rolle mehr. Die Protagonisten missbrauchen die eigene Partei für die pers. Karriere.

    Genau aus diesen persönlichen (!) Gründen vertuschen sie Missstände. Dem Heer an Beamten ist das bekannt. Die nutzen das aus.

    Missstände sind in jedem Falle laut anzuprangern!

  • geezer sagt:

    politik ist und bleibt eben das dreckgeschäft, welches sie schon immer war.

    • Philipp M. Rittermann sagt:

      nun. ich kann mich vage an zeiten erinnern, wo gewählte volks-vertreter sich auch wirklich noch zu einem teil für die bürger und deren anliegen eingesetzt haben. spätestens seit unserer ach-so-hochgelobten-globalisierung… *würg“ – entschuldigung – hat sich das blatt hin zum reinen lobbyismus gewendet. die linke will unbedingt in die eu (armut für alle), und die bürgerlichen ziehen dem mittelstand die fränkli aus der tasche. da kann ich also schon verstehen, dass sich viele junge für den scheiss nicht interessieren.

      • geezer sagt:

        werter Rittermann: es mag so gesehen vor ein paar jahrzehnten (vorübergehend) schon noch etwas besser gewesen sein als heute. aber das ändert auch nichts an der tatsache, dass von der antike über’s mittelalter bis hin zur neuzeit der grossteil der politiker sich selbst am nächsten stand, resp. steht. wasser predigen und wein trinken war schon immer eine der grössten fertigkeiten dieser gilde.

      • AlfredFrei sagt:

        Du kaust Vorurteile und Plattitüden wieder, die deshalb nicht wahrer werden. Die Globalisierung wurde nicht von unsern Politikern erfunden, sondern ist eine direkte Folge der erhöhten Mobilität Wir Westler gehören zu denen, die am meisten von ihr profitieren. Lobbyismus war früher Vetternwirtschaft und glaub mir, es war früher viel viel schlimmer als heute. Die Aufgabe der Stadtregierung ist ja, zu schauen, dass in unserer Stadt der öffentliche und proivate Verkehr läuft, dass jedes Kind einen Schulplatz hat, dass der Abfall entsorgt wird und wir frisches Wasser und Elektrizität haben etc und das klappt ja trotz dieses Skandals eigentlich recht gut.

    • tststs sagt:

      Bitte schliessen Sie nicht von der nationalen Legislative aus die gesamte Politik… es gibt durchaus auch noch Leute, die sich für das Gemeinwohl einsetzen… Okeeee, ich gebe zu, IMHO sind diese je länger je mehr nur noch in der Exekutiven zu finden…

  • M.Schneeberger sagt:

    Es hat aber seltsamerweise Jahre gedauert bis endlich jemand mal richtig hinschaut und die „Geheimnisse“ (wohl eher Missstände) versucht aufzudecken! Fragt sich nur, weshalb traute sich bis anhin keiner? Genau, das Volk ein ein Recht zu erfahren, was da in der Stadtverwaltung alles so verschwiegen, gedreht und unter den Teppich gewischt wird. Herr Leutenegger macht das super – und als Stapi wird er sicher auch noch den Rest aufdecken – Mut, Elan, Durchhaltevermögen das nötigen Riecher hat er auf jeden Fall…!

    • Réda El Arbi sagt:

      Öhm, Herr Leutenegger hat gerade seine Fälle als geheim einstufen lassen.

      • Philipp M. Rittermann sagt:

        jaja. das ist ganz der stil unserer „liberalen…..“. man nimmt vom volk und gibt es den seinen. die vertreter/innen der fdp waren und sind die „weer häts erfunde“ der vetterliwirtschaft. da sind die sozis ja noch ehrlicher.

  • Philipp M. Rittermann sagt:

    ach herr el arbi. sie unermüdlicher idealist, sie. die politiker/innen von hüben und drüben verkommen länger je mehr zu „interessenvertretern in eigener sache“. man huldigt der lobby und bereichert sich selbst. die bürger in ihrer funktion als „manövriermasse“ und wasserträger haben brav und kritklos zu spuren und dürfen ihrer rolle als milchkühe gerecht werden. und solange wir nicht endlich unsere bequemlichkeit und unsere existenzängste überwinden, wird das spielchen auch munter so weitergehen. meines erachtens müsste die class politique abgeschafft werden. aber eben. mit einer durchschnittlichen stimmbeteiligung von rund 40%… – sind wir selber schuld. es geht uns (noch) zu gut.

    • Dave Durner sagt:

      Ich arbeite für eine dieser Lobbys. Wär schön, wenn uns mal gehuldigt würde. Fänd ich echt cool.

      • Philipp M. Rittermann sagt:

        lassen sie mich spekulieren, herr durner. economiesuisse? – oder noch verlogener die avenir suisse? – der vermeintlich äh…unabhängige äh think…tank – gesponsert aus der kafi-kasse der konzerne? also. falls dem so wäre, werter herr durner – wundern sie sich wirklich, ob fehlender huldigung? das ist ja schon fast wieder witzig. keep on tryin‘.

      • Philipp M. Rittermann sagt:

        ah ja. „pro-velo.“ nun ja. das ist ja harmlos und sie vertreten ihre anliegen ehrlich – das hebt sie wohltuend ab von den einschlägigen gekauften wirtschafts-verbänden, welche systematisch den bürger belügen! gut, ich bin ja eher „pro suv…“ – aber leben und leben lassen! 🙂 radeln sie gut.

    • tststs sagt:

      „mit einer durchschnittlichen stimmbeteiligung von rund 40%…“ Und auch da sage ich: Gottseidank… Je höher die Stimmbeteilung, desto kruder die Resultate…

    • Chris sagt:

      wo er recht hat, hat er recht:
      „mit einer durchschnittlichen stimmbeteiligung von rund 40%… – sind wir selber schuld. es geht uns (noch) zu gut.“

      und das Wahlvieh, sorry „die StimmbürgerInnen“ vergessen leider zu schnell, obwohl die ganzen Inszenierungen immer ähnlich ablaufen

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