Supermarket: Eine Institution wird erwachsen

Schon einige Generationen Clubber standen hier für eine vergnügliche Nacht an. (Bild: tilllate.ch)

Der Club an der Geroldstrasse 17 ist jetzt 18. (Bild: tilllate.ch)

Jetzt ist er also doch noch volljährig geworden, der Supermarket. Lange Zeit und immer wieder einmal musste man fürchten, dass die Stadtverwaltung an der Geroldstrasse die Bagger auffahren lässt um dem kleinen, weissen Backsteinhaus den Garaus zu machen.

Letztmals mussten die Freunde des Clubs um ihr zweites Zuhause fürchten, als sich die Obrigkeit in den Kopf gesetzt hatte ebendort ein neues Kongresshaus hochzuziehen. Das Land, auf dem das Hive steht, hatte sich die Stadt einverleibt und die Betreiber des Cabaret Clubs waren in Erwartung des Unausweichlichen von dannen gezottelt. Doch dann durchkreuzte Dr. Georg Mayer-Sommer, dem ein Grossteil des Areales zwischen Geroldstrasse und Geleisen gehört, die Kongresshauspläne, indem er sich weigerte der Stadt sein Land zu verkaufen.

Man kann Mayer-Sommer nicht genug danken. Nicht bloss als Clubber (Hive, Supermarket und Helsinki), als Sommerfrischler (Frau Geroldsgarten), als Geniesser mit Faible für urbane Gastronomie (Rosso, Gerolds-Chuchi und Gaul) oder als Badminton-Spieler (Yonex Badmintonhalle), sondern auch als Stadtzürcher ganz generell: Die Geroldstrasse ist das Herz von Zürich West und würde es nicht schlagen, dann wäre die Gegend nach Geschäftsschluss bloss noch ein gigantisches Beispiel für städteplanerische Rücksichtslosigkeit aus Glas und Beton.

Zur Veranschaulichung braucht man nur etwas später am Abend von der Hardbrücke Richtung Technopark und weiter zu schlendern. Bereits auf dem grossen Turbinenplatz hinter dem Schiffbau und beim Puls 5 ist man versucht «Hallo? Ist noch jemand da?» zu rufen. Das ist kein Platz, das ist eine Platzverschwendung. Geht man weiter wird’s nicht besser: Nach dem Technopark ergreift den Nacht-Spaziergänger gar ein leichter Verfolgungswahn und man kann nachvollziehen, wie sich Will Smiths Charakter in «I Am Legend» im ausgestorbenen New York gefühlt haben muss.

Alles Leben abseits des geschäftlichen strebt in Zürich West zur Geroldstrasse hin. Auch die Nightlife- und Kulturbetriebe, die nicht direkt an ihr liegen, sind von ihr abhängig. Würde noch jemand für den 4. Akt, die Aya Bar, das Aubrey, das Hard One, das Les Halles oder das Big Ben an die Hardbrücke fahren, wenn an der (bereits jetzt lärmgebeutelten) Langstrasse doch viel mehr los ist? Selbst die riesigen Räumlichkeiten des Schiffbau (Theater) oder der Maag Music Hall (Konzerte und Musicals) könnten ihren Verlust nicht lindern, da diese Betriebe über keine Laufkundschaft verfügen. Dort fährt man hin, besucht eine Vorstellung und fährt dann wieder weg.

Das alles macht den 18. Geburtstag des Supermarket zu mehr als einem blossen Club-Jubiläum. Der Supermarket ist länger dort aktiv als alle anderen Nachtbetriebe, er ist die Konstante in einer Gegend, die sich in den vergangenen 15 Jahren grundlegend verändert hat und das nicht nur zum Guten. Der Club von Jean-Pierre Grätzer und Sandro Bohnenblust ist durch seinen steten Kampf gegen das Verdrängtwerden zum Mahnmal geworden: «Wenn man mir die Lichter auspustet, haucht Zürich West sein Leben aus». Happy Birthday!

Alex-Flach2-150x150 (1)Alex Flach ist Kolumnist beim «Tages-Anzeiger» und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Hinterhof, Nordstern Basel, Rondel Bern, Hiltl Club und Zukunft.

8 Kommentare zu «Supermarket: Eine Institution wird erwachsen»

  • Fiorenzo Cornelius Wagner sagt:

    Dieses Areal ist praktisch das einzige in der Gegend verbliebene, das noch so etwas wie den Charme des Unperfekten auszustrahlen vermag. Ob dabei 12’000 Besucher, wie Gysi behauptet, täglich dahin strömen, ist für diese Bestandsaufnahme unerheblich. Es spricht auch nicht zwingend im positiven Sinn etwas für eine Gegend, nur weil es dort besonders viele Leute hinzieht. Tatsächlich sehe ich im Totalumbau des gesamten Gebiets seit Mitte der neunziger Jahre keinen Grund für eine wohlwollende Beachtung. Überall dort, wo sich Dinge im Umfeld des ehemaligen Industriekontextes einst spontan entwickelt hatten, herrscht heute weitgehend sterile Gehobenheit.

  • hans ulrich schwyzer sagt:

    der beste club an der geroldstrasse war und wird immer das spidergalaxy (gewesen) sein, meilen vor ug bzw. laby-provisorium. getoppt in der zeit höchstens noch vom birchermüesli oder dem aera. das supermarket kam mir hingegen immer etwas wie ein ableger vom oxa oder sensor vor. shikki mikki ist aber noch cool.

  • Christoph Gysi sagt:

    Ja, der Alex Flach und seine Club PR Sülze, bezahlt von Tagi und den Clubs. Zürich West Bashing ist eigentlich schon längst vorbei, denn es strömen täglich durchschnittlich 12’000 Besucher gegen Abend ins Quartier. In die Clubs gehen davon 7%, Kultur schauen sich 24% an und in die Restaurants/Bars gehen 31%, zum Shopping kommen 16%, die Hotelübernachtungen generieren 10% davon. Die Lokalitäten sind gut ausgelastet und die Kunden sind heute eher zahlungskräftiger als die Besucher von Clubs.Dieser Mix aus Geroldstrasse mit Clubs, Prime Tower, Toni Areal und weiteren interessanten Nutzungen auf städtischen Zwischennutzungsarealen wird auch in Zukunft funktionieren.

    • Alex Flach sagt:

      Yep; ich mache PR Herr Gysi. Nach all den Jahren dürften das nun alle wissen (steht auch unter jeder, einzelnen Kolumne. Also für die, die lesen können natürlich…). 🙂 Woher Sie diese haarsträubenden Zahlen haben weiss ich hingegen noch nicht. Ausem Däumchen genuckelt, Sie Schlingel? Ein bisschen mit Prozenten jongliert, damit der Blödsinn einigermassen seriös aussieht den Sie da von sich geben? Feine Idee. Aber beim letzten Satz haben Sie meine Zustimmung.

  • Roman sagt:

    ach was… ich lebe am Turbinenplatz. da ist immer was los. Vorglühen bis weit nach Mitternacht jedes Wochenende… Die zerbrochenen Wodkaflaschen im Innenhof sind uh lässig. aber item…

    Am Tag sind da auf alle Fälle immer viele Kinder, Fotografen, Skater, etc. Zudem zahlreiche Touris aus den Hotels. Keine paranoide Betonwüste.
    Aber mal pauschal gegen ZürichWest bashen, weils gerade so in ist.

    • Alex Flach sagt:

      Ich bin mir jetzt nicht ganz sicher was am Satz „braucht man nur etwas SPÄTER AM ABEND von der Hardbrücke..“ unverständlich formuliert ist. Und weggeworfene Glasflaschen von versprengten Gruppen die hier vortrinken um dann bedüdelt in den Club zu gehen gehen nun wirklich nicht unter Platzleben. Hotelgäste wiederum machen das Quartierleben nicht aus und als Hotelgast hocke ich in der Regel auch eher selten aufm Platz direkt vor dem Hotel. Du nicht? Nimm die Grösse des Platzes und schau wie viel da wirklich läuft. Das da ist alles andere als ein neuralgischer Punkt.

      • Alex sagt:

        Vergleich mal das Platzleben da mit jenem auf dem Ida-, Brupbacher – oder Opernhausplatz. Oder mit jenem beim Bhf Enge. Doch… Zürcher Platz darf man mit Zürcher Platz vergleichen und so neu ist der Turbine nun auch wieder nicht.

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