Flirthölle für Teenager

Im Frühling sprühen missverständliche Signale.
Wie ein Rudel junger Rehe huschen sie am Seeufer entlang, junge Mädchen mit luftigem Textil im Frühlingsflirt-Programm. Verfolgt werden sie von hibbeligen Wölfen in taillierten Hemden oder Abercrombie&Fitch-T-Shirts in Gruppen zu drei Prachtexemplaren. Und wie in der Natur verstehen sie die Kommunikationssignale der anderen Gattung nicht.
«Aufmerksamkeit!», schreien die einstudierten, affektierten Bewegungsabläufe der jungen Damen. «Koitus!», raunen sich die geschmeidigen Testosteronbolzen gegenseitig zu. Sie umkreisen und beschnüffeln sich. Mädchen senden stilisiert erotische Botschaften, die sie selbst noch nicht verstehen, Buben protzen Status und Coolness, die sie sich mühsam vom knappen Lehrlingslohn absparen mussten. Sie wecken gegenseitige Sehnsüchte, von deren Erfüllung sie keinen blassen Schimmer haben.
«Liebe und Romantik», träufeln die grossen Augen des Jünglings leise neben seiner Angebeteten im kurzen Kleidchen. «Glacé und kumpelhafte Gespräche», sagt ihr neutraler Blick. «Ich bin unnahbar und cool», sagt das Gesichtchen ihrer Freundin, während sie sich im Innern nichts mehr wünscht, als sich an den grossen Burschen anzulehnen. Er steht schlaksig cool herum und prahlt mit Dingen, von denen er keine Ahnung hat.
Und natürlich das unauffällige Herumgammeln in Clubs und an Plätzen, an denen sie oder er dann vielleicht mal auftaucht. Um dann so zu tun, als würde man sich nicht im Geringsten für sie interessieren, wenn sie da sind. Dieses auffällige «Zufällig gerade in deiner Nähe»-Herumstehen und dabei auf ein Zeichen zu hoffen.
Im Frühling jung zu sein ist die Pest. Wer erinnert sich nicht an die coolen Gesten und Sprüche, die man im Schutz der Gruppe machen konnte, um dann im direkten Gespräch dauernd die verschwitzten Hände vor seiner/seinem Angebeteten zu verstecken? Die Jungs wollen den Duft der Mädchen inhalieren, überdecken aber ihre eigenen Ziegenbock-Pheromone unter einem Miasma von Axe-Deospray. Die Mädchen wollen erwachsen und sexy wirken, obwohl sie sich in ihren Körpern nicht mal wohl fühlen, wenn sie sich alleine im Bett unter der Decke verkriechen. Dann natürlich das Posen vor dem Spiegel, die Girls mit viel zu kurzen und zu engen Kleidchen, die Jungs mit lächerlich coolen Outfits. Aufgesetzte Selbstsicherheit über einem Abgrund von Selbstzweifeln.
Und natürlich würden die Kids niemals zugeben, wie unsicher und verwirrt sie sind. Mädchen vertrauen diese Geheimnisse ihren Tagebüchern an, während die Jungs sich in Situationsfantasien flüchten, in denen sie alles im Griff haben.
Der Frühling ist die Jahreszeit, in der ich voller Mitgefühl für die Teenager durch die Strassen schlendre und im Geiste der Zeit auf Knien danke, dass ich das hinter mir habe. Und natürlich bin auch etwas schadenfroh, dass sie ihre jugendliche Frische mit der totalen Unfähigkeit im Umgang mit Hormonen und Gefühlen bezahlen müssen.
Schliesslich mussten wir da alle durch.
«Teenage Dirtbag, Baby!»
58 Kommentare zu «Flirthölle für Teenager»
Ja, und selbstverständlich sind nur die „Kids“ unsicher und verwirrt, wenn es ums Flirten usw geht. Ab 25/30 klappt das alles wie am Schnürchen 😉
Spitzenartikel. Und irgendwie ändert sich das Spiel doch nie, oder?
Absolute Spitze, dieser Artikel! Hier ist ein seltenes Talent am Werk. Grossartig!
Ja stimmt wirklich, der Frühling ist so wunderschön, alles blüht und vermehrt sich prächtig, vor allem draussen an der frischen Luft auf dem Land, auch im Wald und auf der Heidi.
Flirten mit Frauen?
Doch nicht in Zürich.
Da gilt das gleich als sexuelle Belästigung.
Wie wahr!
ah. diese art von flirt. ja, das ist sexuelle belästigung. man kann auch anders flirten und da sind wir zürcherinnen gar nicht abgeneigt
Wann war es denn je anders in Zürich? Zürich war schon immer eine Flirt-Wüste. Wer flirten will, der geht weg. Empfehlenswert: Rom, Tel Aviv, Porto.
Hört man hie und da. Aber wer nicht nur in den Ferien keinen Stein zieht, kann in Zürich wunderbar leben und lieben. Man muss halt nur nicht in die Welt gucken, als ob man gerade eine LKW-Ladung mit Zitronen gegessen hat.
Yep, typischer Gesichtsausdruck hiesiger Hübschheiten (sofern nicht am quatschen mit Kollegin natürlich): Zitrone im Mund, Ameisennest in der Unterwäsche und immer schön am Gegenüber vorbei in die Luft schauen.
Am besten zum Flirten ist Bangkok. Oder auch Pattaya.
Was Sie meinen, ist nicht flirten, das ist Kundenservice. Aber bei dem Verständnis, das Sie von Frauen haben, wundert mich nicht, dass Sie diesen Unterschied nicht (er)kennen.
Falsch Pedro, in Thailand kann man wirklich gut flirten, weil es ungezwungen ist und vor allem ist es die Einstellung der Thais. Für Thais ist die Kommunikation Teil der Lebenskultur … Sie lieben es zu plaudern und zwar alle 3 (drei) Geschlechter.
Ganz egal wo man ist … ob auf der Strasse, an Strand, in Restaurants, in Einkaufszentren oder Bars und Discotheken. Keine eingebildeten Tussis, welche eine ach so coole Unnahbarkeit ausstrahlen wollen.
Und den angesprochenen Kundenservice (Massagesalons, GoGos usw) gibts auch hier in der Schweiz.
Aber bei dem Verständnis, das Sie von Thailand haben, wundert mich nicht, dass Sie diesen Unterschied nicht (er)kennen.
das sind dann die männer, die behaupten, die blöden zürcherinnen halten flirt für sexuelle belästigung hihi
Nicht bloss Zürich, in der ganzen Schweiz ist es schlimm. Ich ziehe Frankreich Ihren Vorschlägen aber vor (wobei Rom auch in Ordnung ist), da ich die anderen Sprachen weniger gut bis garnicht beherrsche. Man will ja nicht Gefahr laufen, als unkultivierter Ausländer eingestuft zu werden, wenn man einfach so auf Englisch losquatscht, oder?
Rom. Ja. Porto, ist OK. Tel Aviv, eher lieber kein Messer im Bauch. Sobald sich Israelis und Palästinenser wieder verstehen, gehen wir auch dort hin – vorher nein.
sehr gut réda, klasse!
🙂
„liebe ist – arbeit, arbeit, arbeit!“
https://www.youtube.com/watch?v=O9x2oDFrzbM
Ich kann mit deinem „kleinen Geheimnis“ leben, lieber Rittermann.
Hhhhhhhhhhhhhhhhh…..Hammer Video…….hhhhhhhhhhhhh
Teenager zu beobachten ist tatsächlich herrlich und könnte ich den ganzen Tag tun. Und wenn sich dann tatsächlich mal zwei finden gibt es eigentlich fast nichts süsseres als das Händchenhalten und Bussigeben (ausser natürlich Tierbabys, die sind noch viel süsser). Nicht fehlen darf beim Rumbuseln natürlich nicht die etwas moppelige beste Freundin oder der schmächtige schmächtige Kumpel, der krampfhaft in eine andere Richtung schaut…. 😀
Ein wunderbarer Text. Trifft es sowas von. Und endlich konnte mir jemand einen Ausdruck nennen für den ekligen Geruch unserer Jungmännchen. Es sind die Ziegenbock-Pheromone!
Früher nannte man das wohl „bübeln“. Selber hatte ich das nur einmal in der Nase: Als wir das geschlossene Abteil eines durch Italien fahrenden Zuges mit einer von Klosterbrüdern begleiteten Jünglingsgruppe aus Süddeutschland teilten.
Irgendwie wirkt dieser Text selbst ziemlich testoterongetränkt. Da will ein Schreiberling jugendlich, cool und sexy sein. Nur leider bleiben die jungen Rehe aus.
Super Psychogramm! Und wenn Sie versprechen, den Begriff „Ironie“ zu googeln, gehe ich in eine Psychotherapie für Midlife Crisis. Ich schwör!
Ja, hinter Ironie lässt sich ja bekanntlich allerhand verstecken. Lassen mich wissen, was bei der Therapie herausgekommen ist. Ich freue mich schon auf mehr Inhalt.
Ausnahmsweise muss ich Stephan recht geben, nicht Réda: Der ironisch gemeinte Text wirkt auch auf mich (auch/obwohl männlich) auch ziemlich testosterongetrieben. Und damit Sie sich nicht wiederholen müssen: Habe Ironie bereits gegoogelt, akzeptiere auch, dass Sie den Text ironisch verstanden oder zumindest so gelesen haben wollen — erzählen Sie uns dann mal, wie es Ihnen in der Psycho für Midlife Crisis gegangen ist!
Naja, mein Chefredaktor hatte mich immer gewarnt, dass es ein, zwei Leute gibt, die Ironie nicht erkennen. Ich hätte nur nicht gedacht, dass beide meinen Blog lesen.
Ansonsten: Ich bin verantwortlich für das, was ich schreibe, nicht für das, was du hineininterpretierst. 😉
Sie sollten nicht so auf Ihren Chefredaktor fixiert sein. Dann wird viellicht auch Ihr Blog etwas gehaltvoller. Jetzt aber genug gequasselt. Ab in die Therape!
Mir reichts, wenn die Leute den Post lesen und mehrmals kommentieren. Da kann ich darüber hinwegsehen, dass sie ihn nicht verstehen.
Was für ein Text!!!!!:)
Ein phantastischer Text, durch und durch gelungen, wirklich: Ganz genau so ist es, Réda! Mir gehen in letzter Zeit sehr ähnliche Gedanken durch den Kopf beim Anblick all dieser jungen Menschen: Denn sie wissen noch nicht so recht, was sie tun..! Und die Eighties waren diesbezüglich ja ganz besonders kompliziert!
Nur mal so ein Gedanke: In einer sexuell konservativeren Gesellschaft, hätten die Jungen solche Probleme nicht. Es gäbe klare Regeln für den Umgang mit den Geschlechtern, ganz besonders im öffentlichen Raum. Niemand wäre verwirrt oder unsicher, weil er/sie genau wüsste, wie weit er/sie gehen darf. Ich meine ja nur…
Wie langweilig. Dann könnte man sich ja nicht mehr über die unbeholfenen Annäherungen lustig machen.
Einerseits wäre es ganz bestimmt langweilig, A.M., und andrerseits ist wissen das die Jungen auch dort definitiv nicht, A.M, Ehrenwort eines ehemaligen Zöglings aus „sexuell konservativerer Gesellschaft“.
Hüstelhüstel… man muss ja kein Anhänger von good ol‘ Siggi sein; aber dass eine Diskrepanz zwischen inneren Gefühlen (oder von mir aus auch: Triebe) und Regeln der Aussenwelt für die menschliche Psyche schädlich ist, dürfte langsam hinlänglich bekannt sein 😉
Dann reden Sie mal mit älteren Leuten, die damals, als noch die klaren regeln herrschten, aufgewachsen sind. Nein nein, es gab gar keine unsicherheit, nein es gab auch nicht zehntausende von abtreibungen pro jahr (viele wussten wirklich nicht,was sie da taten). Wir leben in einer total übersexten zeit, das stimmt, aber das pendel hat von einem extrem zum andern ausgeschlagen. Auf ihre sexuell konservative gesellschaft kann ich gerne verzichten.
Nirgends ist die Sexualität verkrampfter als in sexuell konservativen Gesellschaften. Gehen Sie mal nach Indien oder in arabische Länder. Was sie da ansehen ist obiger Text hoch acht. Teenagerschwangerschaften inklusive.
zu dem Thema wäre mir ein Gastbeitrag von Andreas Moser (Netz Natur) lieber gewesen 😀
Hahahah stelle mir das gerade bildlich vor *kicher* *kicher* 😀
Wie negativ kann man sein? Schwingt da nicht heimliche Sehnsucht mit, sich jenseits der (zu) bequemen Gesetztheit des Alters doch mal wieder lebendig zu fühlen?
Vielleicht lieber mal einen ehrlichen Blick nach innen wenden statt im aussen nach negativem zu suchen, um sich besser zu fühlen 🙂
Nein.
Doch natürlich. Merkt man in jeder Zeile.
Nein.
Come on Réda! Tell me no lies;))
Ich schwör!
🙂
Sehe auch Sonnenhut und bequeme Schuhe.Mit nur 10 cm Stoff wären sie nicht in der Miniträgerinschublade gelandet.
Diesen Sommer sind rote Turnschuhe hip!
Aufgefallen ist mir die wöchentliche Print Ausgabe der Wochenzeitung Friday. Dieses zeigt über alle Seiten hinweg Werbung für Lifestyle mit der Zielgruppe Jugendliche. Die Werbeindustrie prägt die Jugend von heute. Texte sucht man in der Printausgabe von Friday vergeblich.
Ich weiss nicht, ob es heute schwieriger ist ein Jugendlicher zu sein und inwiefern die Dauerpräsenz des Konsums prägt. Die mobile Werbefläche als steter Begleiter und Wegweiser in einer komplexen Gefühlswelt (welche mit dem Alter noch interessanter wird).
Zum Glück bietet Zürich ein breites Bildungs- und Kulturangebot, die beste Voraussetzung für eine glänzende nächste…
Generation
Nur Teenager? Kann man locker auf alle Singles bis 45 ausweiten. Lache diese Leute immer innerlich aus.
bei den teenagern ist’s ja irgendwie noch herzig, weil wir da alle durchmussten und wissen, wie es sich anfühlt. und ja: bei den erwachsenen ist solches gebaren durchaus auch zu beobachten. und mitunter ziemlich tragikomisch. zürich ist sowieso für alle altersklassen eine flirthölle; darüber wurde hier im blog auch schon geschrieben. insofern können sich die teenager gleich eingewöhnen..:-)
@geezer: Kann ich nicht bestätigen, dass Zürich eine Flirthölle ist…. Ich finde fast immer was um ein bisschen zu flirten 😀
@Anna Meier: das mag ich dir von herzen gönnen! ist vielleicht auch aus weiblicher perspektive etwas einfacher…..
lies doch mal diesen frühlings-flirt-blog von Réda von letztem jahr:
http://blog.tagesanzeiger.ch/stadtblog/2015/03/25/flirttipps-fuer-zuercher/
dieser artikel trifft den nagel doch ziemlich auf den kopf, was das flirten in dieser stadt anbelangt, nicht? meine persönliche erfahrung ist, dass es in vielen anderen städten (v. a. im ausland) grundsätzlich wesentlich unverkrampfter zu und hergeht, als in züri.
ääh Réda, täusche ich mich jetzt, oder schreibst du tatsächlich jedes Jahr einen Artikel mit exakt dem selben Bild?
Jep. Ich hätte noch eine ALternative. Aber das mit den Bildrechten von Teenagern am See ist so eine Sache.
Ja apropo Bildrecht…eines der beiden fotografierten Rehe bin ich und um Erlaubnis zur Verwendung wurden wir all die Jahre nie gefragt!!
Da man dich nicht erkennen kann (Gesicht), und da ich die Bilder selbst gemacht hab damals, liegen die Bildrechte bei mir. Aber ich werde das Bild austauschen, sobald ich am PC sitze.