Festtagsruhe vs Partyzombies

So stellt sich Leser «Dr. House» wohl Drogenzombies im Nachtleben vor.

So stellt sich Leser «Dr. House» wohl Drogenzombies im Nachtleben vor.

Am 28. Februar 2016 dürfen die Aargauer entscheiden, ob sie das Tanzverbot an hohen christlichen Feiertagen abschaffen wollen. Bis anhin gilt folgende Regelung: «§ 4 Abs. 3 (GGG): An Karfreitag, Ostersonntag, Pfingstsonntag, am Eidgenössischen Dank-, Buss- und Bettag, am Weihnachtstag sowie am jeweils darauf folgenden Tag sind die Gastwirtschaftsbetriebe um 00.15 Uhr zu schliessen».

Diesem Paragraphen habe ich meine letzte Kolumne gewidmet, ein Text, der von den Initianten von «Ja! Weg mit dem Tanzverbot!» auf deren Homepage verlinkt wurde. Damit ruft man auch Gegner der Initiative auf den Plan, so beispielsweise den anonymen Meinungsgeber mit dem Namen «Dr. House», der in der Kommentarspalte auf Stadtblog Folgendes geschrieben hat:

«Wie haben das bloss die Generationen vor uns überlebt? Ohne Party! das muss ja fürchterlich gewesen sein… du meine Güte! Ja, da muss man dringend Abhilfe schaffen, das Tanzverbot aufheben und dafür gibt es vielleicht weniger häusliche Gewalt, dafür findet sie an anderen Orten statt. Ob das den Menschen, die dort leben, gefällt, ist schon egal, Hauptsache die Partytussen und Drogenzombies haben ihren Spass! Bloss nie zur Ruhe kommen, geschweige denn mal Ruhe und Stille aushalten … man könnte ja plötzlich ob seinem eigenen Sein erschrecken. Also immer schön weiter fliehen, in Räusche aller Art. Die Ärzte und Helfer im Notdienst und bei der Polizei werden‘s dann schon (richten)».

Die Frage zu beantworten, wie frühere Generationen das Tanzverbot überlebt hätten, ist müssig, weil ihr eine Ablehnung des Fortschritts innewohnt: Frühere Generationen haben auch ohne Schienenverkehr und ohne Wasserklosetts überlebt, und dennoch würde niemand diese wieder abschaffen. Auch der Teil mit den Räuschen ist nicht zu beantworten, weil man sich auch zuhause berauschen kann. Bleibt noch das Argument mit der, durch Partytussen und Drogenzombies verursachten, Gewalt, die durch eine Aufhebung des Tanzverbots nach draussen getragen würde.

Also habe ich mich an diesem Weihnachtswochenende ins Zürcher Nachtleben gestürzt, um diese marodierenden Untoten und Taschen-Kardashians selbst in Augenschein zu nehmen. Es war herrlich: Die Stimmung in den Clubs war ausgezeichnet und selbst die Securities trugen ein Grinsen im Gesicht. Selbstverständlich waren auch Betrunkene unterwegs. Beispielsweise jener DJ, der jeden Gast im Club umarmte und ihm frohe Weihnachten wünschte, als ob er das Messwein-erheiterte Christkind persönlich wäre.

Die Clubs waren oft gut besucht und trotzdem lassen die Medienmitteilungen der Stadtpolizei auf friedvolle Partyweihnachten schliessen. Der Aargauer Grosse Rat hat sich gegen eine Abschaffung des eingangs erwähnten Paragraphen ausgesprochen. Er will somit seinen Bürgern weiterhin vorschreiben, wie sie Weihnachten begehen müssen. Es ist leider davon auszugehen, dass keines der Ratsmitglieder an Weihnachten in den Zürcher Clubs war, um sich selbst ein Bild davon zu machen, wie Weihnachten ohne Tanzverbot aussehen würde. Aber vielleicht war ja Dr. House unterwegs, um seine Ansichten mit Erfahrungswerten zu redigieren.

Alex-Flach2Alex Flach ist Kolumnist beim «Tages-Anzeiger» und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Hinterhof, Nordstern Basel, Rondel Bern, Hiltl Club und Zukunft.

24 Kommentare zu «Festtagsruhe vs Partyzombies»

  • dr house sagt:

    mein beitrag scheint sie auf die palme gebracht zu haben, und darum sogar wirkliche errungenschaften wie wasserklosetts und schienenverkehr mit parties vergleichen… nun, da sie ja club-promoter sind, verstehe ich, dass sie für die menschen, die das alles nicht so cool finden, nicht viel verständnis übrig haben. ich habe privat & beruflich viel mit menschen zu tun, die sich mit der kehrseite dieser «errungenschaft» befassen müssen. was die da sehen und verarbeiten müssen, ist alles andere als lustig. nun, vielleicht gehen sie mal als freiwilliger ins «hotel suff» zellen putzen oder verbringen mal eine partynacht in der notaufnahme des unispitals…

    • Alex Flach sagt:

      Überhaupt nicht. Ich fand es spannend, die Meinung von jemandem zu thematisieren, der nur die Schattenseiten des Nachtlebens sieht. Ich tendiere dazu es auf der anderen Seite zu übertreiben.

    • Alex Flach sagt:

      Was den Alkohol anbelangt… der ist leider überall. Ich kenne das auch aus meiner Verwandtschaft, kenne die ganzen Kliniken auch, weiss auch was ein Co-Alkoholiker ist. Aber den Clubs dafür die Schuld zu geben ist dumm – Akohol kriegt man bei uns unten an der BP auch montagmorgens um 5. Übermässiger Konsum liegt bei jedem selbst. DORT muss man ansetzen, beim einzelnen Menschen. Nicht bei den Bars, Detailhändlern, Clubs, Restaurants, Kiosken, Grossisten, Pubs, Theatern, Opernhäusern (die Cüpli verteilen) und allen anderen…

      • Maiko Laugun sagt:

        @Alex Flach:

        “…DORT muss man ansetzen, beim einzelnen Menschen…“

        Wusst gar nicht, dass Sie in der SVP sind. Die schreien ständig nach Eigenverantwortung unter möglichst kleiner Einmischung des Staates? Seltsam, dass Sie dabei nicht die Abschaffung der religiösen Feiertage und eine Umwandlung dieser in Arbeitstage fordern (P.S. Die meisten Gesetze in westlich demokratischen Ländern basiern auf der Bibel und Sie kritisieren nur die Regelung des Tanzverbotes an religiösen Feiertage) und nur die Vorteile für Ihre dekadente 24h-Spassgesellschaft verlangen. (P.S. Die meisten Gesetze in westlich demokratischen Ländern basiern auf der Bibel und Sie kritisieren nur die Regelung des…

        • Maiko Laugun sagt:

          Forsetzung: ….. Tanzverbotes an religiösen Feiertage). Das ist nicht konsequent, jedoch zeitgemäss typisch. So wie Sie argumentieren, müsste man den Alokoholausschank/Verkauf an Minderjährige aus den Gestzen streichen und auch für Kinder eine 24h-Partygesellschaft erlauben. Das liegt ja in deren kindlischen Eigenverantwortung und würde diejenigen der Eltern ebenfalls ausschliessen.

        • Alex Flach sagt:

          ….ich rede doch auch nicht vom Staat Sie Witzbold… von den Eltern, von Menschen und Institutionen die Menschen mit einem Alkoholproblem helfen können. Wenn Staat, dann natürlich nur in Form von Prävention, Aufklärung. Nicht mit Verboten, abgesehen von Gesetzten die den Konsum von Minderjährigen regeln – deshalb ist der zweite Teil Ihres Kommentars auch ein wenig blöd… niemand will das. Auch die Clubs nicht; deshalb kommt auch keiner unter 18 rein.

        • Alex Flach sagt:

          Da Ihr Kommentar diverse Punkte ziemlich wild durcheinanderwürfelt habe ich den Teil mit den Feiertagen, Umwandlung in Arbeitstage, Bibel, Tanzverbot, Dekadenz, Gesetze, westlich-demokratisch jetzt nicht ganz verstanden….

          • Alex Flach sagt:

            Einen Nachtrag habe ich auch noch. 24h Spassgesellschaft wird immer negativ behaftet vorgebracht. Was ist denn an Spass auszusetzen? Ich würde mal meinen, dass einer der sein Leben lang 24 Stunden lang Spass hatte sich überglücklich schätzen darf. 🙂

          • Maiko Laugun sagt:

            Ich habe nichts gegen Spass, auch nicht in Clubs. Die Argumentation ist nur seltsam …“wie sie Weihnachten begehen müssen…“. Der Staat schreibt das nicht vor und verlangt auch kein Singen von Weihnachtsliedern. Er verbietet ja sogar das Arbeiten aufgrund von religiösen Vorgaben. Wenn schon, müsste man dies eben auch kritisieren.

            Aber egal, wünsche viel Spass beim Rutsch ins neue Jahr. Bei mir in China dauert das noch einen Monat länger bis es soweit ist. 🙂

          • Alex Flach sagt:

            Dass die Gastbetriebe um Mitternacht schliessen müssen, verhindert halt, dass Leute die gerne Clubs besuchen die Feiertage dort verbringen können – ich glaube die Gängelei nimmt man halt erst als solche wahr, wenn man der Gegängelte ist. 🙂 Ebenfalls frohes neues Jahr! Wenn auch etwas später.

  • Pixie sagt:

    Als ob es eine Rolle spielen würde, ob die Aargauer Zombies ihr Tanzvebot abschaffen oder nicht. Die treiben ihr Unwesen ja sowieso bei uns in Zürich und nicht Zuhause in der Provinz.

  • Stefan Egger sagt:

    Technologische Entwicklungen wie die Eisenbahn oder sanitäre Anlagen haben das Leben der Menschen sicher erleichtert. Auch die Weiterentwicklung der individuellen Freiheiten und die Ausbreitung der Freizeit sind Errungenschaften. Der Schritt von 360 Tagen Party im Jahr zu 365 Tagen Party steht aber sicher nicht in einer Reihe mit diesen „Fortschritten“. Fünf Tage mehr Party im Jahr bedeutet vor allem eines: mehr Umsatz für die Clubs. Und das freut natürlich auch den Club-Promoter.

    • Alex Flach sagt:

      Jeder Wirtschaftszweig (und alle Betriebe die ihm angehören) möchte sich vergrössern. Eine der Grundlagen der Marktwirtschaft. Und yep; ich bin auf Seiten Nachtleben. Wird auch nicht mehr wahrer, je öfter man das wiederholt, lieber „Stefan“. Steht auch nach jedem meiner Beiträge. Auch nach diesem. Was ich in Deinem Kommentar aber nicht sehe, sind Argumente die für ein Beibehalten des Tanzverbots sprechen.

      • Stefan Egger sagt:

        Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich bei einem Meinungsartikel über eine Volksabstimmung auf die monetären Interessen des Autors hinweise. Jeder Wirtschaftszweig stösst irgendwann an Wachstumsgrenzen, auch das Nachtleben. Genau wie bei der zerstörten Umwelt kann man diese Grenzen ignorieren und einfach noch mehr verlangen oder man macht sich Gedanken, ob es nicht irgendwann genug ist. An einer Hand voll Tagen im Jahr könnte man seine eigenen Bedürfnis nach Unterhaltung und Spass ein wenig zurückstecken und dafür das Bedürfnis anderer Menschen nach Ruhe und Besinnung akzeptieren. Da geht es nicht für oder gegen das Nachtleben, da geht es um einen vernünftigen Ausgleich.

        • Alex Flach sagt:

          Diese Argumentation sticht nicht, ausser Sie wohnen neben einem (schlecht isolierten) Club – dagegen können Sie was unternehmen. Ansonsten… Was geht es die „anderen Menschen“ an was IN den Clubs geschieht? Sie hören die Partygänger nicht. Und was den Lärm auf der Strasse betrifft… wieso lancieren Sie kein Fahrverbot an den betreffenden Abenden? Oder stört Strassenlärm weniger als die Jugend die die Festtage verbringt wie sie das will? Klar nehme ich Ihnen das übel: Ich habe argumentiert, Sie unterstellen mir aber trotzdem ich würde hier aus monetären Interessen gegen die Initiative vorgehen, obwohl eine Abschaffung null Einfluss auf mein Einkommen hätte.

          • Alex Flach sagt:

            Ich stemme mich gegen das Tanzverbot weil es nicht mehr zeitgemäss ist, weil es ein überholtes Relikt ist, das heute keiner mehr einführen würde. Und weil es dem Staat die Möglichkeit gibt den Leuten vorzuschreiben wie sie zu feiern haben. Deshalb wird das Tanzverbot von Leuten verteidigt, die nicht mit der Art klar kommen wie andere feiern (weil es nicht die ihre ist) und der Gesetzgeber schützt diese in Vorurteilen fussende Ablehnung auch noch. Eine Abschaffung dieses Undings bedeutet vor allem eines: Mehr Freiheit.

        • Alex Flach sagt:

          …da aller guten Dinge 3 sind: Würde ich tatsächlich nach persönlichen Geschäftsinteressen gehen, dann bitte, bitte behaltet das Tanzverbot bei und erweitert es aufs ganze Jahr. Wir betreuen in Zürich und Basel zig Clubs, im Aargau gerade mal einen. Wenn der Aargauer Grosse Rat seinen Kanton komplett zur Schnarchlandschaft resp. nächtlichen Autobahnbeilage Zürich/Basel verkommen lassen würde, hätte die Aargauer Jugend an allen Wochenenden keine Möglichkeit bei sich zu feiern, müsste (eben) immer nach Basel und/oder Zürich ausweichen (zahlenmässig nicht unerheblich) und “unsere” Clubs füllen. Der AG wäre dann zwar irgendwann nur noch ein Altenheim, aber Sie hätten dann ebenfalls Ihren Willen.

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