DJs im Wandel der Zeit
Dem technischen Fortschritt sind schon viele ehrbare Berufe zum Opfer gefallen. Die Schriftsetzer wurden von digital arbeitenden Mediengestaltern abgelöst, die Zählerableser von modernen Messgeräten und heute aktive Clubber wissen oft gar nicht mehr, was ein Plattenkofferträger war (ein dienstbares Helferlein, das den DJs hinterherscharwenzelte, ihnen die Drinks in die Kanzel brachte, sie zu ihren Sets fuhr und das sich zur Belohnung ein wenig im Glanz des Auflegers sonnen durfte).
Als die gute, alte Vinylplatte von der CD abgelöst wurde, mussten sich die Pioniere auf diesem Feld von den Hütern der reinen Turntable-Lehre zwar als Abtrünnige verunglimpfen lassen, aber schlussendlich haben dann doch die Allermeisten umgesattelt. Fortan konnten die DJs ihre Musik selbst in den Club tragen, ohne fürchten zu müssen, ihre wertvollen Handgelenke würden dabei Schaden nehmen.
Dimitri Schnider alias DJ Definition (Jg. 92, MITA Agency) ist eine der grössten Schweizer Clubmusik-Hoffnungen. Die Musik seines Labels Definition:Music wird von Stars wie Richie Hawtin, Maceo Plex und Jamie Jones gespielt und er selbst veröffentlicht auf international renommierten Imprints wie Get Physical. Er kennt die Ära des Vinyls nur noch vom Hörensagen: «Ich kann mir vorstellen, dass das Auflegen den DJs in den 90ern viel mehr abverlangt hat, da man nur mit Platten auflegen konnte. Da konnte man nicht in zehn Minuten die Beatport Charts auf einen USB Stick laden. Meiner Meinung nach spielt das Medium aber keine Rolle, Hauptsache man bringt die Energie rüber.»
Für Schnider ist denn auch nicht der Wandel bei den Tonträgern der markanteste, den der Beruf des DJs durchlaufen hat: «Man kann nicht mehr einfach nur DJ sein, man muss früher oder später eigene Tracks produzieren. Heutzutage setzt man sich kaum mehr durch, wenn man nur auflegt und keine eigenen Songs veröffentlicht.»
Marcel Lüscher (Jg. 94), die eine Hälfte des Badener DJ-Duos Robin & The Sidekick (Inyan Music), das unter anderem auf dem Berliner Label Perlenkindrecords veröffentlicht, teilt die Meinung seines Kollegen: «Die Musikauswahl ist heute das Wichtigste, das Mixen selbst ist dank Hilfsmitteln wie CDJ, Traktor etc. bloss noch grundlegendes Handwerk. Deshalb gibt es nur noch sehr wenige DJs, die den Durchbruch alleine mit der Auflegerei schaffen. Ich und mein DJ-Partner Till Hüssy sind gar den umgekehrten Weg gegangen, haben erst Songs produziert und später mit dem DJing begonnen».
Der technische Fortschritt und die mit ihm einhergehenden DJ-Hilfsmittel haben das Auflegen stark vereinfacht. Anstatt es sich vor diesem Hintergrund möglichst leicht zu machen, haben die Exponenten der nachrückenden DJ-Generation begonnen, ihren Beruf neu zu interpretieren: Sie sehen sich als Clubmusiker und das Auflegen endgültig nur noch als Hilfsmittel, um der Öffentlichkeit ihre musikalische Vision zu offenbaren. So besehen hat die Digitalisierung den Job des DJs nicht simplifiziert, sondern ihm eine neue, kreative Dimension verliehen, in der nur die musikalisch Begabten reüssieren.
Alex Flach ist Kolumnist beim Tages Anzeiger und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Hinterhof, Nordstern Basel, Rondel Bern, Hiltl Club und Zukunft.
10 Kommentare zu «DJs im Wandel der Zeit»
Danke Dir !
a popo… „ehemaliger“ ;)))
ps… http://www.monorecords.ch
nicht zu vergessen dj tito torres. der macht das gut, der tito.
Richtiges DJing gibt es doch heute noch in der Rap-Musik. Da gab und gibt es in der Schweiz doch eine sehr hohe Qualität aus dem schönen Aargau (DJ Greg, DJ N.D) sowie heute aus ZH DJ Jesaya. Dies verlangt aus meiner Sicht richtiges Fingergeschick, Gefühl für die Übergänge sowie eine tiefe Liebe zum Vinyl, inspiriert durch die vielseitige Geschichte des Hip Hops (DJ, Rap, Graffiti, Breakdance). Keiner von denen würde doch an einer Veranstaltung einen USB-Stick oder eine CD hervorkramen?
diese DJ’s gibt es auch in der Techno & House Szene, nur fehlen sie hier.
ich weiss.. freue mich immer, wenn in den Clubs jemand mit Platten auflegt.. weiss auch nicht warum. Wollte nicht die beiden Stilrichtungen gegeneinander ausspielen ..
Jannik, die gibt’s auch hier. Musst nur an die richtigen Orte (sprich in die richtigen Clubs) gehen.
Und dass heute nur die musikalisch Begabten reüssieren, hängt wohl von deinen Definition von „reüssieren“ und „Begabung“ ab, Alex.
Ganz bestimmt nicht von meiner Definition. 🙂 Aber ansonsten ist dem wohl nichts hinzuzufügen.
Der Spruzzi ehemaliger Mono-Records Inhaber ist einer der wenigen welcher nur mit Vinyl Musik macht……
…wohl schon lange nicht mehr im Ausgang gewesen…ND, Greg (welcher übrigens House ab CDs in seiner Bar spielt…)
Jesaya im Vegas Luzern?
Ja es gibt Hip Hop DJs in CH welche länger als die von Dir Erwähnten und immer noch Hip Hop mit Vinyl spielen!
Denk denk denk
Jesaya spielte schon vor acht Jahren mit Serato.
Gerade im House- und Technobereich gibt’s doch eigentlich ziemlich viele „vinyl warriors“ – Eli Verveine, Nik!, Guyus & new.com, Lexx, die ganzen 2,7-Jungs; vielversprechende Jungtalente wie bspw. Uhuruku setzen sich auch im Nachwuchs so langsam durch. Als „reine“ DJs, mit Plattenkoffer, ohne -träger. Verallgemeinernd mag jedoch gelten: je obskurer oder „undergroundiger“ die Musik, umso wahrscheinlicher der Vinyl-Einsatz.