«Wir feiern weiter!»
Nach den Terroranschlägen des Daesch, unter anderem auf den Club Bataclan, hätte man vermuten können, dass das Pariser Nachtleben zum Erliegen kommt. Jedoch war die Pariser Jugend schon eine Woche nach den Anschlägen bereits wieder in den Bars, Clubs und Cafés anzutreffen und diktierte nachfragenden Journalisten ein selbstbewusstes «Das ist unser Viertel!» ins Notizbuch. Man dürfe sich nicht einschüchtern lassen, denn Angst sei es doch gerade, was die Terroristen mit ihren Aktionen erreichen wollen.
In Zürich hatten die Anschläge keinen Einfluss auf die Besucherzahlen in den Clubs. Das Nachtleben verlief an den vergangenen Wochenenden in den üblichen Bahnen. Jedoch nicht also ob Nichts geschehen wäre.
Nemo Rösch, Geschäftsführer der Amboss Rampe: «Wir hatten zwar nicht weniger Gäste, jedoch waren die Anschläge das bestimmende Thema und sie wurden ausführlich diskutiert». Dominik Müller, Mitinhaber der Zukunft, bestätigt dies: «Am Abend der Anschläge machten sie auch bei uns die Runde. Jedoch wusste damals noch keiner genau, was tatsächlich geschehen ist, dass es vor allem einen Club getroffen hat. Für Clubbetreiber sind diese Ereignisse eine riesige Herausforderung und man fragt sich schon, wie man seine Besucher vor so etwas schützen kann. Primär gilt aber, dass wir uns nicht verunsichern lassen.»
Auch Valentino Lorenzi, einer der Betreiber des Clubs Friedas Büxe, stellt sich die Frage nach dem Schutz seines Publikums, kommt jedoch ebenfalls zum Schluss, dass es schwierig sei effiziente Massnahmen zu ergreifen. Lorenzi: «Schrecklich… da geht man aus um Spass zu haben und sieht sich unverhofft mit um sich schiessenden Extremisten konfrontiert.»
Stefan Notteboom, Inhaber des Clubs Vior: «Ich bin der Meinung, dass man sich vom Terror nicht zu überhasteten Reaktionen zwingen lassen darf – dies würde doch nur zur allgemeinen Angst beitragen und das wiederum wäre ganz im Sinne der Terroristen.»
Anatol Gschwind vom Hive: «Wir hatten dieses Wochenende das Electronica-Duo Digitalism bei uns zu Gast und das Bataclan ist ihr bevorzugtes Pariser Auftrittslokal. Viele Freunde wären ans Konzert der Eagles of Death Metal einige Tage später im Komplex 457 gegangen und wir kennen Leute, die während der Anschläge vor Ort waren. Plötzlich ist der Terror auch Teil der eigenen Realität und da fragt man sich selbstverständlich, wie man seine Gäste vor einem solchen Akt bewahren kann. Jedoch: Wenn ein paar schwer bewaffnete Personen ein Lokal stürmen und bereit sind zu sterben… davor kann man sich kaum schützen.»
Zwei Wochen nach den Anschlägen in Paris lässt sich sagen, dass sie dem Ausgehwillen der Zürcher nicht geschadet haben. Das Treiben in den Clubs ist kein anderes als sonst und die Stimmung in den Lokalen ist weder bedrückter noch zurückhaltender. Das junge Zürich scheint davon auszugehen, dass so etwas Schreckliches wie in Paris hier nicht geschehen kann. Aber vielleicht sind einige darunter, die diesbezüglich nicht so sicher sind und die trotzdem ausgehen: «Wir lassen uns nicht einschüchtern!»
Alex Flach ist Kolumnist beim Tages Anzeiger und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Hinterhof, Nordstern Basel, Rondel Bern, Hiltl Club und Zukunft.
8 Kommentare zu ««Wir feiern weiter!»»
ich geh weiterhin aus. auch wenn mir die aktualität des terrors sehr wohl bewusst ist.
paris war bestimmt nicht der letzte tatort. und ich kann mir vorstellen, dass künftig nach IRA vorbild, der terror auch in kleine gemeinde getragen wird. vielleicht wird der nächste winterthurer nicht nach syrien reisen, sondern seine mission hier antreten…. ?!
ich möcht kein leben in angst führen!
aber es ist an der zeit, dass unsere gesellschaft das problem an der wurzel packt, den desillusionierten jugendlichen eine perspektive bietet. sie auffangen, bevor sie halt in extemen gruppierungen finden!
damit mein ich nicht nur ’sekten‘, sondern auch den beunruhigenden zulauf ins rechte lager.
„Wir feiern weiter!“
Die westlich-kapitalistische Dekadenz kann man wohl nicht besser auf den Punkt bringen.
Noch etwas Hintergrundwissen:
„Ein Synonym ist Feier (v. lat. feriae, urspr. fesiae). Beide Begriffe wurzeln in fanum: das Religiöse.
-Wikipedia
Ich muss immer schmunzeln wenn jemand mit der „westliche Dekadenz“-Keule wedelt… man hat gerade mal popelige 80 Jahre auf dieser Welt und keiner hat Beweise für das was nachher eventuell kommt. Also… der puren Logik folgend; hab soviel Spass wie irgendwie geht (falls nichts kommt) und bleib anständig dabei (falls doch etwas kommt). Klar… wer will kann auch nach den Regeln in 2’000 Jahre alten Büchern leben und jedem Wohlstand, den die westliche Dekadenz bietet, konsequent ablehnen… wenn’s ihn glücklich macht, dann ist da nichts gegen einzuwenden. Solange er den anderen ihr Leben auch lässt und nicht versucht anderen vorzuschreiben wie sie zu leben haben. Es ist doch erstaunlich, dass alle Menschen auf der Welt nach dieser Dekadenz streben, sobald man sie lässt. Siehe auch das ehemals erzkommunistische China. Vielleicht hat’s auch weniger mit Dekadenz zu tun, sondern einfach nur mit dem (urmenschlichen) Streben nach privatem Glück – es geht ja nicht nur um Geld, sondern auch um Anerkennung.
Schön wenn meine Zeilen zu ihrem Wohlbefinden beitragen.
Nun, dekadent ist wenn man z.B. auf Pump (also von anderen) lebt oder eben feiert, sprich nicht nachhaltig lebt. Mit unserem „feiern“ nehmen wir eben Anderen (Menschen in anderen Teilen der Welt und in der Zukunft) die Chance ebenso feiern zu können. Zudem weist die Wortherkuft von Feier auf seinen geistigen/spirituellen Aspekt hin.
Auf der ganzen Welt wird gefeiert. Aber ich denke nur in unserer Gesellschaft kann aus einer ungezwungenen Party ein Ding makro-ökonomischer Ungerechtigkeit werden. 🙂 Der Name des Birchermüesli stammt auch von Maximilian Oskar Bircher-Brenner. Dennoch denke ich nicht an ihn wenn ich mir morgens Milch darüber schütte. Und ich esse es auch nicht wegen seiner bahnbrechenden Erkenntnisse die Ernährung betreffend – es schmeckt einfach. So sollte man es auch mit einer ordentlichen Feier halten. Dekadenz heisst (per Definition) hingegen keineswegs „auf Pump“ leben.
… vor nicht allzulanger Zeit war hier noch der Kommentar zu lesen, dass der Stadtblog das falsche Gefäss sei um über die Anschläge in Paris zu schreiben…
aber was interessiert mich mein Geschwätz von Gestern?
Irgendwie sind hier nicht die Anschläge an sich das Thema, sondern der Impact der Terrorstimmung auf unseren Lebensstil. Also: Gesellschaftspolitisches, nicht Weltpolitisches oder Sicherheitspolitisches.
Eine Frage des Zeitpunktes und der Thematik. Am Montag nach den Anschlägen war es zu früh für ein Fazit bezüglich des Umgangs des Zürcher Nachtlebens mit den Ereignissen.