Die «Nightlife»-Behörden

Ausbildung sollte professionell sein, aber das Clubben darf nicht Institution werden.

Ausbildung sollte professionell sein, aber das Clubben darf nicht Institution werden.

Am «Staff Day» der Bar- und Clubkommission Zürich BCK wurden Workshops und Podiumsdiskussionen organisiert die klarstellen sollen, wie professionell das hiesige Nachtleben agiert. Auch Philipp Meier (Party Partei und Nachtstadtrat) watschte den Anwesenden ein offenbar ziemlich eigenwilliges Gebräu aus Party, Politik und Rebellion um die Ohren. In Zürich gibt es einen Nachtstadtrat, eine Party Partei und eine BCK.

In Berlin existiert ebenfalls eine Clubcommission, Paris und Amsterdam haben einen Nachtbürgermeister und in Bern gibt’s den Verein Pro Nachtleben Bern. All diese Organe sind bestrebt dem Nachtleben wirtschaftliches und/oder politisches Gewicht zu verleihen. Das hat seine Berechtigung: Bezüglich der Professionalität ihrer Strukturen (und auch ihrer musikalischer Programmierung) war die Qualität des Nachtlebens wohl noch nie so gut wie heute.

Andererseits müssen viele Clubs kämpfen. Die Spirituosen-Industrie herrscht Ratlosigkeit wegen der sinkenden Absatzzahlen, (sehr) viele Clubs sind an den Freitagen nur mässig gut besucht, von den Donnerstagen ganz zu schweigen. Kurzum: Einerseits ist das Zürcher Nachtleben auf einem nie dagewesenen Niveau, andererseits lässt der Publikumszuspruch in seiner Gesamtheit zu wünschen übrig.

Die Hauptursachen für diese Diskrepanz scheinen ausgemacht zu sein: Die Jugend geht lieber ins Fitnessstudio als in den Club und für den Flirt gehen sie nicht mehr in die Bar sondern ins Internet. Zudem übersteige das Angebot die Nachfrage: Zu viele Clubs für zu wenige potentielle Gäste. Folgerichtig: Aussitzen bis die Jugend die Clubnacht wieder zuoberst auf ihre Prioritätenliste setzt und aussitzen bis sich der Markt ausbalanciert. Und bis es soweit ist, hebt man sich mit Kreativität von der Konkurrenz ab.

Vielleicht aber, und die Mutmassung sollte gestattet sein, spielt auch das Bild, das all die Nachtstadträte, Club-Kommissionen, Nachtbürgermeister, Podiumsdiskussionen, Vorträge, Workshops, Staff Days und Pro Nachtleben-Vereine vermitteln, Zünglein an der Waage. Haben die Leute nicht in ihrem Arbeitsleben genug von alledem? Wollen die Leute in ihrer Freizeit mit allzu viel Professionalität konfrontiert werden, sprich: Gelingt es ihnen das Tun all dieser Vereine und Kommissionen von jenem der Clubs losgelöst wahrzunehmen? Wünschen sie sich ein Ankommen des Nachtlebens in Politik und Wirtschaft überhaupt oder wünschen sie sich ihre Clubs als Gegengewicht zum gesellschaftlichen, sprich durchstrukturierten und -organisierten Alltag? Mag man in einem Umfeld feiern, das einem (via repräsentierende Organe) dieselben Werte, Funktionalitäten und Strukturen vermittelt wie der Arbeitgeber?

Sollten diese Fragen mit einem Nein beantwortet werden, würden nicht die Clubs in die Pflicht geraten, sondern die genannten Institutionen: Die Clubs sollen selbstverständlich strukturiert und professionell agieren. Aber vielleicht schadet es, wenn dies dem Clubber und der Clubberin von der Strasse von «übergeordneten» Organen aufs Auge gedrückt wird.

Alex-Flach1Alex Flach ist Kolumnist beim Tages Anzeiger und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Hinterhof, Nordstern Basel, Rondel Bern, Hiltl Club und Zukunft.

16 Kommentare zu «Die «Nightlife»-Behörden»

  • Hannah sagt:

    War schon mal jemand auf den 20er Jahre Bohème Sauvage Partys aus Berlin jetzt auch in Züri, die machen Spass.

  • Samuel sagt:

    Sehe ich auch so, wenn die Leute weggehen, wollen sie etwas Besonderes, also den sog. heißen Scheiss. Insbesondere kreative aussergewöhnliche Konzepte sind gefragt. Einfach die Clubtüre aufsperren, einen namhaften DJ rausdrücken und Cocktails protokollgemäss einrühren reicht da nicht. Auch in Berlin gibt es leere Clubs und solche die mit kreativen Textern, Künstlern, Lichtmenschen, Dekos, passender Türpolitiik und viel Individualität ständig gefüllt sind.

  • tststs sagt:

    Ich stimme wieder mein Mantra an: Wirtepatentwirtepatentwirtepatent!
    (Die folgenden Ausführungen haben natürlich nur dann Sinn, wenn man Clubs dem Bereich „Gastro“ zurechnet.)
    In der Gastrobranche lockt nun mal nicht das grosse Geld und im Tagesgeschäft muss knallhart kalkuliert werden. In der Antwort an Simon ZH schreibt Hr. Flach z.B. „Zum einen rufen die Leute nach immer noch ausgefalleneren und kostspieligeren Line Ups, verdrängen aber gerne dass das Geld für diese Acts auch irgendwo herkommen muss.“ Ich behaupte das Gegenteil: Den meisten Clubbesuchern ist es egal, wer hinter den Plattentellern steht, hauptsache die Musik passt (ausgenommen natürlich, man will einen bestimmten DJ hören, dann würde ich aber schon eher von einem Show-/Konzertabend sprechen, und nicht mehr unbedingt von Clubbing). Und eben, wenn ich mir einen DJ nicht leisten kann, dann kann ich es schlicht nicht, auch wenn mein Publikum das – vermeintlich – anders wünscht.
    Lange Rede – kurzer Sinn: Budgetieren und Kalkulieren ist eine Wissenschaft für sich (gerade im Gastrobereich) und es gibt schon einen Grund, weshalb einige dafür jahrelang zur Schule gehen…

    • Alex Flach sagt:

      Es gibt schon noch DJs die (mit ihrem Namen) einen Club füllen können und so war’s auch gemeint. Wenn die Leute mal vor Ort sind gebe ich Dir absolut recht..

  • Günther sagt:

    Wann hört Zürich endlich auf sich mit den Metropolen Europas zu vergleichen (Berlin, Paris, Amsterdam)?
    Zürich befindet sich in der Grössenordnung von Bochum, Lyon oder Edinburgh…

    • Alex Flach sagt:

      Zürich wird im Text mit keiner Silbe mit Berlin, Paris und Amsterdam verglichen. Das sind einfach drei Städte in denen ebenfalls Organe wie der Nachtsadtrat und die BCK existieren. Wenn du sagst dass der Himmel über New York und Zürich blau ist dann ist das wohl wahr, aber vergleichen tust du damit die beiden Städte noch lange nicht….

  • Simon ZH sagt:

    Wenn die Clubs ja so Mühe haben und die Clubs halb leer sind, warum denn so eine strikte Türpolitik? Warum nicht Eintrittspreise senken, was ja die Nachfrage wieder erhöhen könnte? 30 Franken für eine Nacht im Club und dann noch 18 Franken für einen Gin-Tonic finde ich auch als über dreissig Jähriger zu teuer, und ich denke mal, dass Eigentümer gewisser Clubs in Zürich wirklich nicht gerade in Geldnöten schwimmen.

    • Alex Flach sagt:

      Die Leute vergessen halt oft, dass mit den Einnahmen aus Getränken und Eintritten auch die DJs bezahlt werden (nebst allem anderen wie Löhne, Technik, Miete). Zum einen rufen die Leute nach immer noch ausgefalleneren und kostspieligeren Line Ups, verdrängen aber gerne dass das Geld für diese Acts auch irgendwo herkommen muss. Zudem müssen mit guten Abenden mässig besuchte querfinanziert werden. Was die Türpolitik anbelangt…. es gibt genügend Beispiele was passiert, wenn man wegen ein paar eher schlecht besuchter Abende die Schleusen öffnet: Erst verscheucht man die Stammgäste, dann hat man plötzlich Schlägereien und nur noch Männerhorden im Club und am Ende kommt gar keiner mehr. 🙂

      • tststs sagt:

        Hüstelhüstel… wenn wir unsere (Kleinst)Anlässe organisieren, dann herrscht das Motto: Wir strengen uns für die an, die kommen (und nicht für ein etwaiges Wunschpublikum).
        „Erst verscheucht man die Stammgäste, dann hat man plötzlich Schlägereien und nur noch Männerhorden im Club und am Ende kommt gar keiner mehr.“
        Mag in einigen Fällen sicher stimmen; idR will man aber eher die Uncoolen und nicht so Schönen fernhalten. Aber eben, ob der Türsteher den Leuten ansieht, ob er nun eine potentiellen Schläger oder eben doch einen zukünftigen Stammgast abwimmelt, ist eine ganz andere Diskussion 😉

        • Simon ZH sagt:

          Mich würde halt einfach mal interessieren, wieviel Reingewinn die Besitzer der Clubs wie Club Bellvue, Hive, Supermarket, etc. machen (meist gehören einem Trio ja mehrere Clubs) .. Leider gibt es auf der Internetseite dieser Clubs keine Einsicht in die Jahresrechnung bzw. keine Transparenz. Aber auf der andern Seite glaube ich Dir auch , wenn du schreibst, dass Clubs Mühe mit dem finanziellen Überleben haben, da du sicherlich auch das Umfeld besser kennst. Ich finde halt einfach, der Preis sollte sich aufgrund von Angebot und Nachfrage ergeben. Ist der Preis zu hoch, ist ja auch klar, dass die Nachfrage sinkt, was wiederum heisst, dass der Preis nach unten angepasst werden müsste. Und wegen top Line-Up: Wäre ja vielleicht mal ein Bericht wert, wie sich der Monatslohn von Acts wie Animal Trainer oder DJ’s wie Liquid Soul, Manon, etc. berechnet oder wonach deren Wert festgelegt wird. Denke, dass wissen viele nicht.

          • Alex Flach sagt:

            Ich glaube es ist in diesem Land eher unüblich seine Einkünfte und Ausgaben detailliert zu publizieren. Ausser du bist ein Unternehmen das an der Börse ist… Wie sieht’s denn so bei Dir aus Simon?

          • tststs sagt:

            Noch einmal: Das grosse Geld ist in der Gastrobranche nicht zu machen (also im Sinne von: wenig Aufwand, massiv Kohle)!
            Wirtschaftlich gesehen sind die meisten Clubs eher Durchlauferhitzer: Auf der einen Seite kommt das Geld rein, auf der anderen Seite wird es gleich wieder verteilt: Lieferanten, Vermieter, Angestellte, Inventar, Staat.

    • Chutz sagt:

      Lieber Simon, bei uns im Kauz ist der Eintritt von 21-23 uhr gratis, danach meistens 15 Franken. Der Gin Tonic mit einem soliden London Dry Gin (Bankes) & Thomas Henry Tonic Water in einem Glas serviert kostet 15 Franken. Wir haben eine wunderbare Bar, vielmals gute DJs und spannende Live Konzerte, eine Licht- und Musikanlage mit Substanz und ich verdiene als Eigentümer und Geschäftsführer mit dem vollen Risiko 35.- brutto auf die Stunde. Ich bin glücklicherweise nicht in Geldnöten, weil ich einfach lebe, keine Kinder ernähren muss und günstig wohnen darf. Aber viel Spielraum ist da nicht mehr. Vielleicht solltest Du Dein Bild vom „typischen Clubbesitzer“ überdenken.

  • Ivan Casale sagt:

    Ich denke die fetten Jahre sind vorbei. Das Nachtleben wie wir es die letzten 20 Jahren kannten, wurde durch leicht verdientes Geld einer relativ breiten Schicht von Menschen getragen (nicht durch ein professionalisiertes Angebot); das Geld ist nicht mehr so breit gestreut; Lohnniveaus bei den Jungen (z.B im gesamten Bankensektor) ist runtergekommen, Ü40 werden zunehmend mit unsicheren Zukunftsperspektiven konfrontiert – da gibt es einfach zuviel Sinnvolleres als Geld und Zeit ins Nachtleben zu buttern. Vergessen wir nicht, das Nachtleben hat nicht wirklich etwas rekreatives an sich für den Menschen. Wer 2-3 Nächte durchfeiert, hat sich und seinem Körper nichts Gutes getan. Die Rechnung wird dann meist ab dem 30. Lebensjahr präsentiert 🙂 – ich denke, die jetztige Ausrichtung des Zürcher Nachtlebens ist eine Überspitzte, auf ein Publikum ausgerichtet, dass in den kommenden Jahren nicht mehr sondern weniger wird.

    Und ja, ich denke desto mehr von oben herab reguliert wird, desto weniger agil sind Unternehmer.

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