Goodbye Kinski Klub

Der letzte grosse Klub, der noch Gitarrenmusik zum Tanzen lieferte.

Der letzte grosse Klub, der noch Gitarrenmusik zum Tanzen lieferte.

Das Kinski an der Langstrasse wird auf Ende Jahr schliessen. Gemäss den Betreibern sei unter anderem das Geschäft mit Live-Konzerten nicht rentabel genug. Die Reaktionen auf die Schliessungsankündigung fielen bei den Stammgästen bisweilen emotional aus, wie beispielsweise jene der Schauspielerin Jessica Matzig: «Das Kinski macht zu. Mein Herz ist gebrochen. Ich frage mich: Was ist das Problem? Wieso können sich solche Clubs nicht über Wasser halten? Wo sind die ganzen Leute die auf gute Musik stehen?».

Auch Oliver Zemp, Mitinhaber des letzten grösseren Gitarren-Clubs in Zürich, des Abart, nimmt die Schliessung mit Bedauern zu Kenntnis. Zemp, der heute am Restaurant Korner, an der Hafenkneipe und an der El Dorado-Bar beteiligt ist, wird jedoch nicht primär das Konzertlokal Kinski vermissen, sondern die Partylocation Kinski: «Clubs in denen Rock- und Popkonzerte veranstaltet werden gibt es in Zürich genug. Neben dem Mascotte fallen mir da auch das Plaza, das Helsinki, das Dynamo, unsere Hafenkneipe und noch einige mehr ein. Was in Zürich nach dem Wegfall des Kinski jedoch fehlen wird, ist ein Club in dem man zu Gitarrenmusik tanzen kann».

Clubber mit Faible für tanzbaren Rock und Pop aus dem Alternativbereich haben in Zürich derzeit tatsächlich nicht viel zu feiern. Seit der Schliessung des Abart im September 2012 fehlt ein grösserer Gitarrenclub (das Abart bot 500 bis 600 Gästen Platz). Zemp ist jedoch der Meinung, dass ein Club dieser Grössenordnung sowieso nicht mehr funktionieren würde: «Als wir das Abart geschlossen haben, arbeiteten wir zwar noch immer mit grossem Erfolg, jedoch konnten wir in den letzten zwei Jahren vor dem Aus eine leichte Abwärtstendenz feststellen, die sich wohl weiter fortgesetzt hätte. Dieser Niedergang lag und liegt vor allem in einer generellen und globalen Krise im Bereich der Rockmusik».

Das Internet und die illegalen Downloads hätten die Majorlabels vernichtet. Zwar seien diese immer bei allen verhasst gewesen, bloss hätte man irgendwann festgestellt, dass die ungeliebten Majors halt doch viel Geld in spannende Newcomerbands und –trends gesteckt hätten. Diese Förderung würde nun fehlen. Dazu komme, dass mit den Majors auch die grossen Musikzeitschriften untergegangen seien oder zumindest viel von ihrer Bedeutung eingebüsst hätten. All die Musikblogs können diese Lücke nicht füllen, seien meist nur flüchtig und oft schlecht gemacht. Zudem gäbe es tausende von ihnen und Interessierte wüssten gar nicht wo sie sich informieren sollen.

All diese universellen Entwicklungen üben nun einen unmittelbaren Einfluss auf das Zürcher Nachtleben aus. Die elektronische Musik hat das Zepter endgültig übernommen. Dennoch glaubt Zemp, dass in Zürich ein Gitarrenclub mit einem Fassungsvermögen von ca. 200 Gästen durchaus gute Chancen hätte zu bestehen: «Ich selbst mag nicht mehr. Aber wenn da ein paar junge Hungrige kommen würden, wäre ich durchaus bereit ihnen meinen Erfahrungsschatz zu Verfügung zu stellen».

Alex-Flach1Alex Flach ist Kolumnist beim Tages Anzeiger und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Hinterhof, Nordstern Basel, Rondel Bern, Hiltl Club und Zukunft.

17 Kommentare zu «Goodbye Kinski Klub»

  • Rock On sagt:

    Keep on rockin in the free world!

  • KMS a PR sagt:

    mir schwebt von der lokalität eine besenbeiz vor. mit einer kolonialstil-bar, einer grossen disco-kugel an der decke des schrägdaches und strohballen. dazu gäbe es 70er und 80er rock und blues. life bringt das heute keiner mehr in der ursprünglichen form hin. und coverdale kommt nicht ins züri oberland. leider. foreigner auch nicht. zum geilen sound kann man dann nageln, (also nägel in ein brett schlagen…), gott, warum muss ich das erwähnen…und pfeilbogenschiessen und hufeisenwerfen. und dann gibt es themenabende aus dem unerschöpflichen eintagsfliegen-repertoire der 80er. die nicht mehr so ganz frischen mädels können sich dann wieder als pat benatar verkleiden und die jungs schliessen die augen und denken einfach es wäre das original anno dazumal. und zu später stunde gibts dann einen „heuballen-gang-bang“ für die, welche noch mögen, oder so…hach.

  • tststs sagt:

    Ach, ich vermisse das Kinski auch jetzt schon, es hat für mich diesen Charme der „guten alten Zeit“, als unter den Biergläsern noch Asche von der Ziggi klebte und man sich an Geländern festhalten musste, wenn man in den Keller stoplerte; als sich Türsteher, Garderobenmagd und Barpersonal noch als Dienstleister verstanden; als Sein mehr wert war als Schein…

    Was ich aber nicht ganz verstehe: Wieso haben die Betreiber nicht mehr daraus gemacht? Wieso hat man z.B. die Bar oben nicht geöffnet, auch wenn unten keine Konzerte/Parties stattfanden?! Das Fumoir müsste doch ein Publikumsmagnet sein… aber ja, aus der Ferne sind solche Ratschläge immer einfach zu äussern.

  • Simon ZH sagt:

    kann mir jemand sagen, weshalb die beliebte (Soul, Jazz, Funk) Casa-Bar im Niededorf damals schloss? Der Laden lief ja super gut, Live-Sound, normale Gestränkepreise und immer voll?

    Wohl aus meiner Sicht sicher ein Opfer der Gentrifizierung.

    • Doerfli sagt:

      Das Haus gehoerte den alten Besitzern der Casabar. Leider ist der alte chef frueh gestorben. Danach hat man das Lokal verpachtet. Ein solches Lokal in der pacht zu fuehren ist teuer. Rein steuerlich haette sich das damalige Paechterteam wohl den schaden leisten koennen, aber eben… Wenn man in 11 von 12 monaten rote zahlen schreibt… Schau doch mal bei der barrio5.ch rein. Ein teil der bands spielt jetzt dort.

      Muss sagen dass ich die Casa auch sehr vermisse.

  • spot sagt:

    das mit den major labels und der nachwuchsförderung mag ich nicht so recht glauben, auch das mit der lücke durch das verschwinden der magazine nicht. es hat einfach eine demokratisierung stattgefunden, es gibt also mehr bands mit jeweils weniger strahlkraft, was dazu führt, dass es keine hits und keinen mainstream mehr gibt. das coole an techno etc. ist, dass die leute auch abgehen zu einem geilen track, den sie noch nie gehört haben. warum das so ist, könnt ihr mir vielleicht erklären. rockleute wollen nur ihre hits hören und ohne mainstream gibts halt keine hits mehr. von dem her macht eine rockdisco 2015 keinen sinn mehr. hiphop ist so ein mittelding, durch die immer grössere chart/radiopräsenz und die durchmischung von underground und kommerz ist es eigentlich die ideale moderne partymusik.
    ich find „rockdiscos“ eh merkwürdig. rock ist gut für konzerte und für bars und dort kann man ja durchaus ein bisschen das tanzbein schwingen. aber einen expliziten dancefloor mit rockhits brauch ich echt nicht. und ich sag das alles als fleissiger metal/rock/punkkonzertgeher.

    • Alex Flach sagt:

      Das Abart war ein gutes Gegenbeispiel zur These, dass Rockdiscos etwas „seltsam“ seien. Hier wurde auch mit Crossover experimentiert und es gab DJs, die darauf spezialisiert waren überaus tanzbaren Rock und Pop zu mixen. Das hat ganz wunderbar funktioniert, war aber natürlich ganz und gar nicht im klassischen Metal, Punk oder Glamrock angesiedelt, sondern im überaus zeitgemässen Indie und Alternative. Ich glaube schon, dass ein unmittelbarer Zusammenhang bezüglich sinkender Strahlkraft und Niedergang der Majors existiert. Auch in anderen Bereichen ist es ja so, dass Trends und Hypes mit Geld kreiert werden. Und dieses Geld ist ja nicht primär weggefallen weil sich weniger dafür interessiert hätten, sondern weil wir dank des Internets in einer Gesellschaft leben, in der alles gratis sein muss. Wobei Du natürlich auch recht hast… die Musik würde wohl auch so elektronischer und elektronischer, jedoch wäre der Prozess wohl um einiges schleichender gewesen.

  • Das Kinski war sicherlich gut und es tut weh, dass es aus sein soll. Ich denke, es gibt aber nach wie vor genügend Nischenclubs, welche gute Qualität bringen, fernab vom 08/15 Electro Brunz, der die Stadt dominiert. Der Rage Club in Schlieren bietet nicht das 08/15 Programm und feiert bald seinen 15 jährigen Geburtstag. Dies zeigt, dass auch kleine Nischenclubs, die nicht mit dem Strom schwimmen, überleben können.

    • Alex Flach sagt:

      Dazu muss ich sagen, dass sich der Beitrag auf die Stadt Zürich beschränkt. Da hast du natürlich schon recht; insbesondere in der Agglomeration und auf dem Land gibt es schon noch einige Rock-Clubs, wobei diese halt oftmals nicht wirklich neue Sachen aus dem Alternative- und Indiebereich spielen sondern Rock-Klassiker repetieren.

  • geezer sagt:

    ja, das ist tatsächlich sehr schade. es hat mir im kinski immer gut gefallen. aber der herr Stricker und seine kollegen werden vielleicht wieder bald irgendwo einen rockerschuppen eröffnen; so hoffe ich zumindest. und ja, es gibt in dieser stadt zum glück noch alternativen zum immer präsenten (und für mich ebenso langweiligen) ’standard-nznznznznz’……

    • Alex Flach sagt:

      Welche wären das denn? Abgesehen von Konzerten?

      • El Barto sagt:

        das Gonzo z.B.??

        • Alex Flach sagt:

          Das Gonzo auf jeden Fall, ja. Aber nicht in Ausschliesslichkeit (Rock); im Gonzo haben auch andere Genres Platz.

          • geezer sagt:

            bei einem ‚reinen‘ rockschuppen hast du wohl recht. obwohl: im kinski lief ja auch verschiedener sound, nicht ’nur‘ rock. aber der schwerpunkt war schon gegeben. jedoch gibt es auch nach der schliessung noch andere bars und clubs, wo handgemachte musik (auch ab konserve) trumpf ist. so habe ich das gemeint.

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.