Legal oder illegal?

Tony Bolli vom Plaza versteht den Ruf nach  illegalen Partys.

Tony Bolli vom Plaza versteht den Ruf nach illegalen Partys.

Letzte Woche habe ich an dieser Stelle das Bedürfnis der Clubber nach mehr Subversion und Illegalität thematisiert, was für Aufruhr gesorgt hat. Die Reaktionen fielen höchst unterschiedlich aus, wobei einige etablierte Clubmacher auch Verständnis zeigten für den Ruf nach mehr Nightlife-Effort in der juristischen Grauzone.

Tony Bolli, Programmchef Plaza Club: «Ich finde, der Underground braucht eine illegale Seite. Die Begriffe Underground und Illegalität sind für mich nicht zu trennen. Allerdings gibt es in Zürich kaum mehr Strukturen für solche Lokale, von denen es früher viele gab. Dazu kommt, dass diese Szene immer auch von ihrer Verschwiegenheit gelebt hat: Partyinfos wurden nur via Mundpropaganda weitergegeben. Heute werden illegale Wald- und Wiesenfeste auf Facebook promotet. Es wäre trotzdem schade, wenn das Nachtleben den Underground-Aspekt verlieren würde.»

Sandro Bohnenblust vom Supermarket ist anderer Ansicht: «Der Begriff Illegalität wird von den entsprechenden Veranstaltern meist so gedeutet, dass man sich an keine Vorschriften hält: keine Lüftung, keine Feuerpolizei, keine Alkohol- und Mehrwertsteuer et cetera. Daher sollten die Betreiber illegaler Clubs bestraft werden. Sie nehmen eine Gefährdung ihrer Gäste durch fehlende Notausgänge in Kauf. Im Brandfall würden solche Lokale zu Todesfallen. Für mich gehören Illegalität und Underground nicht zwingend zusammen: Underground heisst für mich, nicht jede Gelegenheit zur Publizität wahrzunehmen – und eine Musik, die Eigenständigkeit vermittelt. Heute kriegt man das meiste bewilligt, man braucht bloss gesunden Menschenverstand und die Bereitschaft, mit den Behörden zu reden. Und eine Illegalität, nur um der Illegalität willen, ist verlogen.»

Anatol Gschwind (Hive und Gonzo) sieht es differenziert: «Klar habe ich Verständnis für den Ruf nach illegalen Clubs. Temporäre Lokale, die es morgen vielleicht schon nicht mehr gibt, sind spannend, und der Reiz des Verbotenen lockt zusätzlich. Man nimmt Mängel in Kauf, die in einem offiziellen Club nerven würden: fehlendes Eis, warmes Bier, versiffte Toiletten – trotzdem wollen alle da hin.

Hinzu kommt, dass solche Locations verlockende Freiheiten bieten: Für DJs gibt es keine Lärmbeschränkungen, Gäste dürfen im Club rauchen, es gibt kein Security, die einem Vorschriften macht. Illegal ist aufregend und darüber hinaus auch billiger. Wir bezahlen Unsummen an Sozialabgaben und Urhebergebühren, wir plagen uns mit einem Rauchverbot rum und wir erfüllen jede Auflage der Feuerpolizei, wobei wir letzteres auch ohne Vorschriften tun würden. Ich habe kein Verständnis dafür, dass viele Betreiber illegaler Clubs nicht einmal die Sicherheit der Gäste gewährleisten. Ich denke nicht, dass das offizielle Nachtleben langweilig ist. Wir versuchen stets, die Qualität zu verbessern: durch bessere Soundsysteme, spannende Bookings, neue Einrichtung – und indem wir mit den richtigen Leuten zusammenarbeiten.

Alex-Flach2Alex Flach ist Kolumnist beim Tages Anzeiger und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Hinterhof, Nordstern Basel, Rondel Bern, Hiltl Club und Zukunft.

20 Kommentare zu «Legal oder illegal?»

  • Dorian Doppelganger sagt:

    Ich frage mich bei diesen Beiträgen immer, wieso sie nicht irgendwo gross mit Werbung angeschrieben werden müssen.

  • Wendy sagt:

    Wir haben illegale Parties gemacht um den Sound spielen zu koennen den wir liebten – UK Bass Musik, Grime, Dubstep – vorher Promo-CDs verschickt und vorgesprochen bei x Clubs, um irgendwo einen Fuss reinzukriegen. Kein Club wollte sich an neuer Musk in die Finger verbrennen, da wurde immer nur gefragt ob wir den mindestens 250 Leute bringen von unserer Seite. Und was fuer ne Art Leute das denn waeren, ob sie denn auch 16 Stutz fuer einen Drink zahlen, oder doch lieber ihr mitgebrachtes Bier draussen bunkern. Am Schluss hatten wir hunderte von Leuten an den illegalen Parties, bis es zweimal zu Krawallen kam – danach war der Weg dann ploetzlich offen um Dubstep im Club zu spielen. Aber was will ein junges Publikum im Kaufleuten, wenn Bier und Drinks sauteuer sind?

  • Giancarlo sagt:

    Ich war praktisch das ganze erste Jahrzehnt des neuen Millenniums am Weekend in Zürich unterwegs – und lasst mich es mal so formulieren: Zürich hat die besten Clubs der Welt! Keine andere europäische Stadt kann mithalten. Wieso? Wegen der Profis wie Toni, Sandro und Anatol und viele mehr! Klar war es auch mal lustig in einer illegalen Party zu landen aber warmes Bier ist halt einfach Scheisse…. (übrigens finde ich die Toilettendiskussion in den anderen Kommentaren ziemlich lähmend … who cares!) Die erwähnten Unternehmer (auf eigenes Risiko und mit eigenem Kapital) haben Clubs mit Underground flair und Underground Musik erschaffe und haben den Spagat geschafft, das bisschen Sicherheit, dass es halt braucht und last but not least mit Kühlschränken voller kühles Bier bis am nächsten Morgen! Hut ab und grosses Kompliment, Züri het de beschti Usgang vo de Welt, betrieben von Profis mit Geist, Geschmack, Verstand und Undergroundfeeling!

  • Anonym Illegal sagt:

    Früher war ein „Club“ illegal, wenn er nach 2 Uhr noch offen hatte. Meiner hielt immerhin 1,5 Jahre durch… Und wir haben es weder für Geld noch für Lichtkonzepte bla bla gemacht, sondern für/wegen der Musik, und NUR wegen der Musik! Wenn ich hier die Cüplifraktion lese und spüre, weiss ich , dass ich nach der „Öffnung“ nichts verpasst habe! Wir hatten New Wave, das Flamingo die Poppers. Herrlich ehrlich, und ohne Hintergedanken von wegen möglichen Feuer/Security etc. 1 Türsteher reichte dazumals. Fazit: Illegal war mal! Heute ist es der Wunsch nach den guten alten Zeiten, die soo gut aber auch nicht wirklich waren, da eben illegal!

  • Leser sagt:

    Musste lachen, als ich über „versiffte Toiletten“ bei illegalen Partys gelesen habe.
    Dafür, dass man nicht wenig Eintritt zB im Hive bezahlt sind sie Toilette ndort meist mindestens so versifft wie eine Bahnhofstoilette…

    • Alex Flach sagt:

      Das war wohl nicht das glücklichste Beispiel…. 🙂 Wenn Du innert 12 Stunden über 1’000 Clubber durch dein Lokal schleust, sehen die Toiletten nachher gezwungenermassen etwas mitgenommen aus. Der Unterschied: Vor der nächsten Party sind sie wieder sauber. Ich denke so hat er’s gemeint.

      • Leser sagt:

        Muss auch zugeben weder hive noch Gonzo sind mir in dieser Hinsicht je besonders negativ aufgefallen, aber ganz ehrlich für die Preise müsste man sich auch Zwischendrin mal eine Putzfrau fürs WC leisten können, nicht nur nach Feierabend (bzw. Feiermorgen im Hive ;))
        Aber gerade in Zürich gibts genugs Clubs die zwar genug Eintritt verlangen aber es nicht mal hinkriegen Toiletten zur Verfügung zu stellen die ein Mindestmass an Sauberkeit aufweisen (und nein ich bin wirklich nicht speziell Heikel) und dafür dann noch Geld zu verlangen…naja. Aber wie gesagt hive und Gonzo sind da nicht die Extremfälle die mir in den Sinn kommen

    • Adrian Wehrli sagt:

      Die Clubs sollten halt konsequent die Toiletten segregieren: Fürs Rotzen, reicht ein grosser Spiegel, fürs Knallen brauchen die Paarchen keine Schüssel. Nur für den koksinduzierten Kack, da brauchts ein saubers Klo ….

  • Geo sagt:

    Die Menschen bewegen sich ja immer von Arbeitszellen zu Wohnzellen zu Feierzellen, da darf es schon mal etwas Abwechslung sein.

  • Theresa sagt:

    Der Ruf nach mehr Underground und Illegalität ist wesentlich mit dem Bedürfnis nach Authentizität verbunden. Die Jugend will nicht nur in immer den selben durchkommerzialisierten oder scheinalternativen Locations feiern. Vielmehr werden innovative Orte, kreative und auch sich wandelnde Konzepte, neue Projekte, angemessene Preise etc. verlangt. Sehr gut nachvollziehbar.

  • Moe sagt:

    Es geht doch nicht darum ob eine Party legal oder illegal ist – müsste man sich nicht noch ein paar Stufen weiter in diese Thematik hineinversetzen, um zu Verstehen warum solche Events eine magische Anziehungskraft besitzen?

    Wir Menschen sind relativ einfach gestrickt: Wir sind auf der Suche nach neuen bzw. veränderten Strukturen.
    Nehmen wir als Beispiel die Musik: Egal wie grossartig und innovativ ein Lied ist, verliert dieses beim fünfzigsten Mal hören ihren Reiz. Plötzlich ist das einst so geliebte Stück eintönig und langweilig. Dies nicht weil der Track schlecht ist, sondern weil wir ihn auswendig gelernt haben. Keine Baseline, kein Break, kein Drop überrascht mehr – immer das Gleiche.

    Genau das Gleiche passiert mit unserem (apropos weltklasse) Clubangebot in Zürich. Grandiose Clubs, grandiose Dj’s, grandiose Soundanlagen, grandiose Lichtkonzepte… Aber das/der/die (Club deiner Wahl) wird nie mehr so sein wie beim ersten Mal. Wir verhalten uns wie Junkies auf der ewigen Suche nach dem Gefühl des ersten Schusses.

    Ausgang fängt bereits am Mittwoch im Gonzo an, Donnerstag gehen wir in die Zukki und Freitag/Samstag sind wir bei den üblichen Verdächtigen – möchte man nicht in den Ausgang um den Alltag zu entfliehen anstatt diesen genau einen Bestandteil davon werden zu lassen? Die hohe Qualität und das (Über)Angebot der Clubs: Fluch oder Segen?

    Wie kann es sein, dass die letzte Party an der man richtig (und ich meine richtig) Spass hatte, eine Geburtstagsparty in den eigenen vier Wänden war, unter Freunden, ohne Lichtkonzept, mit angeschlossenem iPhone an einer Musikanlage welche man im Brocki nicht mal kostenlos annehmen würde? Wie kann es sein, dass Leute es in Kauf nehmen 20 Minuten anzustehen um bei einer Underground-Party auf die dreckigste Toilette der Welt zu gehen? Wie kann es sein, dass die Clubs im Ausland immer besser sind als unsere Eigene?

    Nicht weil sie legal oder illegal sind, sondern weil sie uns eine neue Strukturen zeigen – fernab des alltäglichen Wahnsinns.

  • Toerpe Zwerg sagt:

    Gästesicherheit gewährleisten? Dann geh doch zur Feuerwehr.

  • Stefan Maier sagt:

    „wir plagen uns mit einem Rauchverbot“. Wer ist mit „Wir“ gemeint? Geplagt hat viele Gäste der Rauch, nicht die Rauchfreiheit.

    „Locations verlockende Freiheiten bieten: Für DJs gibt es keine Lärmbeschränkungen, Gäste dürfen im Club rauchen“

    Für die Mehrheit der Gäste ist es eine verlockende Freiheit, nicht mitrauchen zu müssen.

    • Alex Flach sagt:

      Mit Wir sind die bewilligten Clubs gemeint, die in der Legalität operieren und sich an die Auflagen der Behörden halten. Was die verlockende Freiheit nicht mitrauchen zu müssen betrifft: Die kriegt man in den bewilligten Clubs und zwar ausnahmslos.

    • Adrian Wehrli sagt:

      .. ach ja? Und wieso darf dann niemand einen Nachtclub für Raucher betreiben? Weil die aso-hardcore-nichtsmöger in Ihrer totalitären Haltung das auch gleich Verboten haben … Gruss vom „Wir“

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.