Der «gute» Gast
Clubs werden nach ihrem Publikum bewertet. Steht ein Lokal im Ruf, gute Gäste zu haben, stimmt auch die Kasse. Wird ihm jedoch nachgesagt, ein Idiotenmagnet zu sein, grämt sich der Clubchef, weil er sich sicher sein darf, dieses negative Bild seines Betriebs kaum mehr übertünchen zu können; ist der Ruf erst ruiniert, sich der Gast von nun an ziert. Wer aber ist ein guter Gast? Was unterscheidet ihn von den Geächteten?
Jeder hält sich selbst für den optimalen Gast, ganz besonders die Szene-Ultras, die überall gratis reinkommen und sich dann vom Nachtchef Drinks spendieren lassen. Das ist natürlich Blödsinn: Clubbesitzer müssen Löhne, Mieten und Wartungskosten bezahlen, also ist der, der nichts bezahlt, der schlechteste Gast. Das Argument, dass Szenis weitere lässige Rädelsführer anziehen, ist ein dummes, weil auch diese mit Memberkarten und Gratisdrinks gefüttert werden müssen, will man sich ihre Loyalität sichern. In letzter Konsequenz hat man die Tanzfläche voller tätowierter Hipster und den Schreibtisch voller offener Rechnungen.
Sind also Investmentbanker und Rich Kids die idealen Gäste, die zwar die Wände mit traubenbasiertem Sprudel vollspritzen, die aber mit Hunderternoten um sich schmeissen, als wäre es Konfetti? Die Opinion Leaders dieser Zielgruppen protzen nicht nur damit, dass sie lieber in London oder New York clubben, sie tun es offenbar auch. Ihre Loyalität zu den lokalen Clubs hält sich also in Grenzen. Aufgrund dieser Absenz von den Luxus liebenden Meinungsführern fällt es den Clubmachern schwer, die Gruppe der monetären Füllhörner an sich zu binden. Der letzte Club dem dies, zumindest für eine gewisse Zeit, gelungen ist, war das St. Germain.
Vielleicht ist der Musiknerd der ideale Gast, der Auskenner, der sich seine Clubs nach deren Line-ups erwählt. Wir leben jedoch in einer Zeit, in der oftmals nicht einmal DJs Genregrenzen ziehen können, geschweige denn das Publikum – die Welt der elektronischen Musik ist eine diffuse, in der nur noch einige wenige Eingeweihte durchblicken. Aus diesem Nebel ragende DJs, die genügend Interessierte anziehen, verlangen mittlerweile astronomisch hohe Gagen, sodass es sich für die Clubs kaum noch lohnt, sie zu buchen. Für 4000 Franken bekommt man keine Plattenprofis mehr, die eine Tanzfläche zu füllen vermögen. Schweizer Clubs mit internationalem Renommee, die deshalb eigentlich teurere DJs zu Vorzugsgagen kriegen, lassen sich an einer Hand abzählen. Das üppige Club-Angebot in Zürich sorgt zudem dafür, dass es beinahe unmöglich geworden ist, sich eine eigene musikalische Nische zu schaffen, da sich in jeder Ecke bereits die Mitstreiter rangeln.
Clubchefs kommen nicht mehr umhin, Kompromisse einzugehen und ihren Türstehern eine grosszügige Einlasspolitik einzubläuen, ausser natürlich, in ihren Club passen nicht mehr als 200 Menschen und sie könnten es sich leisten, auf dem persönlichen Traumgast zu bestehen. Eigentlich eine gute Zeit, ein Idealbild aus den 90ern auferstehen zu lassen: Damals galt ein Club als gut, wenn sich an dessen Bar der Punk und der Banker angeregt über Gott und die Welt unterhalten haben.
Alex Flach ist Kolumnist beim Tages Anzeiger und Club-Promoter. Er arbeitet unter anderem für die Clubs Supermarket, Hive, Nordstern Basel, Rondel Bern, Blok und Zukunft.
20 Kommentare zu «Der «gute» Gast»
Der gute Gast ist das eine, der gute Service das andere – wenn ich 3 Stunden Handstandakrobatik auf dem Tresen vorfuehren muss, bevor der Sevice realisiert, dass mein Bierglas leer ist, dann hat der Laden ein hausgemachtes Problem, das nicht den Gaesten anzulasten ist …
Verehrter Alex Flach, wie immer präzise, an den richtigen Stellen hässig und knackig formuliert.
Offeriert Ihnen die Leserschaft Gratisdrinks ? Warum eigentlich nicht? (Ich bin nie im Ausgang, aber anderen Lesern sollte es ja nicht an Gelegenheiten mangeln!)
Klubs sollten sich auf ihre Kompetenzen besinnen, sie bieten eine Dienstleistung an, sie bieten Unterhaltung, ist sie gut, wird dafür bezahlt. Da gibt es Klubs die bieten Musik im Sinn von Kultur, sprich, Kunst und es gibt Klubs, in denen man die Hände in die Höhe wirft und auf den Drop wartet. Jeder Klub bietet das, was er gut kann und das Publikum richtet sich nach den persönlichen Vorlieben. Es wird nicht funktionieren das Publikum zu steuern, denn auch die Dümmsten merken, wenn man ihnen nur das Geld aus der Tasche ziehen will und niemand mag, wenn man ihm das Geld aus der Tasche zieht. So gesehen sollte man nicht nach dem perfekten Gast suchen. Erstrebenswerter ist es ein guter Gastgeber zu sein. Das führt zu vollen Kassen, bezahlten Rechnungen und einem glücklichen Partyvolk..
Das ist die Grundvoraussetzung, ein guter Gastgeber zu sein, aber darin erschöpft es sich nicht. Viele Clubs nehme an, je mehr Investment in den Laden, je mehr DJ-Stars, desto angesagter. Das halte ich für falsch. Die Atmosphäre ist entscheidend und dazu gehören neben einem wirklich kreativen Konzept eine angenehme Klientel. So hat man am Ende des Abends nicht nur das Gefühl, viel Geld gelassen zu haben, sondern um einen guten Abend und viele nette Momente reicher zu sein. Mit schnöseligem Volk und dem falschen oberflächlichen Kleidungsstil, also mit einer Markenlogoklientel, erreicht man das meist nicht. Denn Menschen die sich über Marken anstatt über ihre Persönlichkeit identifizieren tragen selten wirklich zu richtig guten und intensiven Abenden bei.
Grundvoraussetzung ja. Geben sich die Gastgeber immer die Mühe? Natürlich ist die Klientel massgebend für die Stimmung, jedoch glaube ich, dass eine konsequente Linie der Partymacher, langfristig zur Regulierung der Gäste beiträgt (Gleich und Gleich gesellt sich gern). Angenehme Klientel finde ich ein sehr schöner Ausdruck. Genauso wie es zur Grundvoraussetzung gehört ein guter Gastgeber zu sein, gehört es zur Grundvoraussetzung ein guter Gast zu sein. Damit meine ich ein anständiges und der Gesellschaft entsprechendes Verhalten zu zeigen. Mir ist bewusst, diese Erwartung wird nie erfüllt, doch seine Türen nur vermeintlich „Guten“ Gästen zu öffnen sehe ich als keine Lösung.
„Damals galt ein Club als gut, wenn sich an dessen Bar der Punk und der Banker angeregt über Gott und die Welt unterhalten haben.“
Hüii-iu-iu-iu-iu! Achtungachtung! Nostalgiepolizei! Welche Clubs genau meinen Sie? Oder sprechen Sie von Bars?
Ich würde auch sagen, die Clubs waren früher durchmischter – aus Notwendigkeit, nicht aus Hippie-Gefühlen – aber gerade soooo extrem? Kann mich weder an den Schlipsträger im Abart, noch an den Punk im Kaufleuten erinnern…aber ja, vllt liegt es auch an meinen Erinnerungen… 😉
wahrscheinlich wird man da wie anderswo feststellen, dass ohne konsumierenden mittelschicht nichts läuft.
aber das wird man natürlich erst checken, nachdem man die neoliberalen mödeli durchexerziert hat.
dann kann man ja dann den staat nach subventionenen oder steuererleichterungen oder befreiung von hygienevorschriften oder möglichkeit für dumpinglöhne anrufen, damits doch noch rentiert.
Der ideale Besucher ist:
-männlich
-in Begleitung von min. 2 Damen
-Aussehen eines 20jährigen
-Kohle eines 40jährigen
-Trinkvermögen eines 60jährigen
😉
ich finde wie immer alex: toll geschrieben.
ABER: Menschen die an der Bar länger als 15 minutwn verweilen, gehen mir auf den Keks.
Das sind leider meistens diejenigen, die 30 Minuten an einem Bier nukkeln, den weg versperren, kein Trinkgeld geben usw.
Am liebsten sind mir die Tänzer, die alle Stunde einen Drink holen, verschwitzt sind, und sich mit 2.– Trinkgeld für die Erfrischung bedankeb.. Wer labern will, kann ins Dante, oder so. Die Drinks sind in den meisten Clubs so oder so meistens scheisse gemischt. Ausser derm Moscow Mule im Hive, und den Vodka Soda in der Zukunft, kann man an den meisten Orten nur shots «geniessen»
<3
Dann spreche ich mal für Berlin. Der ideale Clubgast ist da der, der sich szenetauglich locker kleidet, ohne Markenlabel, einen Grund-IQ hat, exzessiv feiert und und darauf und den Abend auch Lust hat, anstatt nur zu glotzen und schnöseln, sich also auch beim Tanzen gehen lassen kann und seine Persönlichkeit präsentiert, das ganze dann friedlich ohne Agression. Geld spielt da auch keine Role, weil selbst in den angesagtesten Clubs alles bezahlbar ist, teure Kommerztempel sind außer bei den Aglos nicht angesagt.
Ich kenne in Berlin eigentlich nur das Berghain. Aber da muss ich dir diesbezüglich recht geben. Gekostet hat dort nichts wirklich viel, obwohl es «der beste Club Europas» sein soll.
Aus dem Artikel: «Damals galt ein Club als gut, wenn sich an dessen Bar der Punk und der Banker angeregt über Gott und die Welt unterhalten haben.»
Das kann man im Berghain durchaus noch so erleben.
heute kommt der punkt nicht mehr rein, weil er sich eintritt und drinks nicht leisten kann, und mit seinen kleidern den türsteher nicht passieren darf.
@ Elena, .. mmh, bezüglich Banker im Berghain: aber nur alls man im Berghain als Mann um 7.00 morgens mit einem Hemd oder feinem Anzug an den scharfen Augen Marquardt’s auch wirklich vorbei kommt. ..
David stimmt nicht, denn Banker im BH müssen schön die Grundkreativität mitbringen, ihre Bürokleidung mal zu Hause zu lassen. Wer das nicht schafft, passt nicht in die wirklich guten und angenehmen locations. Im BH verkehren Ministeriumsmitarbeiter, Bänker, Ärzte etc., aber eben ohne dass sie das aufgrund kleinen Intellekts vor sich hertragen müssten.
Banker im BH? Was könnte kreativer sein? Banker im Tanga?
Muhahaha….
Tststs Sie würden sich wundern, da gibt es solche, die nur zu den speziellen Snax-Partys oder ins Laboratory gehen. Andere tanzen oben ohne mit muskulösem freien Oberkörper und ihren Gespielen, eine echt lockere Atmosphäre. Wieder andere haben normale Clubklamotten an, aber nie mit oberflächlichen Markenlogos oder gar Hemden etc., sondern alle kreativ und feierlustig ihrem Charakter entsprechend gestylt, vor allem individuell und nicht uniform angepasst.
Hhhhhhh….Blue Head today….aaaaaa? 🙂
Ihr letzter Satz trifft für mich in schwarze, muss schon hunderte von Jahren her sein…..***
lieber herr flach. sie sind ein elender idealist. und sie haben recht. das einzig archaische an den heutigen clubs sind die türsteher.
…und Sie sind ein Pragmatiker. 🙂