Das Street-Parade-Hickhack

«Deppenfasnacht» nennen einige Clubbetreiber die Street Parade, ohne Respekt für Besucher wie diese.
«Enjoy The Dancefloor» – so heisst nicht nur das Motto der Street Parade 2014, sondern auch die Hymne des Zugers Mike Schuhmacher. Gemäss Wikipedia ist eine Hymne «ein feierlicher Preis- und Lobgesang» und «Ausdruck hoher Begeisterung». Das alles ist das Liedchen von Schuhmacher natürlich nicht. Es ist, wie all seine Vorgänger, ein dahinplätscherndes Gedudel, das sich bei möglichst Vielen beliebt machen will und das deshalb von keinem geliebt wird.
Wichtig war der Jury Tanzbarkeit und Radiotauglichkeit des Stücks. Das mit der Tanzbarkeit dürfte kein Problem gewesen sein, denn wir leben in Zeiten, in denen Breakdancer zur Musik Johann Sebastian Bachs auf Tournee gehen (Flying Bach). Aber was genau ist mit Radiotauglichkeit gemeint? Sender die sich im Bereich anspruchsvoller Clubmusik engagieren wie Kanal K, Radio X und SRF Virus?
Gemeint waren wohl eher Stationen, die beim Wort «Ausgang» an lustige 90’s-Partys denken und die Clubmusiker nur dann berücksichtigen, wenn sie in den Schweizer Charts auftauchen wie Robin Schulz, Calvin Harris und Klangkarussell. Das versammelte Schweizer Nachtleben hat Schuhmachers Hymne reflexartig als unbrauchbar taxiert: Der Song sei ein lästiges Stück Ohrenschmalz, das zwei, drei Tage nach der Parade wieder vergessen sein werde. Selbst Mike Candys mault, der Track sei zwar gut fürs Radio, habe aber nichts mit EDM zu tun – diesen Kommentar hätte sich der Jockey mit der Smiley-Maske, der auch schon im ZDF-Seniorenformat „Fernsehgarten“ aufgetreten ist, wohl besser verkniffen…
In der Zürcher Clubszene hegen die allermeisten keine Meinung zur Hymne. Einigen nennen sie als Beleg dafür, dass die Street Parade mit dem Nachtleben schon lange nichts mehr zu schaffen habe. Die Reaktion des Street Parade Pressesprechers Stefan Epli nährt diese Ansicht: «Es sind immer die Gleichen, welche die Street Parade schlecht machen wollen». Nicht gerade eine Antwort, die allzu viel Offenheit anderslautenden Meinungen gegenüber signalisiert. Schuhmacher ist mit seinem lauwarmen Liedchen mit Country-Einschlag, das sehr an einen Hit von Avicii erinnert, zumindest eines gelungen: Er hat das alljährlich stattfindenden Hickhack zwischen Street Parade Komitee und Zürcher Nachtleben eröffnet.
Die Annäherungsbemühungen des letzten Jahres sind im Larvenstadium stecken geblieben: Der von der Bar und Clubkommission vorgeschlagene Solidaritätsbeitrag, aus den Einnahmen der Street Parade Afterpartys einen Teil an das Street Parade Komitee abzugeben (2 Franken pro zahlendem Gast), stiess nur bei wenigen Clubbesitzern auf Wohlwollen und so blieb es beim guten Willen und einem marginalen Beitrag von unter 10‘000 Franken. Die Clubs werden sich also auch in diesem Jahr am Street Parade Wochenende eine goldene Nase verdienen und gleichzeitig verlauten lassen, nichts mit dieser «Deppen-Fasnacht» am Hut zu haben. Das Street Parade Komitee wiederum wird auch 2014 die Massentauglichkeit über alles stellen und dann den Zürcher Clubs vorhalten, sie würden sich nicht genügend engagieren. Schizophren verhalten sich beide Seiten, aber wieso mit Nachdruck was dagegen unternehmen, wenn sich alle dabei wohlzufühlen scheinen.
Alex Flach ist Kolumnist beim Tages Anzeiger und Club-Promoter. Er arbeitet unter Anderem für die Clubs Supermarket, Hive und Zukunft.
9 Kommentare zu «Das Street-Parade-Hickhack»
Das Verhalten der Clubbetreiber geht meiner Meinung nach gar nicht. Die verdienen extrem gut während der Parade! Vielleicht etwas weniger Hochnässigkeit würde wohl den Damen und Herren gut tun.
…das ‚Damen‘ braucht’s in dem Zusammenhang nicht 🙂
Einerseits hat sich das Früher aus „Früher war Alles besser“ in eingeweihten Kreisen längst als „vorfrüher“ etabliert, nur von vorfrüher kann man noch mit glitzrigen Äuglein erzählen.. („ich war ja 1998 das letzte Mal, aber schon da wars einfach nicht mehr das gleiche..
„) andererseits sinds auch immer die gleichen, die die SP gutmachen wollen. Es gleicht sich wieder aus 😉
Thema vorfrüher, wenn schon mal dran: Kennt evtl. jemand n gutes Restaurant/Cafe, das Brixton, Beverly Hills 808 303, Woody McBride usw. in der Hintergrund-Dudelmusikplaylist führt? :->
Puuhuhuh ANTI-ROBOT, was ist denn in diese Jury gefahren? Die Remixer werden’s schon noch schaukeln.
In jedem Fall, denn wenn die Paradenmacher mehr auf experimentellen und innovativen sound setzen würden, wäre die Presse international noch überragender, noch spannendere Menschen der Szene kämen und die Landeier würden als Beifang auch nicht fehlen. Die Clubmacher haben nichts davon, wenn die Parade weniger Erfolg hat, insofern wäre eine Unterstützung ggfs. gg. Mitspracherechte beim szenigen Freakfaktor nur naheliegend.
zeitgeist, zeitgeist. die jungen haben ja keinen bock mehr, erstmal was anständiges zu lernen. man macht lieber schon mit 14 einen auf träller-superstar und so. und idealisten sind die schon lange nicht mehr. typen wie schumacher sind die vujos der kommerzgeilen singsang-industrie. somit eigentlich nicht der rede wert.
Aber, aber, jetzt tun Sie der heutigen Jugend unrecht!
Dass man mit Trällerei auch vor dem Stimmbruch schon ziemlich weit kommen kann (inkl. tiefer Fall), zeigte uns schon Heintje… 😉
jaaa jaaaa so blaublaublau blüht der eeenziiiiaaaaan! äh-nein…das war ja heino…aber das ist fast noch schlimmer.
„aber wieso mit Nachdruck was dagegen unternehmen, wenn sich alle dabei wohlzufühlen scheinen“
Bash, ergo sum… können wir uns bald einmal auf die Flagge nähen…