Nicht cool genug
Als Steve Rubell 1977 zusammen mit Ian Schrager an der West 54th Street in New York das Studio 54 eröffnete, behielt er sich das Recht vor, die Glücklichen die seinen Club betreten durften, persönlich auszuwählen. Rubell wusste, dass ihm Stammgäste und Publikumsmagneten wie Truman Capote, Liza Minnelli, Andy Warhol und John Travolta nicht lange erhalten bleiben würden, sähen sie sich eines Abends plötzlich von mitfeiernden Proleten aus New Jersey umringt.
Also stand er jeden Abend an der Tür des Studio 54, liess sein Auge über die andrängenden Massen schweifen und entschied persönlich über Einlass oder Abweisung. Er erhob dadurch die Funktion des Selekteurs zur Chefsache und versah den Job mit der Aura eines Halbgottes, der mit einem flüchtigen Blick die Menschen in würdig und unwürdig zu unterteilen vermag. Rubell, der Clubchef, der die Selektion seiner Gäste selbst übernimmt, blieb eine Ausnahme.
Zwar wurde in der Folge auch in Zürich der Job des Selekteurs immer wichtiger, jedoch überliessen die Clubbesitzer diese Aufgabe bekannten Szenefiguren. So dirigierte Mitte der 90er Jahre der extrovertierte Yves Spink die Horden an der Kaufleutenkordel. Vor der Limmatbar stand Stan Weier, Gerüchten zufolge über mehrere Jahre der bestbezahlte Türsteher der Stadt. Zwar mochte seine beeindruckende Erscheinung den einen oder anderen beim ersten Aufeinandertreffen zu erschrecken, jedoch verfügte er über das erstaunliche Talent, sich jeden Namen merken zu können, was insbesondere die Stammgäste der Limmatbar sehr schätzten.
Vor der Garage (heute Club Supermarket) stand die bezaubernde Nicole Iseli, wohl für viele der männlichen Garage-Besucher der eigentliche Grund für einen Besuch dort. Nach der Lockerung des Wirtegesetzes in der zweiten Hälfte der 90er Jahre und der damit einhergehenden Clubschwemme wurde der Job des Selekteurs entwertet. Immer mehr Clubs teilten sich ein circa gleich zahlreich bleibendes Publikum und wenn sich an der Kordel keine Massen drängen, dann macht es keinen Sinn, diese in würdig und unwürdig zu unterteilen. Selekteure waren nach der Jahrtausendwende nur noch Türsteher mit Zusatzfunktion, gesichtslose Dienstleister, nicht selten mit dem Verbot belegt, eigene Freunde gratis einzulassen.
Jedoch scheint der Beruf des Selekteurs in den letzten Jahren ein Revival zu feiern: Clubbetreiber scheinen erkannt zu haben, dass beliebte Szenegrössen wie Branimir Macukic (ehemals Club Cabaret), Paradiesvögel wie Diego «Bam Bam» de Alba (Supermarket) oder der Rapper Daniel Bachmann alias Skor (Gonzo) ihrem Club ein Gesicht, eine persönliche Note verleihen können. Es macht für den Clubber einen Unterschied, ob er an der Clubtür von einem städtischen Original begrüsst wird, oder ob er sich an einer Horde namenloser Türsteher vorbeidrängen muss.
Die Clubmacher scheinen dies langsam zu erkennen und verhelfen dem Job des Selekteurs zu einem Revival, wobei der Job dieser Galionsfiguren heute nicht mehr darin besteht, Anstehende in gut und schlecht zu unterteilen. Sie sind viel mehr der erste Eindruck, der aber für einen Gast den entscheidenden Unterschied machen kann, ob er einen Club für würdig oder unwürdig erachtet. Derselbe Job, derselbe Effekt, dieses Mal aber auf der anderen Seite der Kordel.
Alex Flach ist Kolumnist beim Tages Anzeiger und Club-Promoter. Er arbeitet unter Anderem für die Clubs Supermarket, Hive und Zukunft.
20 Kommentare zu «Nicht cool genug»
Die Türsteher vom „Loch“ und „Thai-Thai“ waren seinerzeit auch Originale, die ein „cooles Image vermittelten“. 😉
Na ja, gerade das Gonzo selektiert ja nach wie vor wobei man als Frau deutlich bessere Karten hat hinein zu kommen. Aber mich stört das nicht mehr denn meine Clubbesuche, die schon immer eher spärlich waren, sind in den letzten 2 Jahren nochmals auf ein kaum messbares Minimum zusammengeschrumpft. Bin irgendwie zu alt geworden für den ganzen Mist.
In 30 Jahren lösen die Jungen dann uns Alten in diesem Blog ab. Bis dahin lassen sie sich lieber von einem Vollpfosten am Passieren eines Türpfostens hindern…
Sie verstehen da was falsch. Der Türsteher soll die Leute nicht abweisen, sondern sie überzeugen, reinzukommen. So spielt der Markt. 😀
Das wären dann die Flyergirls….
Überzeugen tut normalerweise nur die Kirche. Die wollen ja auch Eintrittsgeld – und als Symbol dient ebenfalls ein Pfosten…
🙂
Mir war das schon vor zwanzig Jahren zu doof, irgendwo anzustehen, nur um dann nicht reingelassen zu werden, weil dem Tuersteher meine Nase nicht passt.
es ist sozusagen ein gordischer knoten für anfänger. also. papi klärt auf. es beginnt und endet beim konsumenten. ist ein schuppen „angesagt“, kommen alle hippen und stehen schlange. vorgängig kommt dann jeweils der club-boss und sagt zu seinen gorillas – „jungs, macht es den leuten nicht zu einfach, die wollen sowieso alle zu uns“. heisst. je länger die schlange desto angesagter der schuppen. „du gommscht hier net rein“ ist somit eine klare strategie um dem konsumenten das zu geben, was er will -> anerkennung für die reingelassenen, mentale masturbations-vorlagen für die auf die brüste fixierten türsteher, und kohle für den chef. es gibt keine tollen clubs ohne schlange. also natürlich gibt es sie, aber dort geht aus genannten gründen leider keiner hin. capisch??!
das ging auch mir vor zwanzig jahren schon genau gleich. soviel ehre und selbstachtung hatte ich schon damals im leib. da gab ich mein geld schon immer viel lieber dort aus, wo jedermann eingelassen und bedient wurde. daher finde ich es umso lustiger, dass sie heute quasi einen „tür-bettler“ anstellen, um ihrem schuppen eine coole note zu geben. in zürich ging und geht halt sowieso nur alle jahrzehnte mal eine echter neuzeitlicher Truman Capote in den ausgang. daher war das ‚auswahlverfahren‘ an den clubtüren hier schon immer absolut lächerlich (ultrabesoffene und randalierer mal ausgenommen; die möchte niemand im club). es ging schon immer ausschliesslich um eitelkeiten der (immergleichen) lokal- resp. szene-prominenz. dorfleben 2.0. halt.
Ich glaube, ich habe da was ganz falsch gemacht… gab es eine Schlange vor dem Club, sind wir einfach weitergezogen…?!?
Also ich mein jetzt nicht anstehen, weil es gerade grossen Andrang hat oder weil die Kasse mitten auf der Treppe ist und es feuerwehrtechnisch nur zulässig ist, so und so viele Personen aufs Mal… nein, ich meine, wenn es heisst, „wir sind voll“ oder gar „deine Visage njet“, ehrlich, wer wartet denn hier bitte schön bis man ihn hineinlässt?!?
keiner mehr, eben. früher hattest du eine handvoll clubs, die sich die etwa die gleiche anzahl clubber geteilt hat, wie sie heute unterwegs ist. klar… ein bisschen mehr als früher sind’s schon. blos… heute hast du die zehnfache anzahl clubs. da steht halt keiner mehr an, da bilden sich keine trauben vor dem eingang (mit ausnahme einiger weniger partys in einigen wenigen erfolgreichen clubs – rakete im hive, beispielsweise… da stehen sie bisweilen bis an die geroldstrasse). die clubber verteilen sich viel stärker als früher. deshalb gibt es auch keine eigentliche szene mehr. daher ist die aufgabe, die ein selekteur früher hatte, auch gar nicht mehr ausführbar. jedoch könnten sie in eine andere rolle schlüpfen und zwar diejenige der club-visitenkarten, so wie es skor beispielsweise tut. er pickt zwar nicht aus einer riesigen menge anstehender wie sie sich bisweilen und früher auch in zürich zusammengerottet haben, aber er wirkt als repräsentativer botschafter des clubs.
Könnten Sie dieses Früher® etwas genauer umschreiben…
Ansonsten würde ich folgende Korrektur anbrigen: schon früher gab es eine handvoll Clubs, die auf Türselektion setzten…und die anderen 🙂
„früher“ = „war alles besser!“ und das ist (leider) so.
Würkli? Wollen Sie diese Büchse öffnen? 🙂
pandora ist tot – es lebe pandora!
es gibt „edel-türsteher?!“ ehrlich. ja sind denn das die, welche tatsächlich die volle primarschul-dauer absolviert haben!!? ähäää! 🙂
hehe… also der begriff edeltürsteher in der subline ist nicht von mir. 🙂
Aha. Soso.
Mhm, mhm.