Schüleraustausch – zwischen den Quartieren

Die Neugier auf andere Lebensweisen: Früher waren die Quartiere näher beieinander. Bild: landesmuseum.ch

Die Neugier auf andere Lebensweisen: Früher waren die Quartiere näher beieinander. Bild: landesmuseum.ch

Ab heute lesen Sie bei uns im Stadtblog wöchentlich die Stadtgeschichten von Miklós Gimes. Wir freuen uns, seinen herzlichen und witzigen Geschichten bei uns einen Platz geben zu können. Viel Spass!

Als ich in die Primarschule ging, gab es in den Frühlingsferien ein Ferienlager für die ganze Stadt, in Magliaso im Tessin, vielleicht war es eine Art Vorläufer des Sportlagers in Fiesch, das heute jeweils im Herbst stattfindet, ein ganzer Extrazug, wie der Hogwarts-Express, bringt siebenhundert Kinder aus der Stadt ins Wallis.

Damals in Magliaso spielten wir Tag und Nacht Fussball und entdeckten die Mädchen, aber vor allem realisierten wir, wie verschieden wir waren, selbst wir Primarschüler, je nachdem, aus welcher Gegend der Stadt wir herkamen. Die Jungs aus dem Kreis vier waren cooler gekleidet, sie hatten schon mehr von der Welt gesehen, als wir aus dem behüteten Albisrieden, sie wussten aus eigener Anschauung, was Prostituierte sind und Alkoholiker, ihr Schulweg führte an der Langstrasse vorbei und an Kneipen wie der Räuberhöhli. Und einige Mädchen aus Oerlikon und Schwamendingen trugen hochtoupierte Frisuren und rauchten, wenn die Lehrer nicht hinschauten, die das Lager leiteten.

Aber wir lernten voneinander, übernahmen den Langstrassen-Slang, es bildeten sich Freundschaften. Heute ziehen sich neue kulturelle Grenzlinien durch die Stadt. Die Bourgeois Bohemiens im Seefeld, die Szenis in Wiedikon, die Akademiker im Kreis sechs, die Expats überall in den besseren Wohnlagen, nicht zu reden von den Albanern in Altstetten und dem Zürichberg. Eine urbane Gesetzmässigkeit besagt, dass sich Leute mit ähnlichem kulturellen Hintergrund anziehen, immer wieder bilden sich neue Pole – Gott sei Dank, denn so bleiben Städte lebendig.

Kürzlich waren wir in Hirslanden eingeladen, dem Quartier um den Hegibachplatz, wir hörten uns die Geschichten unserer Freunde an, und als wir durch das Quartier spazierten, betrachtete ich die Menschen, als wären sie Fremde, die ihren Kindern die Farbe Rosarot austreiben und sie zu akademischen Höchstleistungen erziehen. Ein paar Stationen mit dem Elfer, und man ist in einer anderen Welt.

Vielleicht könnte man einen Schüleraustausch organisieren, dachte ich. Vielleicht sollte jede Zürcher Schülerin und jeder Zürcher Schüler die Möglichkeit haben, ein bis zwei Wochen pro Jahr in einem anderen Schulhaus zu verbringen.

Der Austausch wäre freiwillig. Wer zu Hause bleiben will – kein Problem. Aber ich würde gern meinen Kindern zuhören, wenn sie von ihren Erfahrungen in Schwamendingen erzählen oder im Villenquartier von Fluntern. Ich meine es ernst – wenn die Studenten auf ihr europäisches Austauschprogramm verzichten müssen, sollen die Kinder wenigstens ein innerstädtisches erhalten.

Vielleicht ist die Neugier nach dem Leben der anderen eine Marotte von mir, ich war eben nie ein Lokalpatriot, dachte nie, wo ich wohne, ist es am schönsten, wäre nie am liebsten im angestammten Quartier geblieben. Wer weiss, vielleicht gibt es noch andere, die denken wie ich, denen sei meine Idee empfohlen, keine Angst, es wird eh nix, wir haben andere Sorgen. Es soll den Kindern nicht besser gehen als den Studenten.

miklos.gimes@tages-anzeiger.ch

47 Kommentare zu «Schüleraustausch – zwischen den Quartieren»

  • Maiko Laugun sagt:

    Wenn schon, dann gleich ein Austausch (ab einem gewissen Alter) mit dem Welschland und dem Tessin.

    • adam gretener sagt:

      Wie RS, einmal 3 Wochen in den Ferien. Das wird nicht klappen. Je früher das Verständnis aufwacht, desto besser. Und es muss auch trainiert werden.

      Darum scheitern manche so jämmerlich.

      • Maiko Laugun sagt:

        Falsch. Im Militär sind es nur die Schweizer, da Ausländer in der CH keinen Dienst leisten müssen. Bei den Kindern würde es aber – zumindest theoretisch – alle betreffen. Ich könnte mir vorstellen, dass dies vielen Kindern sogar gefallen würde. Einem besseren Verständnis wäre es so oder so dienlich.

  • Irene feldmann sagt:

    Zuerst, ein top-photo,,,,,welche erinnerungen kommen Mir da hoch, wonderfull…….eine geniale Idee auch der Schüler Austausch….und für den m. Schneider, Homosexualität IST doch eine natürliche Sache, weshalb denn erwähnen….

    • Maiko Laugun sagt:

      Es sind oftmals die Religionen, welche die Homosexualität als widernatürlich verurteilen. Da Religionen aber eine ausschliesslich menschliche Erfindung sind, ist das ein Widerspruch als solches. Aus Sicht gewisser religiöser Menschen, wäre die Homosexualität also ein göttlicher Irrtum der deshalb nicht sein darf 🙂

      • Irene feldmann sagt:

        Mit göttlich bin ich 100 pro einverstanden, Irrtum nicht, da die Erfüllung eines Karmas der Sinn des Lebens ist….huuuu…ich habe geschrieben….:)

    • Maiko Laugun sagt:

      …als Ergänzung: Zumindest aus christlicher Sicht nehmen also die Schäfchen den Herrn in Schutz und stellen sich dadurch über ihn 🙂

      • Irene feldmann sagt:

        Genauere Beschreibung, bitte, auf klar deutsch Herr Laugun! Meine Backe jetzt sind sie am a……..

        • Maiko Laugun sagt:

          Die Schäfchen schützen sogar ihre sich auf Abwegen befindlichen irdischen Vertreter ihres Idols. Wer ist denn nun am a…? 🙂

          • Irene feldmann sagt:

            Atheismus sagt es klar, sei EIN MENSCH mit herz- Seele und wenns noch Platz hat, mit Verstand. 🙂 und am Arsch sein ist immer hilfreich weil nur dann denken wir nach und bringen Veränderung zum KARMA 🙂

          • Maiko Laugun sagt:

            Bin gerade dabei, auf einer Business-Plattform einem jungen Schaumschläger und Möchtegern-Manager den Unterschied zwischen Effizienz(busyness) und Effektivität (business) zu erklären und frage mich gerade, wie man dies auf die Religion anwenden könnte. Ich hoffe mal, dass in Ihrem Beispiel mit dem Atheismus auch noch etwas Platz für den Körper bleibt, sonst wäre es nur effizient aber nicht effektiv 🙂

          • Irene feldmann sagt:

            Der Körper IST das Gefäß des Karmas, weshalb muss ich ihnen EIGENDLICH die simpelsten Dinge des Lebens erklären, Herr Laugun. Alles ist logisch und harmonisch….:)

    • KMS a PR sagt:

      also ich bin ja nun heute in soweit äh-aufgeklärt, dass ich die homosexualität nicht mehr unbedingt als krankheit bezeichne; meinen exorzismus-erfahrungen folgend, betrachte ich sie eher als geistigen irrweg. habe ich schon erwähnt, dass ich günstige gruppen-therapien anbiete?

  • chipchura sagt:

    Mal ganz was anderes. Was hat Miklos Gimes mit diesem Miklos Gimes zu tun? So ein Zufall aber auch…

    http://de.wikipedia.org/wiki/Mikl%C3%B3s_Gimes_(Journalist)

  • tststs sagt:

    Juhuuu, ich darf mich zwar nicht Zürcherin nennen, aber Szeni 😉
    Echt, Wiedikon, szenig?!???

  • KMS a PR sagt:

    schnapsidee. was soll das bringen?? entschuldigung, aber das sind reine wohlstandsprobleme eines intellektuellen.

  • Markus Schneider sagt:

    Es geht ja wohl nicht darum, dass die heutigen Kinder zuwenig Ferien oder zuwenig Freiraum hätten. Sie haben einfach zuwenig Geschwister. Und viele sogar zuwenig Eltern (viele bloss eine Mutter). Einzelkinder bleiben erwiesenermassen später öfter allein und werden öfter homosexuell. Zusammenleben findet nicht zwei Stunden am Mittwochnachmittag statt, sondern 24 Stunden am Tag, auch in Küche, Bad und Schlafzimmer.

    • Réda El Arbi sagt:

      Nun ja, ich muss sagen, dass ich selten sowas Dummes gelesen hab. Wirklich. Ich bewundere Sie noch immer stauend dafür, wie viel Vorurteile, falsche Fakten und reaktionäre, nostalgische Lügen Sie in so wenig Worten ausdrücken können. Respekt.

    • adam gretener sagt:

      Gleich Homo, Herr Schneider. Ich habe mal irgendwo gehört. Einzelkinder hätten den Hang zur Krätze. Können Sie das bestätigen?

      • KMS a PR sagt:

        also ich hatte die masern und die wilden blatern als kind. die geschlechtskrankheiten kommen meist ja eher etwas später. aber krätze – nein – genau so wenig wie die beulenpest. aber vielleicht sollte ich mich mit dem herrn schneider mal ein wenig über exorzismus unterhalten… hähä.

    • KMS a PR sagt:

      lieber herr schneider. ehrlich, ich lache immer noch! 🙂 also ich darf ihnen sagen. ich bin einzelkind. und doch. weder vereinsamt noch schwul – nicht mal ansatzweise – please, believe me! 🙂 aber nichts desto trotz. es würde mich interessieren und weiterhin amüsieren – nochmals 🙂 – worauf ihre aussage basiert. ich bitte herzlichst um erläuterung und aufklärung eines unwissenden einzelkindes. sorry, ich kriege das grinsen nicht mehr aus meiner visage. 🙂

    • Lukas sagt:

      Hat Ihnen das Gott gesagt oder direkt Ihre Phantasie?

    • tststs sagt:

      „Zusammenleben findet nicht zwei Stunden am Mittwochnachmittag statt, sondern 24 Stunden am Tag, auch in Küche, Bad und Schlafzimmer.“ Tja und was dabei herauskommt, wenn man 24/7 Bad und Bett mit min. 5 Geschwistern teilen muss, sieht man ja an Ihnen…
      🙂

  • petra sagt:

    danke, schöner artikel mit guter anregung.

  • Johanna sagt:

    Bleibt der Züritippblog eigentlich auch nach Ende März noch nutzbar oder wird er auch hinter der Paywall versteckt?

    • Réda El Arbi sagt:

      Fragen Sie mich was Leichteres.

      • Johanna sagt:

        Würde ihn gerne weiter lesen, insbesondere auch die belustigenden Kommentare, aber nur dafür alleine sicher kein Abo nehmen. Mit einer Paywall würden dann wohl auch die belustigenden gratis Kommentare deutlich abnehmen. 🙂

        • Benjamin Hauser sagt:

          Das wäre wirklich ausgesprochen schade. Die Kommentare zu den Tagi-Artikeln stellen doch auch so eine Art kulturellen Austausch zwischen den verschiedensten Bewohnern der Stadt, ja sogar zwischen Stadt und Land dar. Wenn auch immer wieder schockierend so tragen sie sicher zum gegenseitigen Verständnis oder zumindest zur gegenseitigen Wahrnehmung bei!

      • adam gretener sagt:

        Also unter dem Tagi ist das Stylesheet schon drin, hier noch nicht…

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