«Zisch di!» – der langweiligste Tag der Woche

Dienstag-Front

Eine Polemik von «Tages Anzeiger»-Autor Peter Aeschlimann.

Was soll man von einem Tag erwarten, der die Worte Dienst und Aktiengesellschaft beinhaltet? Nichts Frohes, so viel ist klar. Mehr noch: Der Dienstag ist, man muss es in dieser Deutlichkeit sagen, der langweiligste Tag der Woche.

Es steht ja schon in der Bibel: Da schafft Gott Vögel, Blumen, Sterne. Nur am Dienstag nicht, da schafft er das Himmelsgewölbe – also Leere. Darum sagen Zürcher zum Dienstag auch: «Zisch di!»

Wir wollen Montag, dann ist der Kinobesuch noch knapp günstiger als ein Flugticket von Frankfurt nach Bergamo. Oder Mittwoch, weil dann bald Donnerstag ist, an dem die besten Partys stattfinden sollen. Aber Dienstag? 9/11 fand an einem Dienstag statt. Und Justin Bieber wurde an einem Dienstag geboren!

Im Schwäbischen heisst der Dienstag Aftermontag – und das bringts ziemlich genau auf den Punkt: Dieser Tag ist ein Arsch. Niemand besang das besser als Robert Smith von The Cure in seiner Ode an den Freitag: Grau sei der Dienstag, ein Tag wie ein Herzinfarkt, darum bleibe man besser im Bett. Aber auch andere Musiker stehen mit dem Dienstag auf Kriegsfuss, meistens sind Frauengeschichten der Grund dafür. In «Ruby Tuesday» macht sich ein Rolling-Stones-Groupie aus dem Staub, das Baby von Lynyrd Skynyrd hat der Wind davongetragen («Tuesday’s Gone»), der Sänger der Pogues wird an einem Dienstagmorgen verlassen («Tuesday Morning»), und Stevie Wonder verarbeitet seinen funky Herzschmerz in «Tuesday Heartbreak». Es ist kein Zufall, dass der Fasnachtsspass ausgerechnet an Mardi Gras aufhört, dem Fetten Dienstag, bevor es mit der österlichen Fasterei losgeht.

Beginn der Grossen Depression

Man könnte die Liste mit Belegen endlos weiterführen. Zum Beispiel mit dem amerikanischen Film noir «Black Tuesday», der kurioserweise als «Schwarzer Freitag» in die deutschen Kinos kam: Zwei zum Tode verurteilte Gangster ballern sich in die Freiheit. Oder mit dem 29. Oktober 1929, jenem Schwarzen Dienstag, an dem Investoren panisch alle Aktien verkauften und so die Weltwirtschaftskrise einläuteten.

Doch reicht ein Blick in den Zürcher Veranstaltungskalender. Nachdem letzten Dienstag Karaoke from Hell ins künstliche Koma versetzt wurde, schnarcht nun die ganze Stadt. Entweder an einer After-Work-Sause im Carlton, beim Champions-League-Gucken irgendwo, einer Ladies Night im Basilica oder an der Costa-del-Soul-Party im Kaufleuten. Man muss sich das mal vorstellen: Die Frucht jener Liebenden, die sich an der ersten solchen Soiree anno dazumal im Kauf getroffen haben, könnte heute Abend mitfeiern, ohne vorher einen Ausweis fälschen zu müssen. Der Rest ist Indie-Mist: überambitioniert im Dynamo (Glass Dive) und überaltert im Mascotte (Maxïmo Park).

Aber auch fernab der Konzertbühnen und Tanzböden berauscht das Angebot kaum. Aufs Chäsfondue-Schiff? Oder ans Wein-ABC-Seminar? Also bitte. Ausgehen für Spiesser ist das. Für Menschen konzipiert, die, bevor sie in die Ferien fliegen, Adressen von Freunden auf selbstklebende Etiketten drucken, um später beim Akkord-Kartenschreiben in der Happy-Hour-Zeit zu sparen. Für Leute, die sich in die Schlange vor der Open-Air-Kinokasse stellen, ohne das Programm zu kennen, weil sie wissen, dass trotzdem jede Überraschung ausbleiben wird. Dann noch lieber zum Vortrag über nutzbare Malvengewächse («Von der Linde bis zur Okra») – da lernt man wenigstens was fürs Leben.

Die Lebenserwartung eines Zürchers beträgt heute ungefähr 80 Jahre. Das sind über 4000 Wochen – oder 11 Jahre Dienstag am Stück. 11 Jahre ununterbrochen After-Work-Balz im Carlton oder Soulmusik im Kauf – die Hölle!

Da hilft eigentlich nur noch ein Trinkspiel: «Laurentia, liebe Laurentia mein» – Sie kennen den Song vielleicht noch aus der Pfadi. Stets wenn in der Strophe von einem Wochentag die Rede ist, kippen Sie einen Schnaps runter. Spätestens bei «Ach wenn es doch endlich schon Sonntag, Montag, Dienstag wär» werden Sie vor Müdigkeit ins Bett fallen – und schon ist Mittwoch. Wenn Sie nicht so gut sind in Trinkspielen, vielleicht sogar schon Donnerstag.

15 Kommentare zu ««Zisch di!» – der langweiligste Tag der Woche»

  • Arthur Flückiger sagt:

    Ihre Musikbeispiele in Ehren, aber hören Sie mal Mamas & Papas‘ Lyrics „Monday Monday“ an: Every other day of the week is fine, but whenever Monday comes, but whenever Monday comes you can find me cryin‘ all of the time …

  • Columbo sagt:

    Immerhin ist der Dienstag der Tag, an dem’s am längsten geht, bis wieder Montag ist.

  • Maiko Laugun sagt:

    In China gibt es keine Namen für die Tage. Diese werden von 1 bis 7 durchnummeriert. Hier wird aber auch am Wochenende gearbeitet. Das gleiche gilt für die Monate (1-12). Ein Monat heisst aber Mond. Deshalb nennt man den Kalender eben den Mond-Kalender. Nach westlichen Massstäben wäre also der Tag Nr. 2 Scheisse. Da aber alle Tage nur mit Nummern genannt werden und so oder so immer gearbeitet wird, wären also alle Tage Scheisse. Und weil alle Tage Scheisse sind, empfinden es die Chinesen eben nicht als Scheisse und arbeiten jeden Tag fleissig weiter.
    Deshalb schlage ich vor, dass man auch in der verwöhnten Schweiz ab sofort die Tage durchnummeriert und jeden Tag arbeitet. Dann gibt es nämlich keinen verschissenen Dienstag mehr. Ganz einfach, oder?

  • Philip Santschi sagt:

    Der Dienst-tag ist wenigstens ehrlich. Der Frei-tag dagegen tut nur so.
    Und der Donner-tag .. hmm, vielleicht nach einem Chili mit viel Bohnen am Mittwoch :).

  • adam gretener sagt:

    Ich brauche jetzt dringend Johanniskraut und Mengen von Alkohol. Überlegte mir, welchen Tag ich scheisse finde? Tragisch, ich kann nicht mal einen ausschliessen, habe an jedem was zu mäkeln.
    Montag: Bin ich gut drauf, alle anderen sind es garantiert nicht
    Dienstag: Weder Fisch noch Vogel
    Mittwoch: Die Mitte ist lasch
    Donnerstag/Freitag: Komme ich schlecht drauf, weil die Laune der anderen steigt
    Wochenende: Unterträglich mit dem ganzen gemeinen Volk

    Herr Aeschlimman, danke für den Artikel. War das ein Gastbeitrag oder darf man Sie hier fix begrüssen?
    Erstens, herzlich Willkommen. Zweitens, viel Glück mit uns Sack voll Flöhe.

  • Irene feldmann sagt:

    Laurentia.. Liebe laurentia mein……..aahhahahaahahahahaahahhaha……und das Maskotte gibts noch? Jez wird’s ächt Zeit für nen Steinschlag……:)

  • Gerber sagt:

    Spielt’s eine Rolle. Zu Hause bleiben ist am Schönsten! Ein Tag geht so rasch vorbei, was soll man sich da darüber auslassen!

  • Büro sagt:

    Dienstag ist der schönste Tag der Woche – es geht am längsten, bis wieder Montag ist!

  • KMS a PR sagt:

    äh ja. entschuldigung, liebes stadtblog-team. gabs was zu feiern!? das freut mich für euch. nur. danach sollte man keinen artikel mehr verfassen. zumindest nicht ernsthaft…nein o.k….gar nicht. also, spielen sie, trinken sie, feiern sie. aber schreiben sie danach nicht mehr. und bitte. seit wann hat bergamo einen flughafen. und überhaupt müssten die wochentage ganz anders heissen. nämlich: leckmichamarschtag, überflüssigtag, esnimmtkeinendetag, dursttag, blautag, safttag, bumstag. so. und ich kann sowas auch ganz ohne alkohol.

    • Peter Aeschlimann sagt:

      Lieber KMS a PR (was für ein Name, grossartig), natürlich gibts einen Flughafen Bergamo, machen Sie sich schlau. Und Sie haben da was falsch verstanden: nur der Dienstag ist ein Leckmichamarschtag, die anderen Tage sind eigentlich ganz gut. (So gut wie das erste Album von Maxïmo Park)

    • peter meier sagt:

      il caravaggio international airport aka bergamo orio al serio airport

  • tststs sagt:

    Haha, deshalb ist bei mir der Dienstag Serienabend 😉 (Juhuuuu endlich gehts beim HIMYM weiter)

    • adam gretener sagt:

      Die Neuen ertrage ich keine Minute mehr, obwohl ich die älteren unterhaltsam fand. In Robin bin ich trotzdem weiterhin verliebt.

      • tststs sagt:

        Die Mutter hat’s für mich echt wieder rausgerissen…apropos, ich wette, die backt ihre Kekse auch am Dienstag… 😉

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