Die Badi – Willkommen im Dschungel

Alter Revierlöwe nimmt Platz.

Alter Revierlöwe nimmt Platz.

Man muss nicht weit weg, um ein Dschungelabenteuer zu erleben. Heute Morgen machte ich mich auf, mein eigenes Revier in der Badi Tiefenbrunnen in Besitz zu nehmen. Aber Obacht! Das ist gar nicht so einfach: Es herrscht ein brutaler Kampf um die besten Plätze, ausgefochten von Süsswasser-Gorillas und Seeuferlöwen, unterstützt durch ihre Weibchen.

Das beginnt schon vor der Badi. Man kann nicht einfach irgendwann am Vormittag durch den Eingang spazieren und denken, man kriege noch einen der guten Plätze. Die sind dann schon lange von Berufsbadegästen mit Liegestühlen, Tüechlilandschaften, Kühlboxen und gemeingefährlichen Sonnenschirmen abgeriegelt.

Man hat nur eine Chance, wenn man früher da ist. Da die Badis um 9 Uhr öffnen, stand ich bereits um 7.45 am Einlass bereit. Nur so ist man sicher, der Erste in der Schlange zu sein. Ich hätte mich mit einer Thermosflasche Kaffee und einem Campingstuhl ausrüsten sollen. Jänu, man lernt dazu.

Öffnen sich dann endlich die Türen, heisst es losrennen. Die Alphatiere der Badikultur, ausgerüstet mit Baseball-Caps und weissen Sonnenhütchen mit Rüschen, stürzen sich auf die Reviere. Am begehrtesten sind die Plätze unter den Bäumen, nicht zu weit von den Umkleideräumen und nicht zu weit vom Wasser. Aber nicht alle Bäume sind gleich viel wert! Ich musste mich vorher kundig machen, in welcher Himmelsrichtung das Ufer liegt, sodass ich den Sonnenstand für den ganzen Tag vorausberechnen und den geeignetsten Schattenbaum beanspruchen konnte.

Sofort warf ich mein Badetuch, meine Tasche und mein Hemd aus. Das ist das Badi-Äquivalent zum Revierpinkeln der wilden Tiere. Nun, der Platz ist beansprucht. Eigentlich sollte ich jetzt sicher sein. Aber nicht die Spur!

Kaum einen Meter neben mir klappt ein alter Revierlöwe (man erkennt sie an den knappen Badehosen und der über Jahrzehnte gegerbten Ledertaschenhaut) seinen Liegestuhl auf. Offenbar hab ich mir seinen Stammplatz geschnappt. Er knurrt mich an. Nein, ehrlicherweise knurrt er nicht mich an, sondern murmelt und knurrt seine Frau an, die jetzt schnaufend mit der Kühlbox ankommt.

«Es isch scho bsetzt a EUSEM Platz», klärt er sie auf. Sie schaut mich an wie etwas, das der Hund auf der Wiese zurückgelassen hat. Ich fürchte mich ein bisschen, bleibe aber stoisch sitzen. Zum Schutz steck ich mir die Ohrhörer ins Ohr, um jeden verbalen Angriff vorn vornherein abzuwehren.

Zum Glück werden die Reviervertriebenen abgelenkt. Wie ein Rudel Wildschweine rennt schreiend und spielend eine Horde Viertklässler vorbei. Mutig, die Kleinen. Wenn sie noch näher gekommen wären, hätte mein Nachbar wohl das kleinste und schwächste Mitglied gerissen und zerfleischt. Das sagte mir auf jeden Fall sein Mienenspiel.

Gut, ich hatte einen guten Platz, aber kein gutes Gefühl dabei. Irgendwie kam es mir vor, als ob meine Nachbarn jedes Mal, wenn ich wegsah, fünf Zentimeter näher rückten. Aber das war vielleicht nur Einbildung.

Nach ungefähr einer Stunde wurde es mir zu ungemütlich. Dauernd unterschwelliger Aggression ausgesetzt zu sein, verletzt eine empfindsame Seele wie mich. Als ich begann, mich wieder anzuziehen, standen meine Nachbarn auf und machten sich bereit, meinen Platz nahtlos zu annektieren. Das war ein Affront für mein Revierverhalten! Vollkommen angezogen und alles schön verpackt, setzte ich mich nochmals hin und rauchte gemütlich eine Zigarette. Nur um noch mal Dominanz zu markieren.

Nächstes Mal schmeiss ich mein Tüechli wieder irgendwohin und spring ins Wasser. Alles andere ist mir bei dieser Hitze zu anstrengend.

37 Kommentare zu «Die Badi – Willkommen im Dschungel»

  • Ashrio sagt:

    Hättest dein Tüechli dort liegen lassen sollen, um es am Abend wieder einzusammeln. Wäre doch interessant gewesen, wo es sich dann befinden würde. Evtl. könntest du es mit vier Heringen befestigen.

  • Samuel sagt:

    Man sollte es solchen Stiernacken so angenehm wie möglich machen, etwa durch die Wahl eines Musiksenders im Radio die den Geschmack des Sonnenopfers so gar nicht trifft. Auch die offene Präsentation eines Salates mit Unmengen an Knoblauch können diese Vampire vertreiben.

  • Bernd S. sagt:

    Herrlich…. *wiehernwieeinackergaul*

  • Beat sagt:

    Danke für den erheiternden Artikel Reda El Arbi und allen einen schönen Tag

  • Mäse sagt:

    Haaammmmerrr! Erinnert mich an meine Kindheit: Da hat’s in Rimini immer geheissen man müsse früh aufstehen, da die ‚bösen‘ Deutschen sonst alle Liegestühle mich ihren Tüchern reservieren. Ha, stimmt ja gar nicht, waren alles Zürcher 🙂

    • Anton sagt:

      Wenn es eine Kindheit war, dann kannst du heute ja nicht älter als 16 sein. Vorher gab es kaum Deutsche und diejenigen die hier waren konnten sich problemlos integrieren, sprich sicherlich nicht im Rimini einen Stuhl reservieren, Stunden vor Feierabend. Ausserdem, welches möchtegern hippster Kind ging/geht ins Rimini? Also entweder bist du Mäse noch immer ein Kind, oder du machst dich hier wichtig.

      • Sabine sagt:

        Lieber Anton, du übersiehst ein kleines, aber feines Detail: Mäse schreibt in Rimini, nicht im Rimini. 🙂 Rimini war in den 80er und 90er Jahren eine sehr beliebte Feriendestination an der Adria und tatsächlich mit Deutschen (und Schweizern) überflutet.

      • Pete sagt:

        Vielleicht meint Mäse den Ort Rimini und nicht die Männerbadi? Ach, es wäre so schön, wenn einige endlich mal zuerst den Satz richtig lesen bevor sie schon wieder motzen. Mäse schreibt doch klar IN Rimini…

        Trotzdem einen schönen Tag

      • Dänu sagt:

        Hä, Anton, ich glaube du verwechselst da „in“ Rimini mit „im“ Rimini… Aber Hauptsache mal einen Angriff starten!

        • Mäse sagt:

          Danke an Dänu, Pete und Sabine…Wir wissen worüber wir schreiben. Tatsächlich war doch Rimini in den 80er der Spot für unsereiner. Man denke nur ans ‚Altra Mundo‘ etc. egal, ist für uns/mich ältere Semester vorbehalten. @Anton – ich will mich hier nicht gross zu Deinem Kommentar äussern. Ersetze doch bitte den Frustschaum vor dem Munde mit Bierschaum und schon sehen wir alles viel relaxter. Mit 45 bin ich definitiv kein Kind mehr und noch viel weniger ein Hipster…Saludes de México, denn dort lebe ich heutzugtage 🙂

          • Mäse sagt:

            Ach ja, und mit der Rechtschreibung war es meinerseits auch schon besser….Bitte um Entschuldigung.

  • Ernst von Waldkirch sagt:

    Grossartig, dieser Beitrag, und so lebensnah.
    Letztes Jahr, ebenfalls in der Badi Tiefenbrunnen, ebenfalls nah am Wasser und unterm Baum, im linken Bereich, waren wir als Familie auch schon früh da. Zu früh für einen bronze-gegerbten ältlichen Österreicher mit Kette und 80-er-Jahre-Schick-Badehose. Wir hatten uns offenbar auf seinem Platz breitgemacht, und erst noch mit Kind. Genau dasselbe Geknurre ging los, als er etwas weiter vorne seinen Liegestuhl aufbaute, der nicht so stabil aussah, als ob er ihn tragen könnte. Nachdem wir lange erfolgreich seine Giftblicke unbemerkt vorbeistreifen liessen, holte er schliesslich den Bademeister. Für Familien gebe es andere Orte (und in Klammern: dies sei sein Platz). Eine andere Mutter warf sich todesmutig für uns in die Bresche, und unsere Ecke wurde für eine Viertelstunde zur dramatischen Bühne auf der hitzigen Wiese. Der Bademeister zog wieder los, offenbar dieser Auseinandersetzungen kundig, aber zahnlos.
    Schlussendlich habe ich dem Herrn mit dem eigentlich netten Ösi-kzent die Hand ausgestreckt und darauf hingewiesen, dass alles nicht so schlimm sei und überhaupt wir ja nur ausnahmsweise hier seien. Worauf sich seine Miene aufgeklart hat, ja es setzte sogar ein Lächeln ab. Hauptsache, wir seien Schweizer, sonst wäre es ja unerträglich. Dann kam ein Lobgesang auf die SVP, die als einzige Partei wirkungsvoll diese Ausländer bekämpfe, die ihm seine Wiese streitig machen, und wir zogen dann wirklich ab. Irgendwann ist der Possen genug.

  • Maurus sagt:

    einfach herrlich dieser Beitrag :D:D danke für diesen Ausflug in die tropischen Gebiete Zürichs!

  • Cooler Artikel weiter so.

  • Alexander sagt:

    you made my day…. 😉

  • Luis sagt:

    Toll geschrieben.

  • Luigi sagt:

    Sackstark!

    Ich habe vor 20 Jahren regelmässig die Sommer-Mittagspausen in der Badi Tiefenbrunnen verbracht. Schon damals regierten die Pensionäre mit „Ledertaschenhaut“. Schön zu sehen, dass sich noch nichts geändert hat.

    Merci für den Flashback!

  • Peter Birri sagt:

    Ohne richtig heftig Material geht da nix. Mindestens Liege und Sonnenschirm, wie der braune Bade-Elch im Bild.
    Der Versuch, von Herrn El Arbi, mittels Hemd Tasche und Badetuch war – na ja – zumindest ein netter Versuch.
    Weiter so, nicht aufgeben, der Sommer hat erst angefangen!

  • ARPAGAUS BRUNO sagt:

    Lach mich kaputt.Habe aber dieses Verhalten schon seit jahren auch waehrend meines ueber 16 Jahren Auslansaufenthalt in ver^schiedenen laendern.
    Waren aber auch schon vor 20 jahren Schweizer ,Deutsche die Hauptpersonen in diesem jaehlichen Sommerkrimi aber wenigstens ohne Todesopfer

    Super Beitrag

  • Röbi sagt:

    Amüsant. Reda El Arbi hat diese Rubrik mit Humor geschrieben. Ist halt schon so, wie er’s schreibt.
    In den Hotelanlagen weltweit, gehen die Gäste noch vor dem Frühstück um Ihre Liegen zu sichern, und immer muss es offenbar der gleiche sein. Schon bedenklich.

    • KMS a PR sagt:

      stimmt. was sich hingegen geändert hat. es sind nicht mehr die deutschen die ihre tüchli um 9h deponieren – heute sind es die russen, die des morgens früh noch immer besoffen auf den liegestühlen weilen. ich werde niemals den hilfesuchenden blick des poolbar-keepers in rak vergessen, der morgens um 10!!! schon keinen vodka mehr hatte….und von knutschroten und volltrunkenen russen belagert wurde.

  • Peche sagt:

    Da ist Mann froh in Besitz von ein eigener Pool zu sein. Denke auch nicht dass El Arbi nochmals ins Tiefenbrunnen geht.

  • sepp z. sagt:

    in the meantime…
    … sitz ich im stickigen büro und erwirtschafte die ahv, die der revierlöwe und seine angetraute pünktlich anfang monat erhalten.

    • heute frei sagt:

      im stickigen büro sitzen und anstatt zu arbeiten tagi lesen… da freut sich der Arbeitgeber

    • Hitz sagt:

      Schon schaurig schlimm, dass die AHV von jemandem erwirtschaftet werden muss. Und dann noch in stickigen Büros! Ich schlage vor, dass wir jetzt alle ganz fest Mitgefühl miteinander haben, weil wir noch keine AHV-Rentner sind und darum für böse Revierlöwen AHV-Beiträge ranschaffen.
      Oder wir könnten es auch sein lassen und „in the meantime“ einfach wieder arbeiten, ohne zu jammern. Merci.

  • KMS a PR sagt:

    auch in der badi gilt – möglichst rücksichtsloses verhalten, schafft freiraum. gehtto-blaster und shisha platzieren, lauthals erklären, dass es bei den vielen bäumen keine notwendigkeit darstellt, die toilette aufzusuchen, zwischendurch mal dezent am sack kratzen, rülpsen und furzen, bier trinken und mit den flaschen einen kreis bilden rund ums plätzchen. natürlich hat das alles überhaupt nichts mit anstand zu tun. aber; der zweck heiligt die mittel und es funktioniert.

    • diva sagt:

      so hoffe ich, dass diese lederhäutigen revierlöwen, genug «dicke haut» haben, genau solchen rotzlöffeln, wie sie hier beschreiben widerstand zu leisten – auf eine solche bagage verzichte ich nämlich gerne am strand. da ist mir der reviermarkierer mit liegestuhl und sonnenschirm, der für seine menschlichen bedürfnisse das klo aufsucht, dann doch lieber.

      • KMS a PR sagt:

        das haben sie nett geschrieben, werte diva. aber sie dürfen das kind ruhig beim namen nennen – ich bin einer dieser rotzlöffel.

        • brazzo sagt:

          … menschliche Bedürfnisse; damit ist wohl nicht das Biertrinken gemeint? Für das würde ich niemals auf’s Klo gehen.

          Furzen? Sprichwort: ‚Hab Sonne im Herzen und Zwiebeln im Bauch, dann kannst du gut furzen und Platz hast du auch‘. – Erst jetzt hab ich die Bedeutung wirklich verstanden 😀

          Rotzlöffel … weiter so, mit 55 Jahren bin ich wohl alt genug, dich gegebenenfalls zu adoptieren?

          • KMS a PR sagt:

            nun ja. mit meiner 47 auf dem rücken könnten wir uns wohl höchstens als verkapptes bruder-paar entblöden! 🙂

  • Köstlich zu lesen und noch köstlicher sich das ganze vorzustellen.Jetzt wäre ich gerne in Züri.

  • Urs sagt:

    Jäso, Stadtneurotiker El Arbi hat ein neues Revier „uuftah“, um weiter genüsslich über seine Mitneurotiker herzuziehen, jänu: „wämms spass macht…“

  • b. halter sagt:

    ist es so schlimm?
    ok – dann bleib ich im büro, da hab ich mein revier.
    danke jedenfalls, mein neid gegenüber allen ferientechnikern stieg schon fast ins unermessliche.

  • Matthias sagt:

    Nahm sich jetzt der „Revierlöwe“ zu wichtig oder Herr El Arbi? Schliesslich sieht man, was man sehen will….

  • irene feldmann sagt:

    ein kurzfilm in worten, herrlich!!!!!

  • Jaka sagt:

    K Ö S T L I C H !

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