Die Werbetafel als Kunstprojekt

 Eine Woche lang prangt das Logo des «Tages-Anzeigers» über der Langstrasse 84: Veli & Amos an der Arbeit. Foto: Sabina Bobst

Eine Woche lang prangt das Logo des «Tages-Anzeigers» über der Langstrasse 84: Veli & Amos an der Arbeit. Foto: Sabina Bobst

Wer werben will, muss bezahlen. Diese Regel gilt bei der grössten Plakatgesellschaft der Schweiz, APG, bei der ein Werbeplatz von 3 mal 4 Metern beim Central rund 900 Franken in der Woche kostet. Und das gilt seit etwas mehr als einem Jahr auch an der Langstrasse 84, wo die beiden Künstler, die sich Veli Silver und Amos Angeles nennen, eine eigene Plakatwand betreiben. 1000 Franken bezahlt der Kunde für eine Woche Werbung oberhalb des Kunstraums Perla-Mode, direkt an der angesagtesten Ausgehmeile der Stadt. Günstig ist das nicht, aber dafür besitzt das Angebot einen einmaligen Charme: Veli & Amos besprühen die Tafel selber. Ihr Projekt nennen sie «The Billboard», und wie bei jedem Kunstwerk geht ein Teil der Einnahmen aus dem Verkauf an die Galerie, hier an den Off-Kunstraum Message Salon im Perla-Mode.

Kein schlechtes Angebot, denkt man, auch in Anbetracht dessen, dass die Zielgruppe hier ziemlich klar umrissen ist: unter 30, konsum- und ausgehfreudig und/oder meist einer studentischen oder alternativen Kultur zugehörig. Der Querschnitt des Kreises 4, könnte man sagen, sieht man von all jenen ab, die sowieso durch den Raster fallen. Dementsprechend findet man dann auf der Wand von Veli & Amos nicht etwa Sprüche wie «I’m lovin’ it» oder ähnliche Dinge, sondern Partyflyer eines der umliegenden Clubs oder vom besetzten Haus in Wiedikon. Zudem gibt es persönliche Nachrichten wie eine Songzeile von Beyoncé, womit sich einer, der seine Freundin betrogen hatte, entschuldigen wollte, oder «Bon voyage, Vanessa».

«Da die Werbetafel ein Kunstprojekt ist, können wir alles machen!», sagen die Künstler. Sie versuchen, so wenig Emotionen wie möglich in die Aufträge zu stecken. «Wir kriegen eine Vorlage und übertragen sie auf die Tafel, fertig. Uns interessiert der kommunikative Aspekt und die Diversität der Botschaften über die Zeit, normalerweise werben in Zürich nur grosse Firmen via Plakatwand und nicht Kleinstbetriebe oder Bürger.»

Ganzkörperbilder auf Häusern

Entwickelt haben die Künstler ihr Handwerk und ihren Sinn für Kommunikation im öffentlichen Raum an Kunstschulen, einer in Zürich, der andere in Ljubljana, der Hauptstadt Sloweniens. Gefunden haben sie sich vor sieben Jahren, seither treten sie als Künstlerduo in Erscheinung. Sei es in Form von Ganzkörperbildern auf Hausmauern («Andere benutzen für Graffiti Schriftzüge, wir aber unsere Gesichter») oder mit Shows in Galerien. Dazu kommen andere Projekte wie ein kürzlich fertiggestellter Dokumentarfilm, in dem Veli & Amos von Maribor über New York nach Jerusalem reisen, um sogenannte Graffiti-Art und die Künstler dahinter aufzuspüren. Der Film «Style Wars 2» feiert am 6. Juni im italienischen Ancona Premiere, im Herbst wird er auch in der Schweiz in ausgewählten Kinos gezeigt. «Manchmal haben wir auf unserer Suche rein gar nichts erreicht», sagt Veli. Und das passt. Denn das Unberechenbare, die offenen Enden, gehören zu den Arbeiten der beiden Künstler. Auch zur Plakatwand an der Langstrasse.

Bewegung ohne Ziel

Doch: Was würde mit «The Billboard» geschehen, wenn die ganz grossen Firmen auf den Zug aufspringen würden? Wenn Red Bull oder Diesel die Werbewand für sich in Anspruch nehmen würden? «Das wäre für uns ein riesiger Erfolg», sagt Amos und fügt an: «Es wäre doch interessant, zu sehen, wie die Leute im Quartier darauf reagieren.» Wer hier Zynismus herausliest, liegt falsch. «Wir bewegen uns gerne, ohne zu wissen, wohin das alles führt», erklärt Amos. Davon zeugen auch andere Arbeiten des Künstlerduos, etwa auf der Sperrmauer in der Westbank in Palästina oder ein Projekt namens «Save the Whales», bei dem noch völlig unklar ist, was es genau bedeuten soll.

Vorerst betreiben der 26-jährige Angeles und der 30-jährige Silver weiterhin ihre Werbewand an der Langstrasse, auch «um die Studiomiete im PerlaMode und den täglichen Kaffee zu bezahlen», wie Amos sagt. «Viele schätzen das Handgemachte an unseren Arbeiten und die Nähe zur Subkultur.» Und das Geschäft laufe bisher nicht schlecht – auch dank dem «Tages-Anzeiger». Das TA-Logo sprayten die Künstler übrigens von Hand und ohne Schablone. Es prangt nun eine Woche lang über Zürichs Ausgehmeile. Doch trotz der Nähe zu alternativen Kreisen, eine Regel bleibt stets: Wer werben will, muss bezahlen. Oder in den Worten von Veli & Amos: «You pay the bill, we paint the board.» Weitere Infos unter: veli-amos.net

3 Kommentare zu «Die Werbetafel als Kunstprojekt»

  • Daniel sagt:

    Das wäre doch was für die MIGROS gewesen, anstatt bei anderen Werbern ihre Werbung zu überkleben!

  • KMS a PR sagt:

    harald nägeli. ein krimineller. ulllleeeelleeeee-ullaaaalllaaaaa – faca mi vedeer‘- faca mi toccaaaar‘!!!!

  • Anton sagt:

    Die frage ist wohl eher, wann die Stadt Zürich als Spassbremse auftritt und diesen zwei kreativen Köpfen einen Riegel vorschiebt. Kann mir nämlich nicht vorstellen, dass die zwei eine Erlaubnis der Stadt für eine solche „Plakatwand“ haben.
    Viel Glück

Die Redaktion behält sich vor, Kommentare nicht zu publizieren. Dies gilt insbesondere für ehrverletzende, rassistische, unsachliche, themenfremde Kommentare oder solche in Mundart oder Fremdsprachen. Kommentare mit Fantasienamen oder mit ganz offensichtlich falschen Namen werden ebenfalls nicht veröffentlicht. Über die Entscheide der Redaktion wird keine Korrespondenz geführt.