FCZ-Loge: Wie Nero über Rom

Einen fantastischen Blick und genügend Distanz zur Kurve bietet der Matchbesuch in der VIP-Loge.

 

Drittletzter Tabellenplatz, halbleere Ränge, Pyro-Diskussionen ohne Ende, und als ob das alles nicht genug wäre, seit neuestem wieder das Gerücht um eine Fusion mit den Grasshoppers. Es war auch schon friedlicher rund um den FCZ.

An einem Ort im Stadion ist die Welt aber in Ordnung. Hier halten sich Luxus und Gemütlichkeit die Waage, hier gibt es vor dem Spiel einen Dreigänger und nach Abpfiff zur Zigarre ein Glas Wein. Die Rede ist von der VIP-Loge über der Haupttribüne, direkt unter dem Dach des Stadions Letzigrund. Hier sitzen der Business Club, die Sponsoren, der Präsident und all jene, die ein FCZ-Logo auf dem Jaquette tragen.

Eine heilige Allianz

Oder Tamás Kiss von der Werbefirma Hesskisssulzersutter. Er trägt zwar keinen Anzug, doch als Chef der Werbeagentur, die sich für den FCZ um Werbung kümmert, besucht er die Spiele von der agentureigenen Loge aus. Als Gegengeschäft, wie er sagt. Acht Personen haben am runden Tisch in diesem  20-Quadratmeter-Raum Platz. «Manchmal sind wir voll, manchmal nicht», sagt Kiss und lächelt. Auf dem Buffet steht eine Kaffeemaschine, der Tisch ist weiss gedeckt, die Panoramafenster eröffnen den Blick aufs Spielfeld. Von der Wand blickt mit traurigen Augen Gennaro Gattuso.

«Wollen Sie essen?», fragt Tamás Kiss und drückt mir ein Glas Weisswein in die Hand. Es ist 13.15 Uhr. Bald sitzen wir um den Tisch – Kiss‘ beide Buben sind ebenfalls anwesend – und die Servierdame trägt die Vorspeise auf: Eine Gemüse-Terrine mit Nüsslisalat, gefolgt von einer Langustensuppe und später von einem Rindsmedaillon mit Spätzle und Rotkraut. Alles vorzüglich. Doch als die Kinder Bratwurst und Pommes frites aufgetischt erhalten, schauen einige neidisch. «Wir bringen ihnen später gerne auch noch eine Wurst», witzelt die Bedienung, wohl wissend, dass Fussball und Bratwurst ein heilige Allianz bilden.

«War Davide schon hier?!»

Ein junger Mann mit «Hügelfrisur» (Zitat Kiss‘ Sohn Bela) weht in den Raum. Ich erkenne ihn, als er die Unterschriften-Karte signiert. «Für David, Davide Chiumiento 27», steht darauf. «Die Verletzten und die Gesperrten machen jeweils in den Logen die Runde», erklärt Kiss. FCZ-Vizepräsident Gregor Gerber betritt kurz darauf den Raum und fragt: «War Davide hier?! In den anderen Kabinen war er nämlich noch nicht!»

Als wir den Hauptgang gerade beenden, beginnt das Spiel. Aus beiden Fankurven steigt Rauch, es erklingen von weit weg Gesänge. Ich tupfe mir die Mundwinkel ab und betrete mit einem hohen Glas in der Hand den mit Holz ausgekleideten Balkon, wo unsere Sitzreihe liegt. Der Blick auf die Rauchfahnen und die singenden Fans unten in der Kurve lässt ein wenig Sehnsucht aufkommen. Aber was solls? So wie hier oben in der Loge thronte wohl einst Nero über dem brennenden Rom.

Das Spiel untertrifft unsere Erwartungen, die Chancen sind rar, Tore fallen wenige, Daumen runter. In der Pause wird das Dessert serviert: Ein Himbeermousse mit Gelee in Form eines Herzens, was uns besänftigt. Man plaudert, die Kinder spielen.

Statt Gegröle gibts hier Konversation, statt Bier Wein und statt Pyro-Rauch steigt einem der Geruch der Zigarren in die Nase. So fühlt es sich an, wenn man Geld halt. Kurz: Man könnte sich daran gewöhnen. Knapp 40 Angestellte kümmern sich ums Catering in der VIP-Zone. Würde man für die Logen bezahlen, müsste man pro Person und Saison 12’500 Franken hinblättern.

Aber ist Fussball nicht eigentlich etwas anderes? Ist Fussball nicht gemeinsames Leiden, ewiges Bier-durch-die-Reihen-Zirkeln, Anstehen beim Pissoir, Würste vom Grill, Fluchen, Pyro… Fussball ist Volkskultur, mehr als jede andere.

Nach dem Spiel verschwinden die Logenbesitzer wieder in ihre Parzellen, einige lassen sich ein letztes Glas Wein einschenken. Präsident Canepa debattiert mit seiner Frau, die einen blau-weissen Strickpullover trägt. Ich verschwinde durch die an Sternehotels erinnernden Holzgänge und fühle mich zwei Stöcke tiefer schon wieder wie ein normaler Mensch. Fast zu normal. Trotzdem: Beim nächsten Spiel bin ich wieder auf der Tribüne.

Der Blick vom Tisch aus aufs Spielfeld. Im Vordergrund kümmert sich eine Mutter um ihr Kind.

15 Kommentare zu «FCZ-Loge: Wie Nero über Rom»

  • Markus sagt:

    Muss echt toll sein einen Match in einem leeren Stadion in einer leeren Loge zu sehen doch doch, ich erblasse förmlich vor Neid. Zudem wird das Niveau des Fussballs in der Loge auch nicht besser, also bleibe ich effektiv lieber im Pub und sehe mir die PL an. Trotzdem, viel Spass in der Loge, wenn Ihr das mögt, ist da OK.

  • Kevin Maria Sonderegger alias Philipp Rittermann sagt:

    wieso ist das eis so grün…???

  • nino bosch sagt:

    Was wäre der Fussball ohne Sponsoren?
    Darum nicht über diese lästern.

  • Gerber André sagt:

    Der FCZ interessiert mich im Moment sowieso nicht.

  • David sagt:

    Ich finde es ein wenig verwegen, vom Letzigrund als Fussballstadion zu sprechen. Nun, für die VIP’s sicher ein Ort, wo man dinieren, Champagner trinken und Lachscanapés geniessen kann, jedoch für einen normalen Stehplatzfan ist es einfach schlichtweg nicht nur ein winddurchzogener Rosthaufen, sondern auch zu weit vom Spielfeld weg. Inpunkto Sicherheit hat man sicher zuwenig studiert, denn sonst wäre das Stadion nicht so offen wie eine Wohnungstür. Für die hälfte des Preises hätte man ein einfaches, Fantaugliches, kleines geiles Stadion haben können, mit steilen Tribünen und einem Kohlegrill für Bratwurst und Cervelat. Dies alles für viel weniger Geld und bestimmt hätte es auch keine Fehlkonstruktionen auf dem Dach gehabt.

  • Fabien sagt:

    Man kann sich natürlich schon lustig machen oder auch ärgern über die VIPs. Nur sind es genau diese, die den Verein finanzieren. Und nicht die Kurvenfans mit der günstigsten Jahreskarte. Das sollte man nicht vergessen. Ohne VIPs spielt der FCZ in der 1. Liga im Heerenschürli oder auf der Brunau.

    • Kinda sagt:

      Na ja, macht das der FCZ vom Niveau her nicht sonnst auch schon? Sonnst könnte man sich mit EL oder CL Qualifikationen schon finanzieren.
      Und es gibt nicht nur „Kurvenfans“ mit günstigen Jahreskarten sondern auch Familien und alte Leute die dem FCZ schon Jahre die Stange halten. Ich habe einst selbst im VIP Bereich gearbeitet. Die Leute die dort hocken und sich für Fussball interessieren kann man an einer Hand abzählen.

      • Fabien sagt:

        Mit den Saisonkarten für 300 Fr. reichts nicht mal für die Challenge League. Somit hat der Club gar keine Chance, jemals in die EL- oder CL-Quali zu kommen. Ob die VIPs sich für Fussball interessieren, ist unwichtig. Sie finanzieren ihn und subventionieren die günstigen Saisonkarten.

    • Felix Lisser sagt:

      4’000 Saisonkarten in der Südkurve mal 320.- = 1,28 Mio., plus Osttribüne. Plus Merchandising-Kauf

      Und wieviel genau zahlen die VIPS? bitte präzisieren, Fabien

      • nino bosch sagt:

        Deine Saisonkartenrechnung kannst du dir ersparen, das gilt doch nicht für VIP’s.
        VIP’s oder Sponsoren bezahlen pauschal, teilweise (sicher nicht alle) Millionen pro Saison aus der eigenen Tasche und finanzieren so den Spielbetrieb.
        Das Geld das fliesst kann Liebe zum Club, Tradition oder Eigennutz sein. Hier treffen sich ja auch Geschäftsleute welche sich aus ihrem Sponsoring fette Aufträge erhoffen, von Fussball aber keine Ahnung haben, was ja auch nicht nötig ist (solange sie nicht unqualifiziert dreinreden). Soviel zum Kreislauf des Geldes!

        • Stefam sagt:

          Trotzdem ist es wichtiger ein Fan zu sein, ich gehe lieber in eine Grottenliga den Fussball schauen als so in so eine schickimicki Liga! Fussball ist und bleibt der Arbeitersport Against modern Football!

  • Oberli Jörg sagt:

    Das ist im Basler Joggeli nicht anders. Nur muss man unterscheiden: Diejenigen „Fans“ welche die Karten regulär bezahlen. Die erhalten was geboten für ihr Geld. Aber die Gratiskarten, welchen an Regierungsräte, Polizeikommandanten, Chefbeamten und anderen Staatsbeamten abgegeben werden, sind stossend. Und die kommen von der FC Basel AG. Und die Begünstigsten fühlen sich dann tatsächlich wie „Nero über Rom“, wenn ihre Blicke über den gewöhnlichen Pöbel in den minderen Rängen schweifen …

  • Werner Ruefenacht sagt:

    tolle Fans, diese VIP und all die Modefans, welche nur kommen, wenn der Club gewinnt. Gut finde ich jedoch, dass
    diese Leute Geld zahlen fürs Team. Nur dass in Zukunft nur noch diese VIPs Alkohol trinken dürfen, und normale Fans nicht,
    ist einfach lächerlich und nicht richtig. Die jetzige FCZ Krise ist jedoch hausgemacht und der Fisch stinkt von oben. Die Posse fing schon an als Neutrainer Fringer, als Novum in dieser Welt, als bereits gesignter Trainer die Spiele von der Tribüne beobachtete um „Druck zu erzeugen“. Sowas lächerliches habe ich noch nie gehört in der Fussballwelt. Alle seine Transfers sind riesenflops. Dass er dann in jedem TV Interview sagt, was für eine tolle Mannschaft er gesehen hat und dass diese „nur noch Zeit braucht“, nachdem bald die halbe Meisterschaft gespielt ist, ist einfach nur lächerlich. Die Barrage ist viel näher als man denkt, und ich blicke mit Angst auf die Zeit zurück, als ich nach Solothurn, Baden, etc. etc. reisen musste bis zum Wiederaufstieg in Fribourg, als mir der damalige Gott und Skorer John Jairo Trellez sein Shirt nicht gab. Augen Auf FCZ Führung, es ist bereits 7 nach 12.

    • Mike Glarner sagt:

      Werter Herr Ruefenacht, die Barrage entfällt mit der Modusänderung zur Saison 2012/13. Vieleicht sollten AUCH SIE wieder häufiger ins Stadion gehen und sich mit dem FCZ beschäftigen, denn dann würden sie diesen Fakt bestimmt wissen.
      Ausserdem will ich noch erwähnen: Statt Gegröle gibts hier Konversation, statt Bier Wein und statt Pyro-Rauch steigt einem der Geruch der Zigarren in die Nase. So fühlt es sich an, wenn man im Schützwiesen Stadion in Winterthur steht.

  • Andy sagt:

    Ich finde Fussball wirklich langweilig und kann mich überhaupt nicht dafür begeistern. Trotzdem habe ich den Artikel sehr genossen und fand ihn sehr ehrlich geschrieben. Besten Dank für Ihre Impressionen 🙂

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