«Der kleine Schweizer in jedem Zürcher»

Ian Constable mit Band in der Bäckeranlage.

Ian Constable mit Band in der Bäckeranlage.

Gestern spielte der Zürcher Stadtbarde Ian Constable in der Bäckeranlage. Vor ein paar Jahren hielt er den Szenis mit seinem Song «Hippiekacke» einen (selbst)ironischen Spiegel vor und spielte sich damit in die Herzen der Zürcher. Der Stadtblog sprach vor dem Konzert mit dem Musiker.

Ian, die ganze Stadt liebt deinen Song «Hippiekacke», aber fast niemand kennt deine restlichen Sachen. Ist es nicht mühsam, quasi auf ein städtisches One-Hit-Wonder reduziert zu sein?
Nein, der Song hat viel dazu beigetragen, dass ich musikalisch wahrgenommen wurde. Er hat mir sicher auch Türen geöffnet.

Hasst du es nicht, immer diesen Song spielen zu müssen?
Es gab eine Zeit, in der ich den Song nicht mehr spielen konnte, aber inzwischen mag ich ihn wieder ganz gerne.

Spielst du ihn  heute?
Ja, aber erst gegen Ende. Ich weiss, dass die Leute solange bleiben, bis ich Hippiekacke gespielt hab.

Deine Songthemen sind sehr eng gefasst, werden hauptsächlich von Zürchern, und auch da nicht von allen, verstanden. Hindert dich das nicht am Welterfolg?
Ich mache Songs über meinen Alltag, Dinge die ich sehe. Und da ich Native Zürcher bin, gibt das die Perspektive vor. Bei den neuen Songs, an denen ich arbeite, will ich den Fokus etwas öffnen. Ich will den kleinen Schweizer zeigen, der in jedem Zürcher steckt.

Dann willst du also die Schweiz erobern und ein grosser Rockstar werden. Genau wie Gölä, Florian Ast oder Plüsch?
(Schaut schockiert) Ganz bestimmt nicht wie Gölä, Florian Ast oder Plüsch! Ein bitzli Rockstar wär ganz ok, aber ohne dass mich die Leute auf der Strasse erkennen. Ich singe unter einem Künstlernamen, und wenn die Leute mir Mails schreiben, dass sie meine Songs super finden, ist das schon läss. Aber ich finds ja schon blöd, wenn die Leute auf der Strasse auf mich zukommen und meinen «du bist doch dieser Musiker, der Bligg, nicht?».

Du singst, ausser in einem Song eher ironisch, nie über Liebe, das klassische Thema der Rockmusik. Wieso?
Irgendwie gelingt mir das nicht. In Schweizerdeutsch werden Liebessongs sehr schnell kitschig oder peinlich. Nur Berner Mundartmusiker wie Züri West können Liebesthemen adäquat in Schweizerdeutsch bringen. Mit dem Zürcher Dialekt kommt man da schnell an die Schmerzgrenze der Peinlichkeit. Ich will nicht, dass sich die Leute bei meinen Songs fremdschämen.

Du bist in einigen deiner Songs klar politisch, und nicht gerade besonders zurückhaltend. Siehst du dich als Protestsänger?
Ich bin ein politischer Mensch. Ich schaue hin, wenns irgendwo schleift und ich singe darüber. Ich bin ganz klar politisch links und das dürfen die Leute auch wissen. Sonst hätte ich nicht am Occupy Paradeplatz gespielt.

Hast du musikalische Vorbilder in der Schweiz?
Am Ehesten sehe ich mich in der Tradition der Schweizer Liedermacher.  Mani Matter ist sicher einer meiner Liebsten.

Danke fürs Interview.

Wir verabschieden uns vom Künstler und lassen ihn vor einem typischen Zürcher Publikum spielen: Wenn es richtig abgeht, wippen alle begeistert mit dem Fuss und nicken ein wenig mit dem Kopf im Takt. Aber so sind wir halt.

Hier gibts Ian Constable auf MySpace

3 Kommentare zu ««Der kleine Schweizer in jedem Zürcher»»

  • clados sagt:

    Hahaha das Lied ist einfach toll! Ich erkenne meine Freunde darin! Ich finde die Menschen, die so hippiekackemässig leben, aber meist sympathisch…Es ist wirklich typisch Zürich. Lustig, ich mag solche Zürcher/innen…

    Viel lieber Hippiekacke-Menschen als LV-Taschetragenden, angepisst guckende Brillenträgerinnen und Reiche-Checker-spielende, Porsche-Cayenne-fahrende, rote Hosen-tragende-Hobbymilionäre, die natürlich bei CS, McKinsey oder PWC arbeiten, wo den sonst, etwa in einem Restaurant phaaa! Da könnt man sich doch keinen Armani Anzug leisten!
    Aber auch diese Zürcher-Orginale können natürlich lustig und nett sein, muss ja auch gesagt werden…

  • katla sagt:

    „Wenn es richtig abgeht, wippen alle begeistert mit dem Fuss und nicken ein wenig mit dem Kopf im Takt. Aber so sind wir halt.“

    😉 und ich leide öfters unter dieser coolness. ich bewege mich für ZH Verhältnisse viel zu sehr.

  • Hank sagt:

    „lassen ihn vor einem typischen Zürcher Publikum spielen: Wenn es richtig abgeht, wippen alle begeistert mit dem Fuss und nicken ein wenig mit dem Kopf im Takt. Aber so sind wir halt.“

    Haha, dieser Satz ist Hammer! Fühle mich ertappt und ich bin Zürcher. Ist aber nur dort so, wo man erkannt werden könnte. Sobald es dunkel wird, kommt das Tier im Zürcher hervor. Vielleicht hat das mit der protestantischen, reformistischen Ethik aus Zwinglis Zeiten zu tun, wo jeder schaute, dass der Nachbar ja nichts Unmoralisches macht.

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