Im Test: Ü30-Party in Zürich
Sommer ist die Zeit der Singles. Aber wo lernt der gediegene Single über 30 eine/n PartnerIn kennen, ohne dass er dauernd über Kinder und Jugendliche stolpert? Natürlich an einer der Ü30-Partys, die in den letzten Jahren wie Pilze aus dem Boden schiessen. Unser Autor (Ü40, verheiratet) stürzte sich, eindringlicher Warnungen aus dem Freundeskreis zum Trotz, ins Partyleben der lustigen Singles der Generation Golf. Hier seine Erlebnisse:
Ich bin bereits früh da, stehe alleine an der Bar, trinke meinen O-Saft unverdünnt und betrachte die kleinen Gruppen und Einzelgänger, die nach und nach eintreffen. Viele scheinen aus der Agglomeration angereist zu sein.
Die weiblichen Gäste sind zu dritt oder zu viert unterwegs, während die Männer eher alleine oder zu zweit auftauchen. Die meisten Männer wären auch bei einer Ü40-Party nicht weggewiesen worden – bei den Frauen hätte der Ü40-Türsteher wohl auch charmant ein Auge zugedrückt und sie reingelassen.
Wenig Geschmackloses
Stilmässig hatte ich weit mehr zu enge und zu kurze Miniröcke und über Männerbäuche gespannte, taillierte, rosa Hemden erwartet. Bei den Damen herrschen aber Jeans und weisse oder rote Blusen vor, durchmischt mit bunten Baumwoll-Sommerkleidchen und kleinen Schwarzen. Das gedämpfte Licht schmeichelt dem aufgetragenen Makeup.
Die Männer versuchen Jugendlichkeit mit aufgestellten Polokragen und in die Stirn geschobenen Sonnenbrillen zu simulieren. Einige jüngere Männer (knapp Ü30), aus verschiedenen südamerikanischen oder nordafrikanischen Ländern, tragen auffälligen Goldschmuck.
Gegen Mitternacht scheinen endlich alle genug getrunken zu haben, um von einer neugierigen Zurückhaltung in eine begeisterte Euphorie zu wechseln. Mit den lüpfigen Hits aus den 70ern (ABBA, Dancing Queen), den 80ern (Steve Miller Band, Abracadabra) und einigen Heulern aus den 90ern, fühle ich mich an einen Schulfez erinnert. Die Kundschaft erweitert sich um ein paar Grüppchen von Stadtzürchern, die immer erst nach Zwölf in den Ausgang gehen. Die Tanzfläche füllt sich, und im Gegensatz zu den meisten Zürcher Clubs, die ich kenne, scheinen die Leute hier das Tanzen zu geniessen – und nicht als Coolheits-Wettbewerb zu verstehen.
Erster Kontakt
Eine erste mutige Dame spricht mich an, lädt mich ans Tischchen zu ihren Freundinnen ein: «… besser als so alleine rumzustehen». Ich nehme meinen Orangensaft und setze mich zu ihnen. Alle drei Damen sind in ihren späten Dreissigern, bei Zweien sehe ich einen Ehering, bei der Dritten, der Ruhigsten, sehe ich nur den hellen Schatten, wo einst ein Ring sass. Aha, denke ich, zwei Freundinnen drängen die Dritte nach einer Trennung oder Scheidung wieder auf die Jagd. Offenbar haben sie das Unmögliche geschafft und an einem Freitagabend drei Babysitter organisiert.
Ich ernte einige feindselige Blicke der zurückgeblieben Einzelgänger an der Bar. Ich lasse mich nicht beirren, übe für die drei Damen meinen charmantesten Smalltalk, erzähle Anekdoten von meinen Reisen und witzige Bonmots, die ich dem Erfahrungsschatz meiner Freunde entleihe. Zwei lachen, die Dritte schaut auf ihr Handy. Ich vermute, sie erwartet keinen Anruf, sondern will nur nachschauen, ob sie nicht schon lange genug gelitten hat, um endlich wieder nach Hause zu dürfen.
Ich verabschiede mich von den Damen mit einem Hinweis auf meinen Ehering. Die Party ist inzwischen voll in Fahrt, im Korridor zur Toilette knutschen Ü35 wie Teenager (wieder ein Deja vu an eine Schulparty).
Ich setze mich wieder an die Bar und keine zwei Minuten später setzt sich eine Dame neben mich, bestellt irgendeinen Energy-Drink mit Wodka. Sie sieht mich an und meint, sie möge mich. Weil ich so zurückhaltend sei. Wenigstens vermute ich diese Aussage in ihrem alkoholisierten Genuschel. Ich wende mich ab und lasse den Blick über die Menge schweifen.
Bestätigung statt schnellem Sex
Der Club ist inzwischen etwas leerer, offenbar haben sich einige Pärchen bereits gefunden und sind auf den letzten Zug nach Hause. Einige Männer haben die schmale Grenze zwischen Mut antrinken und besoffener Belästigung schon hinter sich gelassen. Aber die allgemeine Stimmung ist fröhlich.
Bei meiner Rauchpause komme ich mit einem Mann ins Gespräch, der mir erklärt, er sei gerne Single, komme oft hier her und geniesse das Flirten. Nein, er erwarte nicht, hier zu schnellem Sex zu kommen, das sei nicht der Sinn. Sinn sei, sein Selbstwertgefühl mit etwas freundlicher Bestätigung aufzupolieren. Bei beiden Geschlechtern. Wenn dann was draus entstehe, um so besser.
Ein kleiner Hinweis für die Partybesucher: Draussen bei den Aschenbechern kommt man am Besten mit Anderen ins Gespräch.
Fazit: Insgesamt habe ich mehr Spass und weniger Verzweiflung gefunden, als ich erwartet habe. Eines aber noch: Offenbar suchten die Anwesenden nicht in erster Linie einen Partner oder ein Abenteuer, sondern die zarte Erinnerung an die eigene, flüchtige Jugend. Und sie scheinen sie zu finden! Jedenfalls mehr, als die Enddreissiger, die noch immer in den Clubs ihrer Jugend rumhängen und den da feiernden Mittzwanzigern mit ihren alten Geschichten auf die Nerven gehen.
23 Kommentare zu «Im Test: Ü30-Party in Zürich»
bin viel ü 50 und weiss nun endlich weshalb ich nicht mehr an Parties anzutreffen bin –
der wirklich gute Sound ist doch eh noch älter als ich es bin oder dann viel , viel jünger.
In Bologna gibts Lokale die so durchgemischt sind, dass auch ü-und unter passen.
Gibs auch eine 70er Party S’Zene in Zuerich und wo wuerde mich interressieren, fliege dann ein von Florida!? Trage keinen Ehering, den habe ich vor 35 Jahren verloren und rauche auch nicht, O Saft selten ein glas Rotwein pro Tag das genuegt, und von Reisen und so habe ich eine ganze Kiste voll, ueber Schiffe gross und klein in allen Schattierungen kann ich ganze Buecher erzaehlen mit den dazugehoerenden Haefen und Laender, wo kann ich info erhalten, Es Gruessli us em Cape.
naja, als knapp-Ü30erin, verheiratet, die aber auch gern an Parties mit Leuten in meinem Alter geht, werde ich laufend von torschlusspanikbefallenen Männern angegraben, was in Clubs mit jüngerem Publikum nicht der Fall ist – als ob gegeben wäre, dass Menschen über 30 panisch nach einem Partner suchen und alles nehmen, was sich anbietet.. wüsste also gern, an welchen Parties dies NICHT der Fall ist.
Bin ü40 und gehe lieber nicht an die entsprechenden Parties, hauptsächlich wegen der Musik. Mag Elektro, Minimal usw. Kenne viele in meiner „Altersklasse“, die das auch so sehen. Die Veranstalter hängen aber lieber ihren zielgruppenspezifischen Vorurteilen nach. Schade.
Dann komm doch gelegentlich bei uns vorbei – wir haben Gäste von 25 bis 50 und ausschliesslich treibenden Elektro im Angebot. Würde uns freuen!
supi! gerne!
danke dir und das mit social media machst du gut ;-))
Hi Jonatan, und wo trefft ihr euch? Bin auch ü40, keine single, würde aber gerne wieder eine party mit guter musik geniessen
Unsere Parties finden normalerweise im Provitreff statt – die nächste am 10. und 11. August (Streetparade-Wochenende).
Weitere Infos zu unserem Konzept und unserer Musik gibts auf der Website reloaded.ch, die hoffentlich bald aufdatiert wird.
Das mit der „guten Musik“ ist ja so eine Sache und sehr subjektiv – tortzdem glaube ich sagen zu dürfen, dass das Feedback unserer Gäste jeweils sehr erfreulich war 😉
Ich oute mich hier nun als ü40er als bekennender abba-fan; die waren bezüglich musikalischen qualitäten epochemachend.
daneben geht’s, je älter die klientel, wirklich nur noch darum, mit guten alten freunden aus den 80ern, am tresen zu stehen und in der jugendmusik zu schwelgen; und dann – ab dem 5. longdrink, kräftig mitzusingen und beim dj weitere, persönliche nostalgie-wünsche anzubringen. persönliches fazit: man kann das auch zuhause machen; aber mit gleichgesinnten macht’s doppelt spass.
Und warum muss es immer nur so langweiliger Sound sein?! Also damals hörten wir komplett andere Musik, Ibiza Stile und garantiert nicht ABBA oder noch schlimmer, falls das geht…hallo :-D.
Darum gehe ich lieber in Clubs wo auch cooler Sound zu finden ist, Kindergarten hin oder her.
Bin auch positiv überrascht, hätte einen fieseren Bericht erwartet. Was ich aber auch überhaupt nicht verstehe: Warum Ü30 zwingend mit so extrem öder und abschreckender 08/15-Musik einhergehen muss. Dass es auch anders geht – in Sachen Musik UND Durchmischung – versuchen wir, bislang ziemlich erfolgreich, jeweils an unseren Partys umzusetzen: http://www.reloaded.ch
Wenn ein Ü40 an eine Ü30 Party geht, dann ist das schon mal schlecht. Dieser müsste nämlich theoretisch an eine Ü40 Party! Auch ich wagte schon einen Selbstversuch und fühlte mich dabei wie im Altersheim. Mit meinen 32 Jahren gehörte ich definitiv zu den jüngsten im Club, alle anderen waren 5-20 Jahre älter. Dann doch lieber an eine normale Party und mit den Mittzwanzigern zu guter Musik richtig abfeiern!
Dann wirst du also auch einer dieser Enddreissiger, die 24-Jährigen erklären, wie man richtig Party macht und überhaupt, wie die Welt funktioniert? Sie werden dich lieben! 😀
Irgendwie komisch in der Schweiz, war vor kuzem in London und da gibts viele Clubs wo 18-50 jährige zusammen feiern zu aktueller Musik, vom Penner bis zum Aktenkofferträger waren alle da. In der Schweiz rotten sich einfach zu viele gleichgesinnte (Szene) zusammen, irgendwie schade und langweilig.
@ Roman: Danke. So sehe ich das auch. Der Autor scheint unbedingt etwas ‚analysieren‘ zu wollen… obwohl nichts dergleichen seine Notwendikeit hätte.
Es scheint wichtig genug zum Lesen UND für einen Kommentar. 😉
Ü30 Party mit Musik von ABBA? Ein grundsätzlicher Denkfehler der Organisatoren ist der Glaube, dass man nur mit Hitparade Musik jener Zeit eine solche Party machen kann. Als ob Ü30s nicht mehr in der Lage sind, club-music zu geniessen. „Ü30 Party“ Never ever!.
Richtig, ich war 2, 3 mal an so einer Ü30, aber die Musik war einfach nicht zum aushalten, ich will nicht die alten Hits von damals hören.
Es gibt auch ü30 Parties wo aktuelle Hits gespielt werden… ist immer die Frage was die Leute wollen -> Musik aus ihrer Jungendzeit oder einfach eine tolle Party mit gleichgesinnten (sprich ü30-ern) zu feiern. Ich finde es herrlich, guten Club Sound, der zwischendurch auch mal etwas älter sein darf, mit nicht mehr ganz so jungen Leuten zu geniessen 🙂 Ausserdem gibt es ja auch noch die ü30 Clubbing Parties, wo dann ausschliesslich Club Sound gespielt wird.
Und muss jedes Mal schmunzeln, wenn ich die grellen Ü30 Plakate sehe. „Gammelfelisch“ nennen das die Jungen.
Mein Fazit: Schlechte Zeiten für nichtrauchende Singles. Ich meine, rauchen tun doch anno 2012 hauptsächlich noch Teenager und Bauarbeiter. Die Szene (und dementsprechend die Konkurrenz) an den Aschenbechern dürfte also überschaubar sein. Und Kompliment an den Autor – für das heutzutage schon sehr mutige Geständnis 😉
Teenager und Bauarbeiter? Eindrücklich, wie die Propaganda der Lungenliga bei Ihnen verfängt. Vielleicht sollten Sie sich aber gleichwohl mal an einen Aschenbecher stellen – Sie würden staunen. Und vielleicht etwas von Ihrer allgemeinen Verächtlichkeit ablegen.
herr gondolofsky – sie fallen mir nun schon zum 2. mal positiv auf – ergibt sich da ein trend, garemänd?!
Ein schöner, empathischer Beitrag. Aufgrund der meist etwas schrillen und nicht gerade anmächeligen Ü30-Plakate hätte ich auf ein Versammlung von Verzweifelten getippt, hört sich aber ganz nett an. Und nach 20 weiss man ja in der Regel, wie realistisch das Abschleppen auf einer Party ist.
(nb: noch schlimmer als die Ü30 sind die nur noch knapp U50, die sich als freiwillige Barkeeper für die U21-Clubs opfern)